Schaar: Ruf nach Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung unredlich

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz kritisiert Medienberichte, in denen immerzu der Ruf nach Vorratsdatenspeicherung laut wird. Dabei werde nicht gründlich und ohne Berücksichtigung der eigentlichen Fakten debattiert.

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Peter Schaar, Bundesbeauftragter für den Datenschutz, fordert mehr Gründlichkeit in der Debatte um die Vorratsdatenspeicherung. Er hält den "gebetsmühlenartig wiederholten Ruf, die Vorratsdatenspeicherung wieder einzuführen, für unredlich. Gegenüber der Bevölkerung werde durch "Hinweise auf einen vermeintlichen Verlust von Sicherheit und eine Beschränkung der effektiven Polizeiarbeit" ein einseitiges und falsche Bild gezeichnet, schreibt er in einem Eintrag in seinem Weblog. "Wer aber immer wieder hört, dass es ohne Vorratsdatenspeicherung nicht geht, fängt irgendwann an selber daran zu glauben, auch wenn es ein beweisbarer Irrglaube ist."

Damit reagiert Schaar auf die Berichterstattung in den Medien, konkret auf einen Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) über einen Mord im Jahr 2009. Doch dieser sei nur ein Beispiel von vielen. Schaar zitiert aus der Ausgabe 6/2013 des Spiegel, in der es in einem Artikel über den "Enkel-Trick" gelautet habe: "Die Vorratsdatenspeicherung, obwohl von der EU angemahnt, ist in Deutschland derzeit nicht erlaubt – weshalb die Polizei nicht einmal im Nachhinein prüfen kann, wer oder von wo jemand angerufen hat." Die Aussage sei falsch, kritisiert Schaar. Es sei interessant zu wissen, ob der Autor den Hinweis auf die Vorratsdatenspeicherung geschrieben hat, weil er im Rahmen seiner Recherche von den Sicherheitsbehörden darauf hingewiesen wurde oder weil es einfach ins aktuelle Bild passte.

In dem von der FAZ geschilderten Fall aus dem Jahr 2009, also bevor das Bundesverfassungsgericht die gesetzliche Grundlage außer Kraft setzte, wurden die Täter 16 Tage nach dem Mord von der Polizei festgenommen. Anhand der Telekommunikationsverkehrsdaten, die zum Tatzeitpunkt in den Mobilfunkzellen in der Nähe des Tatorts angefallen waren, konnte eine Handynummer identifiziert werden, von der aus SMS vor und nach der Tat an eine Mobilfunknummer der Mittäterin geschickt worden waren. In dem Artikel wird der Leiter der Kriminalpolizei mit den Worten zitiert: "Wir hätten diesen Fall heute nicht mehr gelöst." Der Wegfall der Vorratsdatenspeicherung sei "für die Polizei ein Schlag ins Gesicht".

Die Aussage findet Schaar verwunderlich, denn die Polizei hätte auch heute ohne Vorratsdatenspeicherung alle Daten bekommen können, mit denen die Täter überführt wurden, denn die Provider speicherten die anfallenden Daten noch mehrere Monate für ihre Abrechnungen, mitunter bis zu sechs Monate wie im Fall von Verbindungen zwischen den Netzen, unabhängig davon, ob der Kunde eine Flatrate hat oder nicht.

Schaar stellt zwei Vermutungen auf, warum der Kriminalbeamte behauptet habe, dass die Aufklärung der Tat heute nicht mehr möglich sei. Die Strafverfolgungsbehörden wüssten vielleicht nicht, dass Telekommunikationsverkehrsdaten auch im Zeitalter von Flatrates nicht zwingend unmittelbar nach dem jeweiligen Verbindungsende verschwunden sind. Vermutet werden könne auch, dass die Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden einem Reflex unterliegen, wenn sie bei jeder Gelegenheit die Vorratsdatenspeicherung fordern. (anw)