Ilse Aigner und ihr Show-Feind Facebook

Internen Dokumenten des Verbraucherschutzministeriums zufolge wurde Facebook bislang weit weniger hart angefasst, als es durch Äußerungen von Ministerin Ilse Aigner den Anschein hatte.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 94 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Marvin Oppong

Mit einer kritischen Linie gegenüber Facebook in Sachen Datenschutz wollte Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) dem Wähler gefallen. Interne Dokumente ihres Ministeriums, die heise online vorliegen, zeigen jedoch, dass die Ministerin in den Medien weitaus kritischer gegenüber Facebook auftrat, als ihr Haus den US-Riesen hinter den Kulissen in die Pflicht nahm.

Die Dokumente des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) umfassen 74 Seiten Schreiben und E-Mails des Aigner-Ministeriums an Facebook sowie E-Mails, die Beamte des Ministeriums untereinander in Sachen Facebook austauschten. Die Dokumente stammen aus der Zeit zwischen Juni 2011 und Juni 2012 und damit aus der Hochphase der Auseinandersetzung zwischen der Ministerin Aigner und Facebook.

Rückblick: Aigners persönlicher Kampf gegen Facebook begann spätestens im April 2010, als sie in einem Brief an Facebook-Chef Mark Zuckerberg damit drohte, ihr Facebook-Profil zu löschen, sollte "Facebook nicht bereit sein, seine Firmenpolitik zu ändern". Im Juni 2010 machte sie ihre Drohung dann wahr und verließ medienwirksam die soziale Plattform. Im September 2011 flog Aigner persönlich nach New York und Washington, um Gespräche unter anderem mit Facebook zu führen.

Ilse Aigner weist gerne medienwirksam auf Facebook.

(Bild: Quabbe - Tessmann / BMELV)

Parallel dazu stellten Beamte des Aigner-Ministeriums eine Menge Fragen an Facebook. Sie interessierten sich den Dokumenten zufolge für die verschiedensten Details des Datenschutzes. Zur automatischen Gesichtserkennung wollten sie beispielsweise wissen, ob hochgeladene Bilder nur "mit den Profilfotos der Freunde oder auch mit den Fotos aus den Fotoalben der Freunde" abgeglichen werden. Eine Frage des BMELV an Facebook lautete: "Wenn jemand Bilder von der Geburt seines eigenen Kindes einstellt und namentlich markiert, wird dieses dann in der biometrischen Datenbank namentlich mit Bild erfasst?"

Die Dokumente enthalten allerdings auch eine E-Mail, die Aigners Sprecher Holger Eichele vor ihrer USA-Reise verschickte. Darin fragte er bei einer Vertreterin des deutschen Facebook-Büros an wegen eines kurzen "Statements" für "die wenigen begleitenden deutschen Journalisten [..] im Anschluss an die vertraulichen Gespräche der Bundesministerin". Aigners Sprecher bot Facebook an, das Statement für die Journalisten könne – "je nach Wunsch" von Facebook – auch "off the records", also vertraulich und nicht zitierbar stattfinden. Während des Gesprächs seien "die Journalisten außen vor". Es werde "keine Pressekonferenz oder ähnliches" geben, versicherte Aigners Sprecher der Facebook-Vertreterin. Eichele bestätigte auf Nachfrage zwar, dass es Statements "off the records" gab, wollte jedoch auch auf mehrfache Nachfrage hin nicht mitteilen, welche Teile hinter verschlossenen Türen stattfanden.

Auch ein Brief Aigners an die US-Verbraucherschutzbehörde FTC von Oktober 2011, dessen Inhalt durch einen Bericht der Wirtschaftswoche bekannt wurde, liegt heise online vor. Damaligen Medienberichten zufolge hatte Aigner darin Facebook der Lüge in mehreren Fällen bezichtigt. Das Verbraucherschutzministerium musste nach diesen von Aigner unwidersprochenen Berichten offensichtlich unter der Hand Facebook besänftigen. Das Ministerium stellte den Brief einer Facebook-Lobbyistin zur Verfügung mit der Bitte, "diesen nur intern zu verwenden, da der Brief selbst nicht veröffentlicht wurde".

Die Ministeriale informierte Facebook auch: "Der Begriff 'lügen' wird darin nicht verwendet." Die entscheidende Textpassage finde sich "in der Anlage" auf der letzten Seite. Anstatt von "lügen" ist darin tatsächlich weniger drastisch die Rede davon, eine von Facebook während der USA-Reise "gemachte Aussage, das im Zusammenhang mit dem 'Like-Button' aktive Cookie [...] würde verhindern, dass sich Kinder bei Facebook bei weiteren Versuchen unter einem höheren Alter anmelden", sei "erwiesenermaßen falsch".

Ende November 2011 schickte das Ministerium Facebook einen vierseitigen Katalog mit Fragen zur "Datenerhebung im Zusammenhang mit dem 'Gefällt mir'-Button und Cookies", zu den Sicherheitsvorkehrungen von Facebook, zur Timeline, aber auch zum Jugendschutz. Als Facebook die Fragen zwei Monate später immer noch nicht beantwortet hatte, schrieb das Ministerium Ende Januar an Facebook, man wolle "nachfragen, wann wir mit schriftlichen Antworten auf unsere Fragen bekommen, die wir Ihnen bereits Ende November zugesendet hatten". Das Verbraucherministerium teilte auf Anfrage lediglich mit, Facebook habe "die Fragen am 22.02.2012 schriftlich beantwortet", hält die Antwort Facebooks jedoch unter Verschluss.

Von Facebook war keine Stellungnahme zur Beantwortung der Fragen des Ministeriums zu erhalten. Allerdings schrieb eine Ministeriumsmitarbeiterin den Dokumenten zufolge noch sechs Tage, nachdem Facebook das Schreiben nach Aussage des BMELV beantwortet hat: Wenn eine "Auskunftserteilung gegenüber Nicht-Nutzern tatsächlich nicht vorgesehen" sei, sei dies "ein klarer EU-Rechtsverstoß". (hob)