Wachsender Widerstand in der SPD gegen Webseiten-Sperren

Eine Gruppe von Sozialdemokraten hat einen Antrag für den Bundesparteitag der SPD vorbereitet, demzufolge die Bundestagsfraktion den Gesetzesentwurf für Kinderporno-Sperren auch mit den geplanten Änderungen ablehnen soll.

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Kurz vor dem Sonderparteitag der SPD am Sonntag in Berlin formiert sich in der Partei Ablehnung gegen einen möglichen Kompromiss mit der CDU/CSU bei Kinderporno-Sperren. Eine Gruppe von Sozialdemokraten hat einen Antrag für die Delegiertenkonferenz vorbereitet, demzufolge die Bundestagsfraktion dem Gesetzesentwurf "zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen" auch mit den geplanten Änderungen nicht zustimmen soll. Die SPD lehne die Initiative von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) "zur Errichtung einer Zensurinfrastruktur für das Internet ab", heißt es in dem heise online vorliegenden Papier. Die geplanten Web-Blockaden bärgen "erhebliche Risiken für unser demokratisches Gemeinwesen und die Informations- und Meinungsfreiheit". Das Internet sei zwar kein rechtsfreier Raum, es dürfe aber auch nicht vor dem Hintergrund fadenscheiniger Begründungen zensiert werden.

Zu den Erstunterzeichnern der Initiative gehören die Juso-Bundesvorsitzende Franziska Drohsel, der Sprecher der SPD-Linken, Björn Böhning, und Jan Mönikes vom Forum der Wirtschaft der SPD Baden-Württemberg. "Mit dem Antrag wollen wir der SPD-Fraktion den Rücken stärken", erklärte der Ludwigsburger Bundestagskandidat gegenüber heise online. "Auch wenn sich die Union auf die im Detail richtige Kritik einlassen sollte, ist der Ansatz des Gesetzes schon vom Grundsatz her verfehlt." Die Maxime im Kampf gegen Kinderpornographie müsse lauten: "Löschen statt Sperren." Daher sei die Verabschiedung des "für eine Demokratie gefährlichen" Gesetzesentwurfs zu verhindern.

Die Gruppe der SPD-Politiker meint, dass die geplanten Web-Sperren "in Wirklichkeit nur Sichtblenden" darstellten. Die Täter würden damit nicht ermittelt, die Seiten "mit den schlimmen kriminellen Inhalten nicht gelöscht", sondern lediglich mit technischen Maßnahmen "vor zufälligem Zugriff verborgen". Zudem werde einschlägiges Material in der Regel über andere Wege als das Web verbreitet. Beispiele anderer Länder und die von dort bekannten Filterlisten zeigten zudem, dass die einschlägigen Webseiten meist auf Computern in Ländern wie den USA, in West-Europa und auch in Deutschland lägen. Überall dort sei Kindesmissbrauch und die Verbreitung von entsprechenden Bildern und Videos strafbar. Ein direktes Vorgehen gegen die Inhalte-Anbieter wäre möglich und nachhaltiger, als der Polizei Scheuklappen anzulegen. Von der Leyen und das Bundeskriminalamt (BKA) seien hier jedoch untätig geblieben.

Die Bundesregierung hat unterdessen in einer jetzt vom Arbeitskreis Zensur veröffentlichten Antwort (PDF-Datei) auf eine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion eingeräumt, über keine eigenen wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Verbreitung von Kinderpornographie über das Internet zu verfügen. Dem Jahresbericht der britischen Internet Watch Foundation von 2008 sei aber zu entnehmen, dass "der Großteil der Webseiten, die kinderpornographisches Material enthalten, kommerziell organisiert ist". Die Zahl der im "Child Victim Identification Program" des US-Zentrums für vermisste und missbrauchte Kinder registrierten Abbildungen kinderpornographischer Ausbeutung sei von 100.00 Einträgen 1998 auf 15 Millionen Ende 2008 gestiegen. Es sei daher davon auszugehen, dass der Vertrieb von Kinderpornographie im Netz "eine der größten Herausforderungen im Bereich der Internetkriminalität darstelle".

"Keine gesicherten Kenntnisse" liegen der Bundesregierung darüber vor, in welchen Ländern der sexuelle Missbrauch von Kindern noch nicht unter Strafe steht. Daher habe man auch keine Informationen über Server mit solchen Inhalten in anderen Staaten. Es sei aber kein Geheimnis, dass in vielen Ländern "noch keine Initiativen von der Regierungsseite zur Bekämpfung der Kinderpornographie ausgehen". Generell sei davon auszugehen, dass kinderpornographische Inhalte in technisch und wirtschaftlich entwickelten Staaten "einer besonderen Dynamik unterliegen und ihre Speicherung auf einer bestimmten Webseite häufig nur kurzfristig erfolgt".

Eine Auswertung der dänischen Strafverfolger ihrer dortigen Sperrliste hat nach Angaben des federführenden Bundeswirtschaftsministeriums ergeben, dass im Zeitraum Oktober 2008 bis Januar 2009 119 der betroffenen Domains in Deutschland gehostet wurden. Dabei sei aber zu berücksichtigen, dass die Strafbarkeit von Kinderpornographie im Nachbarland erheblich weiter gefasst sei und Abbildungen Jugendlicher sowie sichtbarer Genitalien einschließe.

Zudem hätten sich 79 der zu sperrenden Domains in den Niederlanden, 27 in Russland, 15 in Tschechien und 14 in Großbritannien gefunden. In Fällen, in denen das BKA einen Sperrlisteneintrag veranlasse, würden ferner "ausnahmslos zugleich Strafverfolgungsmaßnahmen gegen die Anbieter eingeleitet" und Beweismaterial abgespeichert, versichert die Regierung weiter. Die Gefahr eines Bekanntwerdens der Schwarzen Liste könne vernachlässigt werden, da diese täglich aktualisiert werden solle. Die Anzahl abgewehrter Zugriffsversuche in Dänemark und Norwegen enthalte keine automatisierten Suchmaschinen-Anfragen. Es handle sich um "unique user", die durch die Provider herausgefiltert worden seien. Eine Bedrohung der Informationsfreiheit durch die geplante Maßnahme sehe man nicht.

Siehe dazu auch:

(Stefan Krempl) / (anw)