Bayerische Justizministerin gegen EU-Gemeinschaftspatent

Beate Merk hält den neuen Vorstoß der EU-Kommission zur Vereinheitlichung des Patentsystems für wenig hilfreich und drängt stattdessen auf den Abschluss eines Streitregelungsabkommens des Europäischen Patentamts.

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Für wenig hilfreich hält die bayerische Justizministerin Beate Merk den "letzten Anlauf" der EU-Kommission zur Einführung eines Gemeinschaftspatents. "Ich hoffe, dass die Diskussion von den Erfahrungen mit der vor Jahren gescheiterten Gemeinschaftspatentverordnung profitiert und eine Wiederholung gleicher Mängel vermieden wird", erklärte die CSU-Politikerin Ende vergangener Woche in München. Die Probleme des europäischen Patentrechts lassen sich ihrer Ansicht nach "am schnellsten und effektiv im bestehenden System lösen". Insgesamt kann sich Merk nicht für Vorstöße zu einer "Harmonisierung" der Patentgepflogenheiten der Mitgliedsstaaten etwa durch eine gegenseitige Anerkennung von nationalen Patenten über eine Direktive aus Brüssel erwärmen.

An sich hält Merk die noch bis Ende März laufende Konsultierung der Kommission, mit der auch das Bedürfnis nach einem Gemeinschaftspatent abgefragt werden soll, für sinnvoll. Auf diesem Weg könne den "festgefahrenen Überlegungen" zur Reform des Patentwesens in der EU ein neuer Anstoß gegeben werden. Die Hauptdefizite des Systems liegen ihrer Ansicht nach in der nationalen Aufsplitterung des Rechtsschutzes und in der Vielzahl notwendiger Übersetzungen von Patentansprüchen in andere Sprachen. Diese hätte der bisherige Vorschlag für eine Gemeinschaftspatent-Richtlinie "nicht überzeugend behoben". Das Sprachenproblem würde durch die geplante Regelung sogar noch verschärft. Der gleichzeitig geplante Aufbau eines EU-weiten zentralen erstinstanzlichen Patentgerichts würde laut Merk ferner "erhebliche Nachteile für einen effektiven Rechtsschutz" mit sich bringen.

Angesichts der Tatsache, dass das Europäische Patentübereinkommen die rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung der zeitlich befristeten Monopolansprüche weitgehend vereinheitlicht und das Europäische Patentamt (EPA) in München auf dieser Basis bereits rund 700.000 gewerbliche Schutzrechte erteilt hat, sieht die CSU-Politikerin wenig Änderungsbedarf. Für die Lösung der Kosten- und Durchsetzungsprobleme bei den mehrere nationale Patente "bündelnden" Schutzansprüchen des EPA betrachtet sie ein Streitregelungsabkommen am aussichtsreichsten, welches die Münchner Patentbehörde unter dem Titel "European Patent Litigation Agreement" (EPLA ) laut Merk "praktisch unterschriftsreif" gemacht hat.

Der Entwurf für das Abkommen sieht die Einrichtung einer europäische Patentgerichtsbarkeit als internationale Organisation vor, die über Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren bei europäischen Patenten zu entscheiden hätte. Pro Vertragsstaat wären dafür maximal drei dezentrale Eingangsgerichte zuständig. Ein zentrales Rechtsmittelgericht würde über die Einheitlichkeit der Rechtsprechung wachen. Eine deutliche Verringerung der notwendigen Übersetzungen ließe sich Merk zufolge zudem durch das so genannte Londoner Übereinkommen erreichen, das Deutschland bereits ratifiziert hat. Im Regelfall wäre ein vom Europäischen Patentamt erteiltes Patent damit nur noch in die beiden übrigen Amtssprachen des Europäischen Patentamts zu übersetzen, die noch nicht im Erteilungsverfahren zum Zuge kommen. Die Übersetzungskosten würden sich der Justizministern nach so um rund 50 Prozent reduzieren lassen.

Auf die Kritik am Patentsystem insbesondere aus den Reihen der Softwarepatent-Gegner, dass die Praxis des EPA und seine Auslegung des Europäischen Patentübereinkommens zu weit geht und zu viele grob gestrickte sowie innovationshemmende Trivialpatente hervorbringt, geht Merk in keiner Weise ein. Die Anti-Softwarepatent-Fraktion lehnt auch den Entwurf für eine Gemeinschaftspatentrichtlinie ab. Sie fürchtet, dass mit dem Gesetz die Vergaberichtlinien des EPA festgeschrieben werden und so die Tür für Schutzansprüche auf "computerimplementierte Erfindungen" offiziell aufgestoßen wird.

Das EPLA kommt momentan als Ersatz für die Gemeinschaftsrichtlinie laut Florian Müller, Gründer der Kampagne NoSoftwarePatents.com allerdings auch nicht in Frage. "Damit beide Maßnahmen der europäischen Wirtschaft wirklich nützen können, muss zuerst oder zumindest gleichzeitig der Patentinflation und dem EPA-Fallunrecht gegengesteuert werden", betonte der Aktivist gegenüber heise online. Ansonsten würden scheinbare Kostensenkungen für Anmelder und Einkläger zahlreicher ungerechtfertigter Patente im Ergebnis zu Mehrkosten für die gesamte Wirtschaft führen.

Zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente siehe den Artikel auf c't aktuell (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online):

(Stefan Krempl) / (jk)