Bürgerrechtler: Finnische Internetzensur schießt übers Ziel hinaus

Die finnische Polizei veranlasst Internet Service Provider zur Sperrung von Webseiten mit pornografischen Inhalten. Bürgerrechtler bezweifeln, dass nur solche Angebote auf die schwarze Liste kommen.

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Die finnische Polizei hat mehr Websites auf ihre schwarze Liste mit kinderpornografischen Angeboten gesetzt und damit sperren lassen, als ursprünglich damit bezweckt war. Die Ende 2006 im Gesetz verankerte geheime Liste sollte den Zugang zu kinderpornografischen Angeboten im Web verhindern. Doch seien die meisten Seiten auf dem finnischen Online-Index legale pornografische Angebote aus den USA oder EU-Ländern oder enthielten nicht einmal Pornografie, heißt es in einer Mitteilung der Electronic Frontier Foundation Finland (EFFI). Der Eingriff gehe nun sogar so weit, dass eine zensurkritische Website geblockt wird.

Die Seite lapsiporno.info betreibt der Internet-Aktivist Matti Nikki, der seinerzeit an der Analyse des Rootkit-Kopierschutz von Sony BMG beteiligt war. Nikki dokumentiert die Zensurmaßnahmen auf seiner Website. Beispielsweise führt er eine Liste der Web-Angebote, die auf Geheiß der finnischen Polizei blockiert werden. Nachdem Nikki seine Liste mit anklickbaren Hyperlinks unterlegt hatte, sei seine Website ebenfalls von der Zensur erfasst worden, schildert der Aktivist. Zuvor mussten die Besucher seiner Website die Links kopieren und in das Adressfeld des Webbrowsers einfügen. Ihm gegenüber habe die Polizei keine Auskunft erteilen wollen, doch Medien hätten zu hören bekommen, Nikkis Liste diene durch die "technische Änderung" nun als Portal für kinderpornografische Angebote. Er ist für morgen zu einer Anhörung vorgeladen.

Die schwarze Liste enthält nach EFFI-Angaben 1700 Einträge. Entscheidend für die Aufnahme sei nicht, dass eine Website auch inkriminierte Darstellungen enthält. Deshalb seien auch diverse Webseiten aufgeführt, die als so genannte Linkfarmen dienen. Wenn auch nur einer der dortigen Links unter Verdacht fällt, kommt die Seite auf die Liste. Diese übergibt die Polizei in regelmäßigen Abständen den Internet Service Providern (ISP), die entweder auf DNS-Ebene sperren oder mit Proxy-Servern arbeiten. Die ISP sind laut EFFI verpflichtet, die schwarze Liste vertraulich zu halten.

Durch das weitreichende Zensurverhalten könne es passieren, dass gesamte Webserver gesperrt werden, kritisiert die EFFI. Wenn beispielsweise jemand in einem öffentlichen Forum einen Link auf ein verdächtiges Angebot postet und die Polizei diesen entdeckt, könne dieses möglicherweise ansonsten komplett unverdächtige Forum unter die Blockade fallen. Die EFFI sieht dies als Problem für sämtliche Angebote mit nutzergenerierten Inhalten. Die finnische Polizei verzichte darauf, mit dem Betreiber einer inkriminierten Website oder dessen Internet Service Provider Kontakt aufzunehmen. Das sei seltsam, finden die Bürgerrechtler, denn die meisten ISP wären zur Kooperation bereit und würden kinderpornografische Angebote gezielt sperren.

Nikki und die Bürgerrechtler bezweifeln die Effizienz der Zensur. Erstens sei sie leicht zu umgehen, zweitens lasse sich mit einem Web-Crawler durch Domain-Namen-Abfragen die schwarze Liste herausfinden, drittens nutzten die Anbieter kinderpornografischen Materials nicht die Wege des Internets, die sich durch derartige Zensur vermeintlich kontrollieren ließen. Viertens sorge solche Blockade bei Nutzern dafür, dass die ihren Selbstschutz vernachlässigen könnten.

Die Bürgerrechtler befürchten, die Internetzensur könne sich ausweiten. EU-weit gibt es Bestrebungen, mit Hilfe von Internetzensur gegen Kinderpornografie vorzugehen und darüber hinaus gegen Fundstellen für terroristische Inhalte sowie für Urheberrechtsverstöße. Die EFFI setzt sich dafür ein, dass das in der Verfassung festgeschriebene Recht auf freie Rede nicht durch politische oder ökonomische Interessen aufgeweicht wird. (anw)