IHK Hessen: Wahlberechtigung als Grundlage für Rundfunkgebührenpflicht

Die medienpolitische Kommission der hessischen Industrie- und Handelskammern hat ein Modell entworfen, wonach stimmberechtigte Bürger die öffentlich-rechtlichen Sender mit 15,36 Euro im Monat finanzieren müssten.

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Die medienpolitische Kommission der hessischen Industrie- und Handelskammern macht sich für einen Paradigmenwechsel bei der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks stark. Mit dem am heutigen Donnerstag in Frankfurt vorgestellten "hessischen Modell" (PDF-Datei) sollen die Rundfunkgebühren von den Empfangsgeräten gelöst werden. Zahlungspflichtig würden mit dem Vorstoß alle in Deutschland lebenden Wahlberechtigten – unabhängig davon, ob und über welche Empfangstechnik sie das Bildungs-, Informations- und Unterhaltungsangebot von ARD und ZDF abrufen. Betroffen sein sollen nicht nur Deutsche, sondern auch dauerhaft hier lebende Ausländer, die an Ausländerbeiratswahlen teilnehmen dürfen.

Die Rundfunkgebühren würden mit dem Vorschlag unter die bisherigen Monatsbeiträge für den Radio- und Fernsehempfang sinken, wobei die den Öffentlich-Rechtlichen zur Verfügung stehende Summe gleich hoch gehalten würde. Nach den Berechnungen des hessischen Modells wird die monatliche Gebühr für Singles 15,36 Euro betragen. Für Personen, die in Lebensgemeinschaft leben und dies der Gebühreneinzugszentrale (GEZ) nachweisen, soll sich die Gebühr auf 7,68 Euro pro Monat reduzieren. Auf der Basis von 64,5 Millionen zahlungsverpflichteten Personen würde so ein Gebührenaufkommen von 7,29 Milliarden Euro erreicht.

Durch die Anknüpfung an die Wahlberechtigten sollen alle volljährigen Bürger erfasst werden, die dauerhaft in Deutschland ihre Zelte aufgeschlagen haben. Die Daten über die Wahlberechtigung werden gemäß dem Vorschlag von den Gemeinden in Wählerverzeichnissen erfasst. Diese Informationen sollen der GEZ übermittelt werden, die weiterhin mit dem Einzug der Rundfunkgebühren betraut wäre. Gleichzeitig erhofft sich die hessische Wirtschaft aber mehr Transparenz beim Erhebungsverfahren. GEZ-Kontrollen in Betrieben und an der Wohnungstür seien nicht mehr nötig.

"In einer Zeit, in der bald jedes Küchengerät ein potenzieller Fernsehempfänger wird, muss sich die Gebührenpflicht an der eigentlichen Leistung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks festmachen", wirbt Ulrike Gehring, Vorsitzende der Medienpolitischen Kommission Hessen, für das Modell. Die Sender würden schließlich nicht Empfangsgeräte zur Verfügung stellen, sondern einen Teil des Programms. So müsse im Sinne einer technologiefreundlichen Wirtschaftspolitik die Gebühr für die eigentliche Leistung erhoben werden, nämlich die Erfüllung des Programmauftrages für das demokratische Gemeinwesen.

Die Vereinbarkeit des hessischen Modells mit der Verfassung haben die Industrie- und Handelskammern mit einem Rechtsgutachten von der Frankfurter Rechtsanwältin Petra Marwitz klären lassen. Demnach hat das Kriterium der Wahlberechtigung Vorteile gegenüber anderen Vorschlägen wie einer allgemeinen, pro Kopf berechneten Medienabgabe oder einer haushaltsbezogenen Gebühr. Bei ersterer sieht die Expertin die Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht mehr gewährleistet, wenn der Obolus über die Finanzverwaltungen eingezogen würde. Ein derartiges steuerfinanziertes Modell scheide daher aus. Gegen die Haushaltsabgabe wiederum sprächen erhebliche datenschutzrechtliche Bedenken. Besonders problematisch sei dabei, dass bei der GEZ faktisch ein bundesweites Register über alle über 16jährigen Personen mit näheren Angaben zu den sozialen Verhältnissen entstünde.

Mögliche Bedenken gegen die Verbindung der Gebühr mit dem demokratischen Grundrecht sucht Marwitz zu entkräften. Der freie Zugang zur Wahl könnte möglicherweise durch korrespondierende Zahlungsverpflichtungen tangiert sein, räumt die Anwältin ein. "Die Rundfunkgebühr soll aber keine Voraussetzung für den Zugang zur Wahl sein, sondern vielmehr nur an die Berechtigung anknüpfen." Eine Beeinträchtigung des Wahlrechts sei daher nicht ersichtlich.

Gegen eine Geheimhaltungsbedürftigkeit der Daten über die Wahlberechtigung spreche die gesetzgeberische Wertung, der zufolge auch Dritte Einsicht in das Wählerverzeichnis im Hinblick auf andere Personen nehmen könnten. Zudem seien keine berechtigten Interessen erkennbar, die gegen eine Bekanntgabe der Daten über die Wahlberechtigung gegenüber den Landesrundfunkanstalten sprächen. Die Verknüpfung der Rundfunkgebührenpflicht mit der Wahlberechtigung harmonisiere daher mit den von der Verfassung geschützten Wahlgrundsätzen.

Als Eckpunkte lagen dem Modell neben der Neutralität gegenüber dem derzeitigen Gebührenaufkommen die Nutzer- und Nutzungsunabhängigkeit, die Ungebundenheit der Technik, Sozialverträglichkeit und Programmautonomie zugrunde. Mit einer zunehmenden Schar an Nutzern, die vom Fernsehen weg ins Internet abwandern, rechnet die Gutachterin dabei nicht. Die Zahlungspflicht treffe auch Personen, die keine Radio-, Fernseh- oder sonstigen Geräte für den Empfang von Rundfunkangeboten bereit halten, heißt es in der Analyse zwar. Die Anzahl dieser Personen dürfte auf Grund der Multifunktionalität von Alltagsgeräten zumindest innerhalb kürzester Zeit aber verschwindend gering sein. Auf alle Internetnutzer, die momentan nur die vergünstigte Radiogrundgebühr zahlen, käme somit eine Verdreifachung der bisherigen Monatskosten für die Finanzierung der Öffentlich-Rechtlichen zu.

Anlass für den Auftrag zur Ausarbeitung war laut der medienpolitischen Kommission die Einführung der "PC-Gebühren" und die davon ausgelöste Unruhe unter Unternehmen und Gewerbetreibenden. Den für die Festlegung der Rundfunkgebühren zuständigen Ministerpräsidenten der Länder habe man das neue Modell Ende September bereits zur Kenntnis gegeben. Reaktionen darauf von Rundfunkreferenten gibt es bisher nicht. (Stefan Krempl) / (vbr)