Pakistans wundersame Telecom-Regulierung

Ab Ende 2012 werden SIM-Karten in Pakistan nur noch von einer zentralen Behörde ausgegeben. Aber auch darüber hinaus weist die pakistanische Telekom-Regulierung gleich eine ganze Reihe erstaunlicher Eigenheiten auf.

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Dem pakistanischen Mobilfunk-Vertrieb steht eine drastische Änderung ins Haus. Ab 1. Dezember dürfen SIM-Karten nur noch über eine zentrale Behörde ausgegeben werden. Vertriebspartner der Netzbetreiber fürchten um ihren Lebensunterhalt. Doch auch sonst hat die Telecom-Regulierung in dem nach Bevölkerungszahl sechstgrößten Land der Welt erstaunliche Facetten aufzuweisen.

So befahlen die Behörden bereits mehrmals kurzfristig die komplette Abschaltung der Mobilfunknetze in zahlreichen Städten, allen voran Karatschi mit über 21 Millionen Einwohnern. Für einen oder mehrere Tage gab es dort dann keinen Mobilfunk. Begründung: Die Sicherheit. Dagegen wehren sich die Netzbetreiber nun vor Gericht, weil dies selbst nach pakistanischen Recht nur bei Verhängung eines allgemeinen Notstandes zulässig wäre.

Ab 1. Dezember dürfen die Mobilfunker nun überhaupt keine SIM-Karten mehr direkt verkaufen. Ab dann prüft die Nationale Datenbank- und Registrierungsbehörde (NADRA) Identität und Namen der Mutter vor Ausgabe jeder Karte. Diese wird dann nur an die bei der NADRA hinterlegte Adresse zugestellt. Für Ausländer gibt es eine eigene Registrierungsbehörde (National Alien Registration Authority). Ob diese auch SIM-Karten zuteilen wird, geht aus den vorliegenden Informationen nicht hervor.

Bereits seit einigen Jahren ist der anonyme Verkauf von SIM-Karten verboten. Nur wer sich mit einer CNIC (Computerized National Identity Card) ausweist und zudem Rechnungen für Strom, Wasser oder dergleichen vorweist, erhält eine SIM-Karte. Die CNIC wird nur an volljährige Staatsbürger mit Wohnsitz im Inland ausgegeben, die mehrere Dokumente vorlegen sowie Foto und Fingerabdruck anfertigen lassen. Die Daten werden mit einer Watchlist abgeglichen, auf der offenbar alle verfügbaren Datensätze von Afghanen sowie illegalen Einwanderern stehen. Mehr als 92 Millionen Pakistaner sind bereits biometrisch erfasst.

Die Ausstellung einer CNIC dauert 30 Tage, danach steht die Person mitsamt dem Namen ihres Vaters in der Liste der NADRA. Name und Vatersname können unter Angabe der CNIC-Nummer von jedermann per SMS abgerufen werden, Ordnungshüter erhalten auf diesem Weg zusätzliche Daten. Sind einmal alle SIM-Karten registriert, wissen die Behörden auch, wer sich für wessen Eintrag interessiert.

Die Regeln über SIM-Karten gehen so weit, dass Netzbetreibern schon bisher der Besitz vorab aktivierter SIM-Karten verboten war, Razzien und Anklagen nach Terrorismus-Paragraphen inklusive. Die Chips könnten ja in falsche Hände gelangen und dann von Terroristen genutzt werden. Sogar die Nutzung einer nicht korrekt dokumentierten Telefonnummer für ansonsten legale Zwecke ist eine Straftat.

Lachen oder Weinen? Aufruf der pakistanischen Regierung

(Bild: Pakistan Telecommunication Authority)

Jeder Besitzer einer pakistanischen SIM-Karte wird für alles verantwortlich gemacht, was mit seiner Nummer unternommen wird. Verluste sind innerhalb von 24 Stunden zu melden. Mit dramatisch formulierten Plakaten ruft die Regierung dazu auf, überprüfen zu lassen, welche Karten unter der eigenen CNIC verzeichnet sind. "Ihr Glück und das Lächeln in den Gesichtern Ihrer Geliebten sind sehr wertvoll für den Innenminister", hebt der Text an. Die Überprüfung sei "ein kleiner Aufwand, der Ihre Geliebten vor dem Trauma einer nicht verdienten Strafe schützen kann."

In der vergangenen Woche wurden Nummernportierungen (MNP) plötzlich abgeschafft. Ein zwei Sätze langer Befehl ohne Begründung genügte. Und diese Woche wurden die Manager der Anbieter vorgeladen um eine neue Hiobsbotschaft zu erhalten: Sie dürfen keine günstigeren Nacht-Tarife mehr anbieten. Denn solche Mondscheintarife seien "unmoralisch". Eine konkrete Erläuterung ist heise online nicht bekannt, aber die Argumente dürften ähnlich sein wie vor fast sieben Jahren in Bangladesch.

Stolz ist die Behörde auch auf ihre langen URL-Filter-Listen gegen "anti-islamische" Inhalte im Internet. YouTube, Facebook, Twitter und Tausende andere Webseiten können davon ein Lied singen. Gegen Angriffe aus Pakistan auf israelische Webseiten wirkt das System übrigens nicht. (mho)