Bundesverfassungsgericht: IMSI-Catcher verstößt nicht gegen Grundrechte

Die Karlsruher Richter haben eine Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen, wonach das Handy-Fahndungsgerät gegen das Fernmeldegeheimnis verstoße und zur Überwachung ganzer Bevölkerungsteile genutzt werden könnte.

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Das Bundesverfassungsgericht ist nicht der Ansicht, dass der Einsatz des IMSI-Catchers in das Fernmeldegeheimnis oder andere Grundrechte eingreift. Das geht aus dem Beschluss der Karlsruher Richter vom 22. August hervor, der am heutigen Freitag veröffentlicht wurde. Die Verfassungsrichter haben damit eine Verfassungsbeschwerde der Humanistischen Union (HU), zweier Rechtsanwälte, eines Pfarrers, eines Steuerberaters und einer inzwischen verstorbenen Journalistin vom Juli 2003 teilweise als unzulässig und teilweise als unbegründet zurückgewiesen.

Die Datenerhebung mit dem Handy-Fahndungsgerät ist laut der Entscheidung hinzunehmen, da sie nicht im Zusammenhang mit einem Kommunikationsvorgang stehe und auch keinen Kommunikationsinhalt im Sinne des Grundgesetzes betreffe. Beim Einsatz des IMSI-Catchers würden ausschließlich technische Geräte miteinander "kommunizieren", begründen die Verfassungsrichter ihren Beschluss. Es fehle an einem menschlich veranlassten Informationsaustausch, der sich auf ein echtes Gespräch beziehe. Es gehe allein um das Abfangen des Signals eines Mobiltelefons im empfangsbereitem Zustand bei der zuständigen Basisstation des Netzes zur Lokalisierung des Handys. Dieses Prinzip nutze der IMSI-Catcher, indem er innerhalb einer Funkzelle eine Basisstation simuliere und dabei die IMSI-Kartennummer, die IMEI-Gerätenummer sowie den Standort des Mobiltelefons ermittle.

Die Beschwerdeführer würden durch die Erhebung und die kurzzeitige Speicherung der IMSI- und IMEI-Kennung ihrer Mobiltelefone als unbeteiligte Dritte auch nicht unverhältnismäßig in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung betroffen, heißt es in dem Beschluss weiter. Die technischen Kommunikationsdaten hätten zwar einen schutzwürdigen Aussagegehalt, weil sie nach vorausgegangener Identifizierung der Person über eine Zuordnung der Nummern einen Schluss darauf zulassen, welche Person sich im Bereich der virtuellen Funkzelle aufhält und ein betriebsbereites Mobiltelefon mit sich führt. Andererseits sei aber in Rechnung zu stellen, dass die vermehrte Nutzung elektronischer oder digitaler Kommunikationsmittel und deren Vordringen in nahezu alle Lebensbereiche die Strafverfolgung erschwert habe. Es gebe zudem keine Anhaltspunkte dafür, dass Sicherheitsbehörden beim Einsatz des IMSI-Catchers in der Praxis die Grundrechtspositionen unbeteiligter Dritter über das unbedingt notwendige Maß hinaus berühren würden.

Sollte es zu einer kurzfristigen Versorgungslücke beim Erfassen der IMSI- oder IMEI-Nummer eines unbeteiligten Dritten kommen, so gehe dieser Eingriff nicht über das Maß an Empfangs- und Sendestörungen hinaus, die im Mobilfunkbetrieb alltäglich auftreten. Dies gilt laut dem Beschluss auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass ein Mobiltelefon nach Freigabe durch den IMSI-Catcher erst nach einer gewissen Zeit wieder zu seiner ursprünglichen Funkzelle zurückkehrt. Eine solche geringfügige Störung bei der Nutzung von Telekommunikationseinrichtungen sei jedenfalls angesichts der Bedürfnisse der Strafrechtspflege den Nutzern zuzumuten.

Die HU hatte befürchtet, dass der Mobilfunk mit dem umstrittenen und auch von Netzbetreibern sehr kritisch beäugten Überwachungswerkzeug zum Ermittlungsnetz zur Erstellung von Bewegungsbildern und damit einer Kontrolle ganzer Bevölkerungsteile zu verkommen drohe. Eine Modellvariante des IMSI-Catchers erlaube es auch, Handy-Telefonate mitzuhören. Mit diesen Sorgen haben sich die Verfassungsrichter nicht konkret auseinandergesetzt.

Für die vom Bundesjustizministerium seit längerem geplante Gesamtregelung der strafprozessualen heimlichen Ermittlungsmaßnahmen und der darin eingeschlossenen Vorschriften zur Telekommunikationsüberwachung haben die Verfassungsrichter dem Gesetzgeber aber ins Aufgabenbuch geschrieben, "die technischen Entwicklungen wegen des schnellen und für den Grundrechtsschutz riskanten informationstechnischen Wandels aufmerksam beobachten und gegebenenfalls durch Rechtssetzung korrigierend eingreifen" zu müssen. Dabei werde zu prüfen sein, ob verfahrensrechtliche Vorkehrungen – wie etwa Benachrichtigungspflichten oder Rechtsschutzmöglichkeiten – zu erweitern sind, um den Grundrechtsschutz effektiv zu gewährleisten. Es stelle sich auch die Frage, ob und in welchem Umfang von einer neuerlichen Ausdehnung heimlicher Ermittlungsmethoden im Hinblick auf Grundrechtspositionen unbeteiligter Dritter Abstand zu nehmen ist. (Stefan Krempl) / (jk)