Zypries droht Haft oder Ordnungsgeld beim Speichern von IP-Adressen

Das Amtsgericht Berlin Mitte hat zur Untermauerung eines Beschlusses, der dem Bundesjustizministerium die Aufbewahrung personenbezogener Daten über Besuche auf der eigenen Webseite untersagt, schwere Strafen angekündigt.

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Das Amtsgericht Berlin Mitte hat zur Untermauerung eines Urteils, das dem Bundesjustizministerium die Aufbewahrung personenbezogener Daten über Besuche auf der eigenen Webseite jenseits des konkreten Nutzungsvorgangs untersagt, schwere Strafen angekündigt. Laut einem jetzt veröffentlichten Beschluss (PDF-Datei) vom 10. Januar (Az. 5 C 314/06) droht bei Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro und ersatzweise gar eine bis zu sechsmonatige Inhaftierung von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) persönlich. Der Richter folgte damit einem Antrag des Klägers, des im Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung aktiven Juristen Patrick Breyer.

Das Bundesjustizministerium stellte die eigene Praxis der Speicherung von Kommunikationsspuren wie IP-Adressen zwar nach dem Urteil des Amtsgerichts und einem Nachgang vor dem Landgericht der Hauptstadt zwar ein. Das Zypries unterstehende Haus erstellt inzwischen nur noch anonyme Statistiken über die Besucher seiner Website. Zuvor wollte es geklärt wissen, dass eine Protokollierung des Nutzungsverhalten ohne IP-Adressen und Personenbezug zulässig bleibe. Zypries gab aber keine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Deswegen bestand nach Ansicht Breyers eine tatsächliche Vermutung für die Gefahr der Wiederholung der Tat. Allein der Hinweis der Beklagten darauf, dass die Daten künftig nicht mehr gespeichert werden, erachtete das Amtsgericht im Sinne des Klägers zur Beseitigung dieser Gefahr nicht als ausreichend. Deswegen drohte es nun harte Sanktionen an.

Im ursprünglichen Urteil hatte das Amtsgericht dargelegt, dass die Aufbewahrung von Kommunikationsspuren wie IP-Adressen das Surf- und Suchverhalten von Internetnutzern gläsern machen könne. Es sprach von einer klaren "Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung". Durch die Zusammenführung der auf der eigenen Webseite erhobenen personenbezogenen Daten sei es mit Hilfe Dritter bereits ohne großen Aufwand in den meisten Fällen möglich, Internetnutzer aufgrund ihrer IP-Adresse zu identifizieren. Die oftmals vorgebrachten Sicherheitsgründe würden eine personenbeziehbare Erfassung des Verhaltens sämtlicher Nutzer nicht rechtfertigen. Als Entscheidungsgrundlage führte die Kammer vor allem das Telemediengesetz (TMG) an. Laut der seit März geltenden Regelung dürfen Betreiber von Internetdiensten keine personenbezogenen Daten auf Vorrat speichern.

Nach Angaben der Bundesregierung speichert noch immer die "überwiegende Anzahl" der Bundesministerien und nachgeordneter Behörden einschließlich des Bundeskriminalamts (BKA) IP-Adressen der Surfer. Zur Begründung heißt es etwa, dass die Bundesverwaltung "kontinuierlich massiven und hoch professionellen Angriffen aus dem Internet ausgesetzt" sei und zur Aufrechterhaltung des Behördenbetriebs die Nutzerspuren vorhalten müsse. Auch das baden-württembergische Innenministerium erklärte im Herbst in einer Antwort (PDF-Datei) auf Anfrage der FDP-Fraktion im Landtag, dass die meisten anderen Ressorts im Ländle weiter IP-Adressen aufbewahren. Die Berliner Urteile behandeln demnach inhaltlich nicht wirklich die Frage, ob die Speicherung der Netzkennungen zulässig sei oder nicht. Beide Parteien seien sich vielmehr zuletzt in der Sache einig gewesen. Daher bestehe kein unmittelbarer Handlungsbedarf.

Breyer rät derweil allen Betreibern von Internet-Angeboten, die Protokollierung von IP-Adressen abzustellen, um rechtliche Risiken zu vermeiden. "Davon profitieren Betreiber wie Nutzer gleichermaßen", meint der Aktivist. Die zum Jahresanfang in Kraft getretene Regelung zur Massenlagerung von Telefon- und Internetdaten im Rahmen der Novelle der Telekommunikationsüberwachung gelte für den Webbereich nicht.

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung startete bereits im Oktober die nicht ganz unumstrittene Kampagne "Wir speichern nicht". Mit ihr sollen Website-Inhaber und Internetportale angeregt werden, ihre Angebote ohne Speicherung nutzerbezogener Daten und IP-Adressen zu gestalten und auf Logfiles zu verzichten. Wer den Surfern eine anonyme Fortbewegung über die eigenen Seiten ermöglicht, darf diese mit einem "Gütesiegel" mit der Aufschrift "We Respect Your Privacy" schmücken. Mit dabei sind im Politiksektor inzwischen unter anderem die baden-württembergische FDP, die Linkspartei sowie Teile der Piratenpartei. (Stefan Krempl) / (jk)