Das neue Widerrufsrecht – Handlungsbedarf für Online-Händler

Im Juni 2014 ist es voraussichtlich soweit, dann tritt die Umsetzung der Europäischen Verbraucherrechterichtline 2011/83/EU samt neuer Musterwiderrufsbelehrung in Kraft. Händler müssen mit einigem Folgeaufwand rechnen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1 Kommentar lesen
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Die zwingende Umsetzung der Europäischen Verbraucherrechterichtline 2011/83/EU (VRR) in nationales Recht bringt gravierende Änderungen für Online-Händler mit sich. Die ersten wurden bereits mit der Einführung der "Buttonlösung" spürbar. "Sie war aber nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was Online-Händler im Rahmen der weiteren VRR-Umsetzung noch erwarten wird.", so Rechtsanwalt Nicolai Amereller von der IT-Recht-Kanzlei in München, "denn der Anpassungsbedarf ist erheblich". Auch wenn es noch bis 13. Juni 2014 dauern soll, bis die geplanten Neuregelungen in Kraft treten, rät er betroffenen Händlern, sich so früh wie möglich mit der Thematik auseinandersetzen.

Nicolai Amereller ist Rechtsanwalt und arbeitet in der IT-Recht-Kanzlei Rechtsanwälte Keller-Stoltenhoff, Keller in München.

Eine Folge der VRR ist, dass es künftig ein europaweit einheitliches Widerrufsrecht geben wird. Das klingt zunächst gut, hat laut Rechtsanwalt Nicolai Amereller allerdings auch zur Folge, dass die deutschen Vorschriften zum Fernabsatzwiderrufsrecht erheblich umgestaltet werden müssen und dem deutschen Gesetzgeber dabei nur ein sehr eingeschränkter Handlungsspielraum verbleibt.

Aktuell haben Unternehmer die Möglichkeit, das gesetzliche Widerrufsrecht (§§ 312d, 355 BGB) durch ein Rückgaberecht (§ 356 BGB) zu ersetzen. "In der Praxis kam es bei der Gestaltung der AGB häufig zu Vermischungen zwischen Widerrufs- und Rückgaberecht, was eine erhebliche Abmahngefahr bedeutete", so der Jurist. In diese Falle könne künftig niemand mehr tappen, denn das Rückgaberecht wird es in dieser Form nicht mehr geben. "In der Folge besteht für Händler nicht mehr die Gefahr, die Voraussetzungen und Bedingungen dieser beiden Rechtsinstitute zu vermischen."

Eine andere Gefahr wurde ebenfalls gebannt, nämlich die des "unendlichen Widerrufsrechts". Laut aktueller Rechtslage erlischt dieses nämlich nicht automatisch, wenn der Händler es versäumt hat, den Verbraucher ordnungsgemäß zu informieren. Theoretisch kann dieser dann noch Jahre später die Ware ohne Begründung zurückgeben. Die neue Regelung sieht ein einheitliches Widerrufsrecht von 14 Tagen vor. Künftig erlischt das Widerrufsrecht bei Fehlern des Händlers im Rahmen der Widerrufsbelehrung spätestens nach Ablauf von 12 Monaten und 14 Tagen.

Weniger erfreulich ist, zumindest für die Anbieter von digitalen Inhalten, dass der Verbraucher künftig auch hier ein Widerrufsrecht hat. Ob ein solches auch bei "Downloads" besteht oder ausgeschlossen ist, weil es sich um eine Dienstleistung handelt, war bisher umstritten. Grundsätzlich steht dem Verbraucher das Widerrufsrecht also zu, kann unter bestimmten Voraussetzungen aber vorzeitig erlöschen.

In Zukunft muss ein Verbraucher allerdings deutlich erklären, dass er von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen will. Die bloße Rücksendung der Ware an den Unternehmer reicht künftig nicht mehr aus. Damit sollen Missverständnisse ausgeschlossen werden. Künftig soll der Unternehmer sicher sein können, ob der Verbraucher sich auf sein gesetzliches Widerrufsrecht bezieht oder ob es um eine Mängelbeseitigung geht.

