IFA

Medienwoche: Sender und Google kämpfen um die TV-Hoheit

ProSiebenSat.1-Chef Thomas Ebeling sieht die klassische, stark regulierte Medienwelt umringt von globalen Akteuren, "die ungestraft mit quasi-monopolistischen Strukturen arbeiten". Er fordert einen runden Tisch.

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Schlagabtausch zwischen Fernsehsendern und Google am Rande der IFA: ProSiebenSat.1-Chef Thomas Ebeling sieht die stark regulierte "klassische" Medienwelt umringt von globalen Akteuren, "die ungestraft mit quasi-monopolistischen Strukturen arbeiten". Es sei unerträglich, dass ein einziges Unternehmen faktisch ein Monopol auf die Online-Suche und die Informationsvermittlung habe und zugleich kein Musterbeispiel für Transparenz sei, monierte der Chef des TV-Konzerns am Montag zum Auftakt der Medienwoche Berlin-Brandenburg. Die großen Netzplayer müssten daher stärker in die Pflicht genommen werden.

Auftakt der Medienwoche im ICC Berlin.

(Bild: heise online/S. Krempl)

"Fast niemand weiß, warum ein Suchergebnis bei Google unter den ersten Treffern erscheint", führte Ebeling seine Kritik aus. Was herauskomme, wenn ein Nutzer nach Namen von Politikern oder Begriffen wie "Urheberrecht" suche, habe Folgen auch für die demokratische Willensbildung. In einem Supermarkt etwa habe der Verbraucher zudem die sichtbare Wahl zwischen Produkten bekannter Hersteller und internen Handelsmarken. Bei Google dagegen "könnte gefiltert werden". Darüber hinaus werde über den Konzern und seine Ableger YouTube der "Wert geistigen Eigentums" in Frage gestellt. Andere Themen wie Verbraucher- und Datenschutz wolle er gar nicht erst erwähnen.

Ebeling forderte daher einen runden, moderierten Tisch von Politik, Verlagen, TV-Konzernen, Telekommunikationsunternehmen und globalen Online-Giganten: "Deutschland braucht einen neuen Mediendialog." Herauskommen dabei solle "mehr Selbstregulierung der digitalen Player". Unabdingbar sei ein gleiches Spielfeld für alle. Wenn Google oder Apple künftig Fernsehen machen wollten, "dann entweder nach den gängigen TV-Regeln" oder in einem generell anders regulierten Umfeld mit gleichen Bedingungen für alle. Ferner müsse der "Schutz geistigen Eigentums wieder zur Normalität" werden, betonte der Senderchef. Da Deutschland ein Schlüsselmarkt sei, rechnet Ebeling mit der erforderlichen Gesprächsbereitschaft und dem Problembewusstsein der digitalen Marktgrößen.

ZDF-Programmdirektor Norbert Himmler unterstütze den Ruf nach einem Dialog. "Wir brauchen einen gleichberechtigten Zugang zu allen Plattformen." Ein Video der Tagesschau etwa dürfe nicht durch den Google-Algorithmus ins Hintertreffen geraten. Dagmar Reim, Intendantin des rbb, bezeichnete eine entsprechende Runde als "alternativlos". Sie äußerte sich aber skeptisch, "ob wir noch Ergebnisse erleben". Beim rbb selbst hätten bereits Gespräche mit Vertretern des geplanten Google TV stattgefunden. Da sich aber auf der Plattform aus technischen Gründen nicht angeben lasse, von welchem Sender die Inhalte stammten, sei eine Kooperation derzeit nicht machbar.

Matthew Glotzbach, Europachef von YouTube, zeigte sich "sehr bereit über Gespräche, wohin wir gehen". Der Vorwurf, "dass wir ein Monopol sind, ist aber nicht fair". Suchergebnisse seien in der Regel weniger entscheidend als die Vorlieben des Publikums und aus welchen Quellen es etwas über neue Shows oder Formate erfahre. Hier sei die "Mundpropaganda" über soziale Netzwerke das wichtigste Element. "Wir verhalten uns neutral gegenüber den Inhalten", unterstrich Glotzbach. Jeder Schöpfer habe die gleichen Voraussetzungen. YouTube sei eine technische plattform, kein Inhalteanbieter. Google TV beschrieb der Manager als "Betriebssystem fürs Fernsehen, genauso wie Android".

ProSiebenSat.1-Rechtsvorstand Conrad Albert und YouTube-Europachef Matthew Glotzbach.

(Bild: heise online/S. Krempl)

Glotzbach bestätigte aber, dass YouTube die traditionellen Grenzen im Fernsehgeschäft aufgebrochen und der Industrie eine Öffnung verschrieben habe. YouTube insgesamt habe derzeit 800 Millionen Nutzer pro Monat, die über 4 Milliarden Stunden anschauen und in jeder Minute 72 Stunden Material hochladen. Wichtig für die Anbieter sei es, in ein Gespräch mit dem Publikum zu treten und Parodien oder Antworten zu erlauben. Die künftigen Videokanäle seien vergleichbar mit mobilen Apps: vernetzbar, personalisiert, auf eine spezielle Zielgruppe zugeschnitten und interaktiv.

Für einen "Schafspelz" hält Conrad Albert die Selbstcharakterisierung Googles als reinen Technikanbieter: "Sie investieren selbst in Inhalte, das behindert uns bei der Vermarktung", hielt der Rechtsvorstand von ProSiebenSat.1 dem Youtube-Manager vor. Das Motto "Don't be evil" erinnere ihn an das Versprechen eines jeden Hundehalters: "Der tut nix." Als Beispiel für eine Benachteiligung der klassischen Sender im europäischen Regulierungsdickicht nannte er die 12-Minuten-Grenze für Werbung pro Stunde. Wer über DSL auf den Bildschirm komme, "muss sich dafür nicht interessieren". Es führe daher kein Weg an praktikablen, grenzüberschreitenden Lösungen vorbei. (vbr)