Weg frei für registergestützte Volkszählung [Update]

Die Volks- und Wohnungszählung soll 2011 gemäß dem Zensusvorbereitungsgesetz im Wesentlichen durch eine Auswertung der Melderegister, von Daten der Arbeitsagentur sowie von Dateien zum Personalbestand der öffentlichen Hand bewerkstelligt werden.

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Der Innenausschuss des Bundestags hat am gestrigen Mittwoch dem umstrittenen Regierungsentwurf für ein Zensusvorbereitungsgesetz zugestimmt und so die ersten Voraussetzungen für die "kleine", registergestützte Volkszählung im Jahr 2011 geschaffen. Die Regierungsfraktionen votierten für das Vorhaben, an dem sie nur noch ein paar geringfügige Änderungen hauptsächlich technischer Natur vornahmen. Die Linke stimmte gegen den Entwurf, die FDP und die Grünen enthielten sich. Nach dem Plazet des Innengremiums ist davon auszugehen, dass der Entwurf am Donnerstagabend mit denselben Stimmverhältnissen vom Plenum des Parlaments in zweiter und dritter Lesung verabschiedet wird.

Die Bundesregierung will die von Brüssel vorgesehene gemeinschaftsweite Volks- und Wohnungszählung im Jahr 2011 gemäß dem Zensusvorbereitungsgesetz im Wesentlichen durch eine Auswertung der Melderegister, von Daten der Bundesanstalt für Arbeit sowie von Dateien zum Personalbestand der öffentlichen Hand bewerkstelligen. Eine noch aufwändigere Befragung aller Bürger soll so vermieden werden. Vorgesehen ist zur Ergänzung aber eine direkte Informationserhebung bei Gebäude- und Wohnungseigentümern sowie eine Stichprobenerhebung zur Sicherung der Datenqualität und zur Erfassung weiterer zensustypischer Erhebungsmerkmale wie der Erwerbstätigkeit oder des Bildungsgrades. Abgerundet werden soll der Zensus durch eine Befragung der Verwalter oder Bewohner von Gemeinschaftsunterkünften.

Zur organisatorischen Vorbereitung eines solchen registergestützten Zensus durch die statistischen Ämter des Bundes und der Länder ist vorab der Aufbau eines Anschriften- und Gebäuderegisters erforderlich. Dieses soll unter anderem zur Koordinierung, Zusammenführung und Überprüfung der übermittelten Daten und als Grundlage für eine kleinräumige Auswertung der Ergebnisse herangezogen werden. Ziel ist es, über die Zusammenführung der abgefragten Informationen flächendeckend die Vollzähligkeit des Anschriften- und Gebäuderegisters zu erreichen. Mit dem Vorstoß der Bundesregierung soll die rechtliche Grundlage für die Einrichtung eines solchen umfassenden Registers in 2007 und 2008 geschaffen werden.

Der Bundesrat hatte sich im Mai für eine Ausweitung der geplanten Volkszählung ausgesprochen. Nach Ansicht der Länder sollen zur Qualitätssicherung Unstimmigkeiten bei den übermittelten Daten auch anhand von Einzelprüfungen durch die Meldebehörden geklärt werden dürfen. Wenn die Daten der Vermessungsbehörde und der Bundesagentur für Arbeit den Daten der Meldebehörde – auch nach nochmaliger Überprüfung anhand des in einer Meldestelle vorhandenen Datenbestandes – widersprächen, müsse ein solcher Fall konkret aufgeklärt werden.

Dieses Anliegen hatten Vertreter der Länder auch am Montag im Rahmen einer Anhörung im Innenausschuss des Bundestags noch einmal vorgebracht. Die Bundesregierung und die Innenpolitiker des Parlaments griffen den Vorschlag des Bundesrates allerdings aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken nicht auf. Sie beriefen sich dabei unter anderem auf das vom Bundesverfassungsgericht in seinem Volkszählungsurteil von 1983 aufgestellte Trennungsgebot zwischen den betroffenen behördlichen Datenbanken. So dürfe der Zensus nicht genutzt werden, um Fehler im Melderegister zu korrigieren. Vielmehr seien dazu im Meldewesen selbst Regeln zur Verbesserung der Datenbasis vorzusehen.

Union und SPD warben im Innenausschuss für den Entwurf. Nach Ansicht der großen Koalition ist es für das "verlässliche und planbare Regierungshandeln" von enormer Bedeutung, belastbare Zensusdaten zu haben. Die Liberalen vermissen dagegen eine Vorkehrung in dem Vorhaben, wonach die Daten bundeseinheitlich zu erheben seien. Es sei "unstreitig, dass die Erhebung benötigt wird", heißt es bei der FDP. Aber es mache "keinen Sinn", einen Entwurf auf den Weg zu bringen, der nach jetzigem Stand den Anforderungen nicht genüge.

In einem Entschließungsantrag zur heutigen Plenarabstimmung fordern die Liberalen, die Verwaltungspraxis fortlaufend auf ihre Homogenität hin zu beobachten und erforderlichenfalls im Entwurf eines von der Bundesregierung angekündigten Zensusanordnungsgesetzes Regelungen vorzusehen, welche eine größere Einheitlichkeit der Durchführung des Zensus sicherstellen. Hintergrund ist, dass die genaue Feststellung der Einwohnerzahl von Kommunen deutliche Auswirkungen auf finanzielle Zuwendungen und Leistungsangebote hat. So gab es nach der jüngsten Volkzählung 1987 Korrekturen im Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern in Höhe von damals rund zwei Milliarden Mark.

Bedenken von Datenschützern will die FDP zudem mit dem Appell Rechnung getragen wissen, dass der Einbezug von Geodaten im Adress- und Gebäuderegister eingegrenzt wird. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass in das Adress- und Gebäuderegister auch Koordinatenwerte einschließlich Qualitätskennzeichen aufgenommen werden können. Auf diese Weise sollen die Voraussetzungen für eine kleinräumige Auswertung geschaffen werden. Hierin sehen Sachverständige die Gefahr einer Personenbeziehbarkeit beziehungsweise einer individuellen Profilbildung sowie die Gefahr des Missbrauchs der Informationen zu Score- und Ratingverfahren. Die Liberalen fordern daher im Entwurf des geplanten Zensusanordnungsgesetzes eine Bestimmung, dass derartige Praktiken ausgeschlossen werden. Zudem sei "ein vernünftiger Ausgleich zwischen den Interessen der Nutzer amtlicher Statistiken an möglichst detaillierten statistischen Informationen und dem grundrechtlich geschützten Recht des Einzelnen auf Privatheit und Anonymität" herbeizuführen.

Ähnliche Bedenken hat auch die Linksfraktion vorgebracht. Die Grünen wollten zudem mit Hilfe eines Antrags erreichen, die Verabschiedung des Entwurfs zu verschieben. Vor einer Abstimmung seien die Ergebnisse der parlamentarischen Anhörung auszuwerten. Konkret brachten die Grünen ähnliche Bedenken wie die FDP vor. Ein Regierungsvertreter betonte dagegen, dass die von der Opposition aufgeworfenen Fragen im Anordnungsgesetz geklärt werden könnten.

[Update]:
Der Regierungsentwurf des Zensusvorbereitungsgesetzes ist mit lediglich kleineren technischen Änderungen aus dem innenausschuss mit den Stimmen der großen Koalition am Donnerstagabend verbaschiedet worden. FDP und Gruene enthielten sich, die Linke stimmte gegen das Gesetz.

Siehe dazu auch:

(Stefan Krempl) / (jk)