Wie Rechtsanwalt Nicolai Amereller erklärt, hat dies zur Folge, dass der Händler den Verbraucher nicht nur über seine Rechte informieren, sondern ihm künftig auch ein Widerrufsformular zur Verfügung stellen muss. Dies kann in Papierform oder auch in digitaler Form auf der Internetseite angeboten werden. Der Kunde muss das Formular aber nicht nutzen. Denn er muss den Widerruf künftig nicht mehr in Textform erklären. Ein entsprechender Anruf beim Anbieter genügt dem Gesetzgeber in Zukunft auch. Für den Händler bedeutet das: Er muss in seiner künftigen Widerrufsbelehrung zwingend auch eine Telefonnummer des Unternehmers angeben.

Einen Mehraufwand bei der Gestaltung der Widerrufsbelehrung bringt auch die Neuerung bei der Frage nach den Versandkosten mit sich. Künftig muss der Verbraucher nämlich die Kosten für den Rückversand selber tragen (außer der Händler übernimmt diese freiwillig weiterhin oder der Händler hat den Verbraucher nicht auf diese Folge hingewiesen). Damit verhält es sich hinsichtlich der Rücksendekosten genau umgekehrt wie nach geltendem Recht. Handelt es sich außerdem um Waren, die nicht per Paket verschickt werden können, muss sich der Verbraucher auch selbst um den Rücktransport mit einer Spedition kümmern. Bislang muss der Händler solche Sendungen beim Verbraucher abholen lassen. Allerdings muss der Händler dem Verbraucher in solchen Fällen bereits in der Widerrufsbelehrung die Höhe der voraussichtlichen Kosten mitteilen. Das kann für den Händler einen erheblichen Rechercheaufwand bedeuten. Auf jeden Fall muss er zumindest diesen Punkt der Widerrufsbelehrung jedesmal individuell anpassen. Und läuft damit Gefahr, eine Abmahnung zu kassieren, wie Rechtsanwalt Nicolai Amereller erklärt: "Der Händler kann nur mit großem Aufwand recherchieren, ob beim Rückversand möglicherweise Mehrkosten anfallen werden. Mit einer Schätzung zu arbeiten, kann aber zur Folge haben, dass er wegen zu hoch angesetzter Rücksendekosten abgemahnt wird. Es könnte sich schließlich auch um eine Irreführung des Kunden handeln, um ihn von der Ausübung des Widerrufsrechts abzuhalten". Übrigens gilt das auch für den Fall, dass die Rücksendekosten zu niedrig angesetzt werden.

Bei paketfähigen Waren muss der Händler die voraussichtlichen Kosten nicht angeben. Für solche Produkte bedarf es also wieder einer anderen Formulierung in der Widerrufsbelehrung. Richtig kompliziert wird es, wenn eine Lieferung aus paketversandfähigen Waren und Produkten, die mit der Spedition verschickt werden müssen, besteht.

Wie der Gesetzgeber schon angekündigt hat, wird es mit den neuen gesetzlichen Vorschriften auch eine neue Musterwiderrufsbelehrung geben. Doch die muss in vielen Fällen noch individuell angepasst werden und bringt aufgrund der vielen Kombinationsmöglichkeiten erhebliches Fehlerpotential mit sich. Der Tipp von Rechtsanwalt Nicolai Amereller: "Wer als Händler auf Nummer sicher gehen möchte, muss künftig Sorge dafür tragen, dass zusammen bestellte Waren auch immer zusammen ausgeliefert werden. Außerdem sollte er bei nicht paketversandfähiger Ware künftig weiterhin die Kosten der Rücksendung übernehmen, sofern die Angabe der voraussichtlichen Rücksendekosten Schwierigkeiten bereitet." (map)
(masi)