Kampagne gegen IP-Adressen-Speicherung

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung hat unter dem Aufhänger "Wir speichern nicht" eine Initiative für ein "anonymes Internet" gestartet. Wer keine Server-Logfiles vorhält, soll mit einem Gütesiegel belohnt werden.

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Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung geht in die Vorwärtsverteidigung gegen weit verbreitete Praktiken zur Erfassung personenbeziehbarer Nutzerspuren auf Internetangeboten. Der Zusammenschluss von Bürgerrechtlern hat dazu die Kampagne "Wir speichern nicht" gestartet. Mit ihr sollen Website-Inhaber und Internetportale angeregt werden, ihre Angebote ohne Speicherung nutzerbezogener Daten und IP-Adressen zu gestalten und auf Logfiles zu verzichten. Wer den Surfern eine anonyme Fortbewegung über die eigenen Seiten ermöglicht, darf diese mit einem "Gütesiegel" mit der Aufschrift "We Respect Your Privacy" schmücken.

Mit dem Verzicht auf die übliche Datenbevorratung könnten sich Anbieter auch vor Bußgeldern, Klagen und Abmahnungen schützen, erklären die Aktivisten unter Verweis auf inzwischen rechtskräftige Urteile des Amts- und Landgerichts Berlin. Darin wird die Protokollierung von Surfspuren auf Basis des Telemediengesetzes (TMG) untersagt. Wer glaubhaft versichern könne, keine IP-Adressen zu speichern, schützt seine Server nach Ansicht des Arbeitskreises zudem "vor polizeilicher Beschlagnahme und Betriebsunterbrechung".

Zur Erläuterung heißt es von den Kampagnenmachern: "Wie beim Lesen eines Buches oder beim Versenden eines Briefes stellen wir sicher, dass dem Nutzer auch im Internet niemand über die Schulter blicken kann." Nur bei Protokollierungsfreiheit könnten Surfer unbefangen im Netz lesen, schreiben und diskutieren. Das nütze allen Bürgern, die etwa Missstände aufdecken wollen, nicht nur auf besondere Vertraulichkeit angewiesenen Berufsgruppen wie Anwälten, Ärzten, Lehrern oder sozialen Einrichtungen.

Zum "rechtsfreien Raum" wird das Internet mit dem Verzicht auf die Logfile-Aufbewahrung nach Ansicht der Bürgerrechtler nicht in einem größeren Maße, als einen solchen etwa "die protokollierungsfreie Briefpost" darstelle. Im Verdachtsfall seien gezielte Ermittlungen durchaus möglich, etwa durch Fangschaltungen. Professionelle Straftäter könnten ihre Identifizierung ohnehin leicht verhindern, sodass eine wie auch immer geartete Vorratsdatenspeicherung "ganz regelmäßig nur harmlose Normalnutzer und Kleinkriminelle trifft".

Es sei ferner nicht nachweisbar, dass eine generelle Protokollierung des Nutzungsverhaltens zu weniger Hacking, Spam, Missbrauch oder Betrug führe. Einzelfallerfolge in diesem Bereich könnten nicht den schweren Eingriff einer verdachtslosen, generellen Datensammlung rechtfertigen. Zudem seien die Nutzer am effektivsten selbst in der Lage, sich gegen derlei Ärger zu schützen. Zur Fehlerdiagnose, zur statistischen Auswertung und zur Beantwortung von Anfragen genüge es regelmäßig, anonyme Besuchsprotokolle aufzuzeichnen. Zur Behebung von Störungen könne im Einzelfall eine personenbezogene Protokollierung aktiviert werden. Auch etwa für den Ausschluss bestimmter Personen aus Internetforen hält der Arbeitskreis die Speicherung von IP-Adressen nicht für sinnvoll. Eine IP-Sperre treffe bei dynamisch vergebenen Netzkennungen nur andere Nutzer, denen später zufällig dieselbe Adresse zugewiesen werde. Effektiver sei es etwa, bei der Anmeldung die Angabe einer gültigen E-Mail-Adresse zu verlangen und Störer anhand dieser auszuschließen.

Anbieter von Internetportalen, Online-Shops, Foren, Blogs und anderen Angeboten finden auf der Kampagnenseite Anleitungen, wie sie ihr Angebot speicherfrei gestalten können. Die Datenschützer hoffen, bald auch dem Bundeskriminalamt das Siegel verleihen zu dürfen. Gerade war bekannt geworden, dass die Strafverfolgungsbehörde seit 2004 Daten über Besuche auf ihrer Internetseite zur "militanten gruppe" speichert. Der Fall verdeutlicht für den Arbeitskreis, "wie unschuldige Internetsurfer aufgrund einer Vorratsdatenspeicherung in Mitleidenschaft gezogen werden können".

Von der geplanten Verpflichtung zur Vorratsspeicherung von Verbindungs- und Standortdaten sehen die Macher ihre Kampagne nicht direkt betroffen. Auch damit ändere sich nichts an dem Protokollierungsverbot für Webseiten, da die neuen Überwachungsauflagen allein die verdachtsunabhängige Aufzeichnung von Einwahlen ins Internet, von E-Mails, von VoIP und Anonymisierungsdiensten verlange. Alle sonstigen Internetdienste wie Webseiten, Foren oder Chat-Räume würden außen vor bleiben und weiter der Löschungsvorschrift des TMG unterliegen.

Zum aktuellen Stand und der Entwicklung der Debatte um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe:

(Stefan Krempl) / (vbr)