Neuer Vorstoß zur US-Patentreform stößt auf geteiltes Echo

Während die Computerindustrie den interfraktionellen Entwurf zur Novelle des US-Patentsystems begrüßt, gibt es insbesondere aus der Biotech- und Pharmabranche Widerstände etwa gegen die geplante Einspruchsfrist.

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Vertreter der Computerindustrie haben den interfraktionellen Gesetzesentwurf aus beiden Kammern des US-Kongresses zur Novelle des US-Patentsystems begrüßt. Die Reform sei überfällig, erklärte Anthony Peterman, Patentanwalt beim PC-Produzenten Dell am Donnerstag bei einer Anhörung in einem Unterausschuss zu Fragen des geistigen Eigentums im US-Repräsentantenhaus. Die Hard- und Softwarebranche werde seit langem von "exzessiven" Schadensersatzansprüchen in Auseinandersetzungen um gewerbliche Schutzrechte getroffen, das Zerren möglicher Patentverletzter vor Gericht sei zu einem "Geschäft" geworden. Sollte das Gesetz erneut nicht verabschiedet werden, drohten das Wachstum, die Wettbewerbskraft und die Vitalität der US-Wirtschaft unter die Räder zu kommen.

Der neue Vorstoß aus dem Repräsentantenhaus und dem US-Senat sieht vor, dass Richter Schadensersatz nur auf der Basis des "spezifischen Beitrags" eines Patents zum Stand der Technik beziehungsweise zu bereits erfolgten industriellen Entwicklungen und dokumentierten gewerblichen Erfindungen ("Prior Art") festsetzen dürfen. Darüber hinaus soll der Begriff der "absichtlichen" Patentverletzung, der über die in den USA mögliche Verdreifachung von Schadensersatzbestimmungen entscheidet, klarer gefasst werden.

Petermann erläuterte die Bedeutung dieser Bestimmungen an einem Beispiel aus seiner Firma: Dell habe sich jüngst mit einer Klage wegen Verletzung von Patenten durch die Funktionen zum Musikabspielen in Flachbildschirmen und Desktop-Rechnern konfrontiert gesehen. Dabei seien die Ausgleichssummen nicht auf die Umsätze etwa mit der Musikfunktion oder dem Monitor gestützt worden, sondern auf die mit dem gesamten Computer. Der Dell-Gesandte sprach sich auch für den Ansatz des Entwurfs aus, über Patentfälle nur noch Fachgerichte entscheiden zu lassen. Allein so könne verhindert werden, dass Kläger sich bewusst an Richterstühle wenden, die für die Gewährung hoher Schadensersatzsummen bekannt sind.

Gary Griswold, Justiziar für geistiges Eigentum bei 3M, sah die Sache ganz anders. Im Namen der "Coalition for 21st Century Patent Reform", der auch Konzerne wie General Electric oder Procter & Gamble angehören, bezeichnete er eine Begrenzung der Schadensersatzansprüche als gefährlich für Forscher und Erfinder. Patentverletzer würden dagegen bevorzugt. Im Falle der "Post-it"-Notizzettel von 3M könnte ein solcher etwa auf Basis des Gesetzestextes dafür eintreten, den Wert des Papier und des Klebers von der Höhe der Ausgleichssumme abzuziehen. Damit würde für die Kalkulierung des Schadensersatzes aber so gut wie nichts übrig bleiben.

Weiterer Streitpunkt war die geplante Einführung einer einjährigen Einspruchsfrist gegen neu vergebene Patente und ihre Ansprüche. Damit stehe die Gültigkeit eines gewerblichen Schutzrechts zunächst in den Sternen, beklagten Vertreter der Biotech- und Pharmabranche. Kevin Sharer, der Chef von Amgen, führte aus, dass sein Haus manchmal 15 Jahre für die Entwicklung eines neuen Medikaments brauche und dafür bis zu 1,2 Milliarden US-Dollar ausgebe. Da könne es nicht sein, dass bereits vom US-Patentamt einmal geprüfte Ansprüche im Nachhinein über einen längeren Zeitraum hinweg wieder einfach angezweifelt werden könnten.

Petermann und der Washingtoner Rechtsprofessor John Thomas sprachen sich dagegen für die erweiterte Möglichkeit zur Überprüfung von Patenten aus. Letzterer bezeichnete die zu erwartenden praktischen Folgen der vorgeschlagenen Änderung als "marginal". Dass für die Erteilung eines befristeten staatlichen Monopols künftig der Zeitpunkt entscheidend sein, zu dem ein Antrag beim Patentamt eingeht ("First-to-File"-Prinzip), stieß nur William Tucker, Leiter Forschung und Technologietransfer an der University of California in Oakland sauer auf. Bisher gilt in den USA ­– im Gegensatz zum Großteil der restlichen Welt ­– die "First-to-Invent"-Regel. Sie stellt auf den Moment der Erfindung ab, was Tucker zufolge insbesondere unabhängigen und kleinen Entwicklern von Innovationen zugute kommt. Über mögliche Änderungen an dem Gesetzesentwurf wollen die Abgeordneten nach einer weiteren Anhörung zu dem heftig umstrittenen Thema im Mai beraten. (Stefan Krempl) / (anm)