Ärzte, Anwälte und Journalisten machen gegen Überwachung mobil

Der Bundesverband der Freien Berufe hat sich im Kampf für die Bürgerrechte entschieden gegen die geplante Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen.

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Der Bundesverband der Freien Berufe (BFB), dem unter anderem Ärzte, Juristen, Steuerberater, Architekten und Publizisten angehören, hat sich entschieden gegen die geplante Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und die damit einhergehende Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten ausgesprochen. Die Vereinigung stört dabei insbesondere, dass der Geheimnisschutz der von ihr vertretenen Berufsgruppen mit dem entsprechenden Gesetzesentwurf und vergleichbarer Regelungen im Regierungsentwurf für die umstrittene Novelle des Zollfahndungsdienstgesetzes nicht ausreichend gewährleistet werde.

Die Bundesregierung sei "Nachweis und Argumente schuldig geblieben", warum "ein solcher Einbruch in die Bürgerrechte" mit der Aushöhlung des Vertrauensschutzes gerechtfertigt sein soll, heißt es in einer Erklärung des BFB. Diese wird unterstützt vom Deutschen Anwaltverein (DAV), zwei Bundesärztekammern und dem Deutschen Journalistenverband (DJV). Gerade bei der geplanten sechsmonatigen verdachtsunabhängigen Aufbewahrung von Verbindungs- und Standortdaten gehe die Regierung über die EU-Vorgaben hinaus und schiebe zum Teil technische Gründe vor, "die nicht tragen".

Die Erfordernisse der Bekämpfung von Terror und Schwerstkriminalität befreien den Gesetzgeber nach Auffassung der Verbände auch im Internet und im Bereich moderner Kommunikationsmittel nicht von Zweckmäßigkeits- und Angemessenheitsüberlegungen, wie sie für jeden Grundrechtseingriff nachprüfbar als Rechtfertigung notwendig sind. Kein freier Beruf sei in großer Zahl und in überdurchschnittlichem Umfang in Straftatenvorbereitung oder die Begehung von Straftaten verwickelt. Auch besondere Prozentzahlen in Unterstützerkreisen von Terrororganisationen seien nicht bekannt geworden. Abhörverbote, Zeugnisverweigerung, Berufsgeheimnis seien dagegen Ausdruck der Bürgerrechte und würden eine der vornehmsten Verpflichtungen der freien Berufe beschreiben: auf dem Spiele stehe nichts Geringeres als der Schutz des Kernbereich des Vertrauens, das die Bürger in Ärzte, Anwälte, Steuerberater oder Journalisten setzen.

Die Interessenvertretungen monieren weiter: Wenn mit den Gesetzesvorhaben versucht werde, im Alltag der Kriminalitätsprävention, der Strafverfolgung und des Staatsschutzes zum Teil als lästig empfundene Teile des Rechtsstaates zu minimieren oder ganz abzuschaffen, sei dies vor dem Hintergrund der "Selbstprivilegierung der Politik" und in Anbetracht des "Restfeigenblattes" bei der Strafverteidigung als "schändlich" zu bezeichnen. Die Verbände spielen mit dieser Kritik darauf an, dass die Bundesregierung bei den so genannten Berufsgeheimnisträgern etwa Ärzte, Anwälte oder Medienvertreter schlechter vor einer Mitüberwachung schützen will als Abgeordnete, Geistliche und Strafverteidiger. Dies hat auch die Humanistische Union bereits kritisiert.

Bei der Vorstellung der Position des BFB am heutigen Montag mahnte der Hauptgeschäftführer der Bundesärztekammer, Christoph Fuchs, laut dpa in Berlin an, das sich jeder Patient seinem Arzt ohne Furcht vor Abhörmaßnahmen rückhaltlos offenbaren können müsse. Der DAV-Präsident Hartmut Kilger betonte zugleich: "Es geht nicht um Privilegien für uns, es geht um die Privilegien der Bürger." Vor einer weiteren Aushöhlung des Informantenschutzes warnte der DJV-Vorsitzende Michael Konken. Dieser sei ein "wesentlicher Bestandteil der Pressefreiheit". Medienverbände wie der DJV hatten sich zuvor bereits gesondert gegen die Pläne zur Vorratsdatenspeicherung und zum Ausbau anderer staatlicher Überwachungsmaßnahmen ausgesprochen.

Jerzy Montag, rechtspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, zeigte in einer ersten Reaktion Verständnis für die Sorgen aus der Zivilgesellschaft. Die Kampagne der Berufsorganisationen der freien Berufe setzt ihm zufolge "ein klares Zeichen gegen die von der Regierung forcierte Missachtung der Bürgerrechte". Die Bevölkerung habe sich darauf verlassen zu können, dass die Rechtsanwältin den vertraulich geschilderten Tathergang, der Journalist den Namen des Informanten einer brisanten Geschichte oder der Arzt und Therapeut intimste anvertraute Geheimnisse nicht weitergeben müssen. Montag hielt den Entwürfen von Schwarz-Rot den eigenen Gesetzesvorschlag zum Schutz von Berufsgeheimnisträgern entgegen, den der Bundestag in dieser Woche berät. Das "völlig missratene" Zollfahndungsdienstgesetz wie auch die Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung würden die Grünen als bürgerrechtsfeindlich ablehnen. (Stefan Krempl) / (vbr)