Studie drängt auf strengere Regulierung von Suchmaschinen

Das Netz müsse überraschen können, und neuralgische Zugangspunkte dürften die Nutzer daher nicht in einer sich selbst bestätigenden Schleife gefangen halten, fordert die Medienforscherin Miriam Meckel.

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"Das Netz muss überraschen können", fordert Miriam Meckel, Direktorin am Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement der Universität St. Gallen. In einer Studie (PDF-Datei) hat sie daher nun Bedrohungen für die Informationsvielfalt im digitalen Zeitalter vor allem durch Suchmaschinen sowie Leitlinien für eine gegensteuernde Medien- und Netzpolitik umrissen. Das Geschah im Auftrag der Initiative für einen wettbewerbsfähigen Onlinemarkt ICOMP, die von Microsoft gefördert wird. Meckels Hauptanliegen ist, dass Zugangspunkte die Nutzer nicht mehr in einem "algorithmischen Trichter" oder "Ego-Loop" gefangen halten.

Die Eingangstore zum Internet "werden enorm wichtig", führte die Medienforscherin aus. Viele Nutzer fühlten sich im Netz "in einem quasi kontextfreien Informationsumfeld", Suchmaschinen seien aber nie neutral. Vielmehr beruhten sie auf einem Geschäftsmodell und formten die Sicht auf die Welt nach ihren Algorithmen. Die Anwender selbst gäben zusätzlich ihre Daten ins Netz, die wiederum analysiert würden, "um uns passendere Informationen zur Verfügung zu stellen".

Durch solche Elemente der personalisierten Suche könnten "Cyberkaskaden" entstehen, die immer wieder identische oder ähnliche Ergebnisse liefern, arbeitete die Forscherin heraus. Informationen, die abweichende Meinungen enthalten oder inhaltlich nicht mit dem Nutzerprofil entsprechen, würden ausgeblendet. Dieses Phänomen verstärke sich, wenn Plattformen wie Google oder Facebook den Nutzern durch eigene Dienste zusätzlich an sich binden. Dabei sei auch zu bedenken, dass Google bei der Textsuche in Europa einen Marktanteil von 90 und in Deutschland sogar von 96 Prozent habe.

Es gebe zwar teils von den Anbietern selbst eingerichtete Korrekturmechanismen, erläuterte Meckel. Aber der Großteil der Nutzer gehe nicht "ins Google Dashboard", um die Verfolgung der Nutzerspuren auszustellen und den Datenschutz zu erhöhen, ist sich die Wissenschaftlerin sicher. Die Menschen verlernten es so, sich mit alternativen Sichtweisen auseinanderzusetzen und richteten sich lieber in ihren "Blasen" ein. Dies habe auch Folgen für die Gesellschaft und die Demokratie. In den USA etwa sei die konservative "Tea Party" eine Ausgeburt dieser Entwicklung.

Google hat als "Eingangstor" zum Netz eine ungeheure Macht.

Die Forscherin plädierte daher dafür, den Nutzern besser die Abläufe etwa bei einer Suchanfrage zu erklären. Wenn trotzdem 96 Prozent die personalisierte Suche wollen, könne man sie nur begrenzt woanders hinsteuern.

Darüber hinaus möchte Meckel die Politik darauf einschwören, über Nutzungsfreiheiten nachzudenken und dabei einige Prinzipien zu berücksichtigen. So solle eine Koordinationsstelle für digitale Medienpolitik im Bundeskanzleramt eingerichtet werden. Offene Plattformen und Schnittstellen seien im Sinne der Interoperabilität zu garantieren, betonte sie weiter. Voreinstellungen müssten einfach kontrollierbar sein. Ferner sei eine vorherige Zustimmung des Nutzers zu allen persönlichen Datenerhebungen und Filtereinstellungen genauso erforderlich wie die Datenportabilität zwischen einzelnen Diensten. Es müsse "Wahlfreiheit" am Zugangspunkt herrschen.

Dem Direktor der Medienanstalt Berlin-Brandenburg, Hans Hege, gingen diese Appelle nicht weit genug. Das Problem der marktbeherrschenden Stellung von Suchmaschinen sei groß und werde mit Marktmitteln offensichtlich nicht gelöst, konstatierte der Regulierer. Wenn 8 Milliarden Euro für ein duales Fernsehsystem ausgegeben würden, sei es nur folgerichtig, wenn auch nach dem Ausstieg Deutschlands aus dem Quaero-Projekt mehr Geld in die Forschung zu einer Art öffentlich-rechtlicher Suchmaschine investiert werde. Frei von Rundfunkräten sollten Wissenschaftler und Hacker etwas erfinden, "was mich mit Zufällen konfrontiert" und die bestehenden Nachteile des Suchsystems nicht habe. Bedauerlich sei dagegen, dass das einzige Forschungsinstitut zur Netzpolitik in Berlin just von Google gefördert werde.

Die "Frage der Transparenz und der Steuerung ganzer Gesellschaften ist etwas, wo man ran muss", legte auch Conrad Albert, Rechtsvorstand ProSiebenSat.1, der Politik ans Herz. Diese müsse Grundregeln fürs gemeinsame Arbeiten im Internet aufziehen. Thomas Fuchs, Vorsitzender der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten, riet dazu, Grundforderungen etwa zum Datenschutz und zur Inhaltevielfalt aufzustellen und keine Einzelfallgesetze zu machen. Angebote müssten auf verschiedenen Plattformen frei auffindbar sein. Vorabkontrollen sieht der Hamburger Medienregulierer schwinden, während die Missbrauchsaufsicht an Bedeutung gewinne. (jo)