Arcor muss Google vorerst nicht sperren

Das Landgericht Frankfurt hat einen Antrag der Huch Medien GmbH zurückgewiesen, wonach der Provider die Seiten Google.de und Google.com wegen der Verbreitung pornographischer Schriften ohne Alterskontrolle blockieren sollte.

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Das Landgericht Frankfurt hat einen Antrag der Huch Medien GmbH zurückgewiesen, wonach Arcor die Seiten Google.de und Google.com wegen der Verbreitung pornographischer Schriften ohne Alterskontrolle blockieren sollte. Die Mainzer Firma, die selbst die Sexseite Amateurstar.de betreibt, wollte nicht länger hinnehmen, dass über die Bildersuche von Google selbst Aufnahmen "eindeutig verbotener Tierpornographie" problemlos angezeigt würden. Dem hielt die 3. Zivilkammer des angerufenen Gerichts in dem heise online vorliegenden Beschluss entgegen (Az: 2-03 O 526/07), dass Arcor als Zugangsanbieter "lediglich Verbindungen zu einem Kommunikationsnetz herstellt". Die Telekommunikationsfirma komme daher als Täter oder Teilnehmer von Wettbewerbsverstößen nicht in Betracht.

Die Frankfurter Kammer orientierte sich in ihrer Entscheidung inhaltlich eng an einem Urteil des Landgerichts Kiel vom November, in dem es um die Abweisung eines Antrags der Porno-Vertriebsfirma Kirchberg Logistik auf Sperrung der ausländischen Erotik-Angebote YouPorn.com und Privatamateure.com durch den Provider Kielnet ging. Die Leistung der Beklagten sei "inhaltsneutral", zitieren die Frankfurter Richter aus dem Kieler Beschluss. Sie verfolge weder eigene noch fremde Wettbewerbsinteressen mit konkretem Bezug auf die inkriminierten Internetseiten.

Auch als Störer kann Arcor gemäß dem Frankfurter Landgericht nicht haften. Die bisherige Rechtsprechung dazu setze voraus, dass der Inanspruchgenommene eine "zurechenbare Ursache" für eine Verletzung von Rechten des Anspruchsstellers durch einen eigenverantwortlich handelnden Dritten gesetzt habe. Zudem müsse die "rechtliche Möglichkeit" zur Verhinderung einer solchen Handlung bestehen. An beiden Voraussetzungen fehle es aber. So könne die Abrufbarkeit pornografischer Inhalte via Google der Antragsgegnerin nicht zu Lasten gelegt werden, da zwischen Arcor und den Betreibern der Suchmaschinenseiten keine vertragliche Beziehung bestehe. Vergleichbar äußerte sich gerade auch das Landgericht Düsseldorf in einem weiteren von Kirchberg Logistik angestrengten Verfahren, in dem Tele2 zur Blockade von YouPorn.com und Privatamateure.com gezwungen werden sollte.

Während sich der Beschluss der 3. Zivilkammer so direkt in die jüngsten Entscheidungen zur Providerhaftung in erster Instanz einfügt, beißt er sich offensichtlich mit einer früheren Anordnung der 6. Zivilkammer just desselben Landgerichts Frankfurts. Diese hatte Arcor im Oktober zur Sperrung von YouPorn.com im Rahmen einer einstweiligen Verfügung verdonnert. In diesem Verfahren handelte es sich um den ersten Testballon von Kirchberg Logistik. Die Hannoveraner, die selbst mit der Pornoseite Seyfilms.de Kasse machen wollen und sich dabei um die Einhaltung der strengen Auflagen zum Jugendschutz hierzulande bemühen, werfen den Konkurrenten grobe Verstöße gegen die hiesigen Verpflichtungen zur Alterskontrolle vor der Freischaltung jugendgefährdender Inhalte vor. Arcor hat inzwischen Widerspruch gegen die Sperrungsanordnung eingelegt, nachdem der Provider zunächst mit freiwilligen Webblockaden leidige Erfahrungen sammelte.

Der Geschäftsführer von Huch Medien, Tobias Huch, wollte mit seinem Vorstoß vor allem auf gewisse Unstimmigkeiten im deutschen Jugendschutzrecht hinweisen. Man müsse der Justiz auf den Zahn fühlen und die Tragweite der Haftungsfreistellungen testen, sagte er Anfang Dezember zur Begründung des Vorstoßes gegen Arcor. Das Ziel könnte man mit dem Beschluss erreicht sehen. Huch kündigte gegenüber heise online trotzdem an, Beschwerde gegen die Entscheidung beim Oberlandesgericht Frankfurt einzulegen. Die inkonsistente Rechtsprechung sei sowohl für Juristen als auch für Laien unverständlich. Man könne die Meinung des Gerichts, dass der Zugang zu pornografischen Bildern nicht zu unterbinden sei, zwar als "Sieg der Kommunikationsfreiheit im Internet" feiern.

Für den deutschen Jugendschutz bedeute diese Haltung aber "eine schwere Schlappe", meint Huch. Die Anbieter von Porno und Tierpornographie im Internet weltweit könnten den Beschluss als eine Art Freifahrtschein missverstehen. Die weitere Verfolgung des Falls kommt Huch aber bei den Prozesskosten vergleichsweise teuer zu stehen: statt der angesetzten 25.000 Euro Streitwert hat die 3. Zivilkammer diesen auf 100.000 vervierfacht.

Huch wollte in einem langwierigen Rechtsstreit in den vergangenen Jahren durchsetzen, dass ein Alterscheck für den Zugang zu Porno-Angeboten im Netz ohne Medienbruch bei der Identifizierung von Nutzern erfolgen kann. Der BGH erklärte jüngst aber, dass das von Huch entwickelte und inzwischen nachgebesserte Verfahren "ueber18.de", bei dem anfangs vor allem die Stimmigkeit von Ausweisnummer und Ausstellungsort des Dokuments überprüft wurden, nicht den gesetzlichen Bestimmungen genügt. Momentan hat der Unternehmer beim Bundesverfassungsgericht eine Beschwerde gegen Paragraph 184c Strafgesetzbuch (StGB) laufen, der in Zusammenhang mit Paragraph 184 die Verbreitung von Pornographie in Telemedien ohne Alterskontrolle verbietet. Diese Bestimmung hält Huch in ihrer jetzigen Breite nicht mehr für zeitgemäß.

Siehe dazu auch:

(Stefan Krempl) / (jk)