Juristen: Möglicherweise 100.000 illegale Videoüberwachungen in Österreich

Alle Videoüberwachungsanlagen, unabhängig von der Zahl der eingesetzten Kameras, müssen in Österreich dem Datenverarbeitungsregister gemeldet werden. Vor Inbetriebnahme ist zudem in der Regel eine Genehmigung der Datenschutzkommission zu erwirken.

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In Österreich dürften über 100.000 illegale Videoüberwachungsanlagen mit Aufzeichnungsfunktion in Betrieb sein. Diese Befürchtung äußerte die Wiener Rechtsanwältin Margot Artner am Rande einer Veranstaltung des Rechtsforum Infolaw gegenüber heise online. Ihre Schätzung beruht auf Angaben von Herstellern von Überwachungs-Software sowie Installateuren der Anlagen. Artner hat für einen nicht genannten Mandanten die erste Genehmigung für den Betrieb einer Videoüberwachungsanlage in Österreich überhaupt erreicht.

Das notwendige Verfahren bei der Datenschutzkommission hat sieben Monate gedauert. Damit sollte das Eis gebrochen sein, um zukünftige Verfahren wesentlich zu verkürzen, hofft die Anwältin. Zu den behördlichen Auflagen zählt die Löschung der Aufnahmen nach 48 Stunden (beziehungsweise am Montagmittag nach den Wochenenden) sowie die Sichtung der Aufnahmen nur durch qualifiziertes Personal nach einem 4-Augen-Prinzip.

Bisher hatten bloß die Wiener Linien (öffentlicher Personennahverkehr) eine Genehmigung erwirkt, die jedoch auf einen zweijährigen Probebetrieb befristet war und nun um weitere zwei Jahre verlängert wurde. Fahrgäste und Personal dürfen gefilmt, die Aufnahmen 48 Stunden lang aufbewahrt werden. Die Datenschutzkommission möchte durch den Probebetrieb feststellen, ob die Anlage überhaupt dazu geeignet ist, den Schaden durch Vandalismus zu minimieren – sei es durch Abschreckung oder Ausforschung der Täter.

Die Wiener Linien investieren jedenfalls 3,7 Millionen Euro und erhoffen sich damit eine Reduzierung der Vandalismusschäden um 200.000 Euro pro Jahr. Dieses Missverhältnis ist Mitgrund für die Nominierung des zuständigen Stadtrates Sepp Rieder (SPÖ) und des ÖVP-Poltikers Wolfgang Gerstl für einen Big Brother Award. Diese Negativpreise werden am 25. Oktober im Wiener Theater im Rabenhof verliehen.

Legale Anlagen bestehen von öffentlichen Einrichtungen wie etwa von Polizei oder Bundesheer sowie nach gesetzlichen Vorschriften (Banken, Verkehrsüberwachung, etc.). Außerdem haben einzelne Unternehmen die Erlaubnis für den Betrieb von Kameras erwirkt, die im Alarmfall aktiviert werden, also insbesondere bei einem Überfall. Doch nur ganz wenige Anträge liegen derzeit bei der Datenschutzkommission zur Bearbeitung. Der allergrößte Teil aller Videoüberwachungsanlagen mit Aufzeichnung wird rechtswidrig betrieben: Denn prinzipiell müssen alle solche Anlagen, unabhängig von der Zahl der eingesetzten Kameras, dem Datenverarbeitungsregister gemeldet werden. In praktisch allen Fällen ist vor Inbetriebnahme zudem eine Genehmigung der Datenschutzkommission zu erwirken.

Wird das verabsäumt, droht eine Verwaltungsstrafe von 9.445 Euro sowie eine kostspielige Unterlassungsklage beliebiger Betroffener. Nicht anzeigepflichtig sind jedoch Aufzeichnungen, die nicht mit der Absicht erfolgen, Personen zu identifizieren – diese Absicht darf aber selbst für Einzelfälle nicht bestehen. Auch wenn ausschließlich auf Einbrecher gezielt wird, ist also eine Vorabgenehmigung unerlässlich. In Arbeitsräumen gelten zusätzlich arbeitsrechtliche Einschränkungen. (Daniel AJ Sokolov) / (jk)