Hochs und Tiefs der Informationsfreiheit

Der Staatsrechtler Ingolf Pernice sieht im Artikel 5 Grundgesetz schon ein Grundrecht auf Akteneinsicht angelegt. Informationsfreiheitsbeauftragte betonen, dass staatliche Geheimhaltungsbefürworter weniger "starrsinnig" würden.

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Der Berliner Staatsrechtler Ingolf Pernice sieht im Artikel 5 des Grundgesetzes schon das vielfach geforderte Grundrecht auf Akteneinsicht angelegt. Nicht der Zugang zu Informationen müsse besonders begründet werden, sondern warum er beschränkt werden solle, erklärte der Jurist auf einem Symposium zur Informationsfreiheit am Donnerstag in Berlin. Anders als in der Rechtsprechung und als einige Experten meinen, konkretisiere das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG) allein das Grundrecht; es begründe aber nicht selbst einen Anspruch auf Akteneinsicht.

Artikel 5 gibt jedem unter anderem das Recht, "sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten". Dies sei eine wichtige Kampfansage an den "Arkanstaat", meinte Pernice, da Geheimhaltung tendenziell totalitär sei. Die Informationsfreiheit im IFG dagegen öffne den Staat gegenüber dem Bürger und fördere eine "kooperative Regierung". Die Giftseen von Bitterfeld hätten in der DDR kaum bestehen können, wenn ihre Verseuchung kein Staatsgeheimnis gewesen wäre.

Pernice meint, mit der Informationsfreiheit könne Deutschland "endlich zu einem erwachsenen demokratischen Gemeinwesen" werden. Es gebe aber noch viel nachzuholen. Die Kultur der Offenheit sei ausbaufähig, wobei das Internet mit "Liquid Democracy" die Politik eventuell neu zugänglich mache. Es sei aber vielen unklar, wer die zusätzlichen Arbeitsstunden zahle, damit erwünschte Informationen bereit gestellt werden können.

Der rheinland-pfälzische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Edgar Wagner erläuterte, derzeit gebe es noch fünf Länder ohne Informationsfreiheitsgesetz. Für ihn schweben die Befürworter transparenterer Behörden aber "auf einem politischen Hoch", das mit neuen Parteien oder politischen Programmen zu Tage komme. Noch herrsche an manchen Stellen zwar ein "rechtspolitischer Starrsinn" vor. Die Deutschen blieben mit insgesamt unter 10.000 Informationsfreiheitsanfragen auch weit hinter den skandinavischen Ländern oder den USA zurück, wo es allein auf Bundesebene 700.000 Anträge pro Jahr gebe. Er sei aber zuversichtlich, "dass wir weiterkommen".

"Gemächlich setzt sich die Informationsfreiheit immer weiter durch", meinte auch Wagners Hamburger Kollege Johannes Caspar. Er ordnete vor allem das neue Transparenzgesetz der Hansestadt in die "Premiumklasse" der Informationsfreiheitsgesetze ein. Demnach muss die Verwaltung bis Herbst 2014 ein Register mit freigegebenen Akten aufbauen. In Hamburg würden zudem private Stellen eingeschlossen, die öffentliche Dienste erfüllen. Auch habe das Landesparlament die Ausnahmen vom Zugangsanspruch gegenüber dem früheren Informationsfreiheitsgesetz erheblich reduziert. Fiskalische Interessen etwa berechtigten nicht mehr dazu, die Auskunft zu verweigern. Geschäftsgeheimnisse müssten besonders gekennzeichnet werden; es müsse auch begründet werden, warum sie schutzwürdig seien.

Für andere lässt die Anwenderpraxis im Bund noch zu wünschen übrig. Netzpolitik-Blogger Markus Beckedahl machte darauf aufmerksam, dass Behörden Anfragen abblockten oder verhindern wollten, dass Informationen veröffentlicht werden, zum Beispiel in dem sie darauf verweisen, dass die öffentliche Sicherheit gefährdet sein könne; auch werde selbst bei wissenschaftlichen Gutachten des Bundestags ein möglicher Urheberrechtsverstoß ins Spiel gebracht. Manfred Redelfs vom Netzwerk Recherche berichtete, das Bundesinnenministerium habe einen Antrag von Journalisten in zahlreiche Einzelaufträge unterteilt und so die maximalen Gebühren von 500 auf 16.000 Euro hochgeschraubt.

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Peter Schaar wunderte sich, dass sich das Innenministerium beim geplanten E-Government-Gesetz ausdrücklich dagegen ausgesprochen habe, die Verwaltung zu verpflichten, Informationen stärker von sich aus ins Netz zu stellen. Derartige "proaktive" Ansätze müssten bei einer IFG-Reform ausgebaut werden. Schaar kritisierte, dass sich öffentliche Stellen die Argumentation von Unternehmen, ein Antrag verletze ein Geschäftsgeheimnis, oft einfach zu eigen machten. Deutschland befände sich im internationalen Vergleich noch immer auf einem hinteren Platz und habe mehrere internationale Konventionen und Erklärungen zur Informationsfreiheit nicht unterzeichnet.

Eine Lanze für den Schutz von Betriebsgeheimnissen brach Jörg Nothdurft vom Bundeskartellamt. Die Behörde sammle derzeit etwa viele interne Akten aus der Lebensmittelbranche ein. "Wir werden ans Kreuz genagelt, wenn die alle öffentlich werden", warnte Nothdurft. Zudem würde damit der Wettbewerb massiv unterlaufen. (anw)