Ein weiteres Körbchen zur Urheberrechtsreform

Ein Referentenentwurf gibt einen Blick auf die Pläne des Bundesjustizministeriums für den Umgang mit verwaisten und vergriffenen Werken. Das Ministerium will deren Nutzung erleichtern.

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Das Bundesjustizministerium möchte das Urheberrecht weiter "an die Entwicklungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie" anpassen. Es hat dazu einen Referentenentwurf (PDF-Datei) zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes erarbeitet, den die Linken veröffentlicht haben. Mit dem Vorstoß soll vor allem die Nutzung verwaister und vergriffener Werke erleichtert sowie mit einem Zweitveröffentlichungsrecht für einzelne Wissenschaftspublikationen ein "Open Access"-Anspruch begründet werden.

Bei der geplanten Regelung für verwaiste Werke orientiert sich das Justizressort an einer im Herbst verabschiedeten EU-Richtlinie. Erlaubt werden soll die nichtkommerzielle Nutzung von Büchern, Filmen und anderen schöpferischen Werken, für die kein Urheber mehr aufzufinden ist. Institutionen, die öffentlich zugänglich und dem Gemeinwohl verpflichtet sind, könnten demnach entsprechende Werke digitalisieren und online stellen. Damit soll das kulturelle Erbe besser bewahrt werden.

Zu den berechtigten Einrichtungen zählt der Entwurf insbesondere Bibliotheken, Archive und öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten. Sie sollen für den Zugang zu den genutzten verwaisten Werken ein kostendeckendes Entgelt verlangen. Vorausgehen muss einer Veröffentlichung eine "sorgfältige Suche" in einschlägigen Datenbanken und Werksverzeichnissen, die im Anhang des Entwurfs einzeln angeführt werden. Die Ergebnisse der Recherche sind zu dokumentieren und beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) anzuzeigen. Wird im Nachhinein doch noch ein Rechtsinhaber ausfindig gemacht, hat er Anspruch auf eine "angemessene Vergütung" für die erfolgte Nutzung.

Rechte an vergriffenen, also nicht mehr gedruckten oder anderweitig verfügbar gemachten Werken sollen über die bestehenden Verwertungsgesellschaften eingeräumt werden. Voraussetzung ist, dass die Schöpfungen vor 1966 erschienen sind und sich im Bestand öffentlicher Bibliotheken, Bildungseinrichtungen, Museen oder Archiven befinden. Ein Vervielfältigen oder öffentliches Zugänglichmachen darf zudem nicht gewerblichen Zwecken dienen. Zusätzlich soll ein Register für als vergriffen erachtete Werke beim DPMA errichtet werden. Gegen einen Eintrag darin können Rechteinhaber binnen sechs Wochen nach Bekanntmachung Einspruch erheben.

Die Open-Access-Klausel sieht vor, dass ein Urheber eines wissenschaftlichen Beitrags diesen zwölf Monate nach der Erstveröffentlichung in der akzeptierten Manuskriptversion öffentlich etwa über das Internet mit Verweis auf die ursprüngliche Publikation zu unkommerziellen Zwecken zugänglich machen darf. Der Entwurf schränkt dieses unter anderem vom Bundesrat seit Langem geforderte Zweitveröffentlichungsrecht ein auf Artikel, die "im Rahmen einer mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln finanzierten Lehr- und Forschungstätigkeit entstanden und in einer periodisch mindestens zweimal jährlich erscheinenden Sammlung erschienen sind". Ausgenommen sind damit etwa Forschungsergebnisse, die zunächst in einem unregelmäßig herauskommenden elektronischen Journal veröffentlicht worden sind.

Zur Begründung des von Verlegerverbänden kritisch gesehenen Vorstoßes heißt es, "dass den Hochschulen auch die Aufgabe des Wissenstransfers übertragen ist". Daher hätten die Unterhaltsträger von Bildungs- und Forschungseinrichtungen "ein elementares Interesse daran, die mit erheblichem Einsatz von Steuergeldern generierten wissenschaftlichen Erkenntnisse einer breiten wissenschaftlichen Öffentlichkeit zugänglich zu machen".

Der insgesamt knapp 30-seitige Entwurf will ferner die sogenannte Kabelweitersendung "technologieneutral" ausgestalten. Dabei geht es um das Recht etwa von Netzbetreibern, Wohnungsbaugesellschaften oder Hotels, ein Rundfunkwerk im Rahmen eines zeitgleich, unverändert und vollständig übertragenen Programms "durch Kabel- oder Mikrowellensysteme" vergütungspflichtig weiterzuleiten. Künftig soll auch eine Verbreitung "auf sonstige Art und Weise" erfasst werden.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hatte im Herbst angekündigt, dass statt dem vielfach geforderten und von Schwarz-Gelb ursprünglich geplanten 3. Korb der Urheberrechtsnovelle nur ein "gewisser Strauß" an Änderungen kommen werde. Dazu gehören auch der umstrittene Vorstoß für ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger sowie der zur Schutzverlängerung von Tonaufnahmen. Viel Zeit für die Verabschiedung des neuen Körbchens, das neben dem Bundeskabinett noch den Bundestag passieren müsste, bleibt vor den Parlamentsneuwahlen im September nicht mehr. (mho)