Anti-Terrorpakete des Schweizer Justizministeriums stoßen auf Widerstand

Die Pläne zum Ausbau präventiver Überwachungsbefugnisse des eidgenössischen Justizministers, mit denen etwa das polizeiliche Eindringen in Computersystem erlaubt werden soll, werden von vielen Seiten kritisiert.

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Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartementes (EJPD) sieht sich mit seinen Plänen zum Ausbau präventiver Überwachungsbefugnisse zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus scharfer Kritik ausgesetzt. Der Schweizer Justizminister Christoph Blocher hat für seinen Entwurf zur Revision des Bundesgesetzes über Maßnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) laut einem Bericht des Tagesanzeigers nicht einmal Rückendeckung aus seiner eigenen Partei, der Schweizerischen Volkspartei (SVP), erhalten. Diese beklagt in ihrer Stellungnahme zu dem Reformvorhaben, dass bald jede Einschränkung der persönlichen Freiheit mit dem Totschlagargument des Bemühens um die innere Sicherheit gerechtfertigt werden könne. Man habe Zweifel, ob die geplanten schweren Eingriffe in Grund- und Freiheitsrechte gerechtfertigt seien und die Sicherheitsbehörden neue Befugnisse überhaupt bräuchten.

Laut dem Revisionsentwurf Blochers (PDF-Datei) sollen Ermittler die Möglichkeit erhalten, Privaträume zu verwanzen oder mit Kameras zu überwachen, in fremde Computersysteme einzudringen, Briefe zu öffnen, Telefone abzuhören und den E-Mail-Verkehr von Verdächtigen zu verfolgen. Der Einsatz dieser "besonderen Mittel zur Informationsbeschaffung" sei auf die Abwehr von Terrorismus, gewalttätigem Extremismus, politischer und militärischer Spionage sowie Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen zu beschränken. Es solle vor allem möglich werden, im Bereich des "präventiven Staatsschutzes beispielsweise gegen mutmaßliche Terrororganisationen vorzugehen", heißt es in einer Information des EJPD zu dem Vorhaben (PDF-Datei). Das geltende Recht lasse jedoch im Rahmen der Prävention etwa den Zugang zu Fernmeldedaten und dem Postgeheimnis unterstehenden Informationen sowie Observationen im Privatbereich nicht zu.

"Griffige Kontrollmaßnahmen" zu den Befugnissen sollen dabei dafür sorgen, dass die möglichen "schwerwiegenden" Eingriffe in Grundrechte nicht aus dem Ruder laufen. Jeden Antrag des Bundesamtes für Polizei für eine Überwachung muss demnach das Bundesverwaltungsgericht auf seine Rechtmäßigkeit hin prüfen. Wird diese anerkannt, kann der Vorsteher des EJPD oder in umstrittenen Fällen der Gesamtbundesrat die Maßnahme anordnen. Die Einsätze sollen zunächst auf maximal sechs Monate begrenzt sein, aber auf ein Jahr verlängert werden können. Betroffene sind nach Beendigung der Operation über ihre Bespitzelung zu informieren. Auf die Mitteilung kann dem Entwurf nach aber zum Schutz Dritter sowie bei Gefahr für die innere oder äußere Sicherheit verzichtet werden.

Trotz der geplanten Versuche im Gesetzesentwurf, Big Brother im Zaum zu halten, hagelt es mittlerweile Proteste gegen den Antiterrorkatalog. Die Grünen sprechen von einer "Zumutung für den Rechtsstaat". Terroristische Aktivitäten würden vom Strafgesetz hinreichend erfasst. Auch die Sozialdemokraten gehen davon aus, dass die heutigen Instrumente der Strafverfolgung für die Bekämpfung des Terrorismus ausreichen. Die Schweizer FDP meldet ebenfalls Vorbehalte an, obwohl sie die Stoßrichtung der Revision nicht gänzlich ablehnt. Die nötige Abgrenzung von präventiven und repressiven Maßnahmen bleibe bei den Vorschlägen aber offen.

Der eidgenössische Datenschutzbeauftragte Hanspeter Thür moniert vor allem, dass die präventiven Überwachungsmöglichkeiten ohne strafrechtlich relevanten Verdacht gelten sollen. Auch nach Ansicht der Demokratischen Juristinnen und Juristen folgt der Entwurf der bei Sicherheitspolitikern derzeit häufig anzutreffenden Logik: "Je weniger Verdacht, desto mehr Überwachung". Damit würde sich die Schweiz "rückwärts zum Spitzel- und Schnüffelstaat" entwickeln.

Siehe dazu auch:

  • Kommissar Trojaner: Die Schweiz prüft den Einsatz von Spionagesoftware zum Abhören von VoIP-Telefonaten

(Stefan Krempl) / (jk)