Neuer Gesetzentwurf für Web-Sperren enttäuscht Kritiker

Mit dem Grundsatz "Löschen vor Sperren" meint es die große Koalition gemäß den beschlossenen Änderungen nicht sehr ernst: Außereuropäische Webseiten soll das BKA weiter nach eigenem Ermessen auf die Filterliste setzen dürfen.

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Der am heutigen Dienstagmorgen an die Fraktionen im Bundestag verschickte neue Gesetzentwurf (PDF-Datei) für Kinderporno-Sperren wird den Versprechen der großen Koalition nur ansatzweise gerecht. Hatten Verhandlungsführer der Regierungsfraktionen noch gestern betont, in den Änderungen den Grundsatz "Löschen vor Sperren" zu verankern, soll laut dem nun vorliegenden Text das Bundeskriminalamt (BKA) außereuropäische Webseiten weiterhin nach eigenem Ermessen auf die geheime Schwarze Liste setzen dürfen. Zudem soll eine Information der betroffenen Anbieter über die Aufnahme auf das Filterverzeichnis nur "in der Regel" erfolgen, sofern der Hoster "mit zumutbarem Aufwand zu ermitteln ist".

Lagert des Telemedienangebot außerhalb der EU, darf es "sofort in die Sperrliste aufgenommen werden", heißt es in dem Entwurf, der nun in "Gesetz zur Erschwerung des Zugangs zu kinderpornographischen Inhalten in Kommunikationsnetzen" (Zugangserschwerungsgesetz, ZugErschwG) umbenannt wurde. Dabei müsse nach Einschätzung des BKA davon auszugehen sein, "dass in dem betroffenen Staat andere Maßnahmen, insbesondere Mitteilungen an die für den polizeilichen Informationsaustausch zuständigen Stellen, nicht oder nicht in angemessener Zeit zu einer Löschung des Telemedienangebots führen". Die Bundesregierung hatte zuvor noch eingeräumt, "keine gesicherten Kenntnisse" über Länder zu haben, in denen es Probleme mit dem Löschen von einschlägigen Webseiten gebe.

Das BKA soll die Filterliste nun nicht mehr "arbeitstäglich", sondern täglich aktualisieren. Die Provider müssen dementsprechend ihre Implementierungen des Sperrverzeichnisses auch sonn- und feiertags auf den neuesten Stand bringen. Zudem soll es keine pauschale Ausnahme von den Verpflichtungen beispielsweise für Universitäten oder andere öffentliche Einrichtungen geben. Nur auf Diensteanbieter, die selbst "vergleichbar wirksame Sperrmaßnahmen einsetzen", soll das Gesetz nicht angewendet werden. Zuwiderhandlungen könnten mit Geldbußen bis zu 50.000 Euro bestraft werden.

Die Zugangsanbieter dürfen weiter als Betreiber der geplanten Stopp-Seiten dort anfallende Nutzerdaten wie IP-Adressen aufzeichnen. Gemäß der Einigung der Koalition sind diese aber nicht mehr für Strafverfolgungszwecke herauszugeben. Die Provider sollen dem BKA wöchentlich eine anonymisierte Aufstellung über die Anzahl der Zugriffsversuche pro Stunde auf die in der Sperrliste aufgeführten Webseiten übermitteln.

Auch die angekündigte Kontrolle der BKA-Sperrliste ist entgegen den Ankündigungen schwach ausgestaltet. So soll das vorgesehene "Expertengremium" die Sperrliste "mindestens" einmal pro Quartal lediglich anhand von Stichproben überprüfen. Stellt die Mehrheit des fünfköpfigen Gremiums fest, dass eine Webseite die Sperrvoraussetzungen nicht erfüllt, soll die Polizeibehörde das Angebot aus dem Verzeichnis streichen. Das Gremium soll beim Bundesdatenschutzbeauftragten bestellt werden, obwohl dieser seine Einrichtung als dafür ungeeignet betrachtet.

Generell wird mit dem Gesetz, das zunächst bis Ende 2012 gelten soll, das Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses eingeschränkt. Für die Blockaden dürfen weiterhin "vollqualifizierte Domainnamen", IP-Adressen und Zieladressen von Telemedienangeboten verwendet werden. Mindestbedingung ist die leicht umgehbare Sperre auf Basis des Domain Name Systems (DNS).

Der Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur hat in einem offenen Brief an den Verhandlungsführer der SPD, Martin Dörmann, und die SPD-Fraktion alle weiteren Gespräche abgesagt. Allen Warnungen zum Trotz planten die Sozialdemokraten zusammen mit der Union, schon am Donnerstag im Plenum "die Büchse der Pandora" mit der Errichtung einer Zensur-Infrastruktur fürs Internet zu öffnen, so der Arbeitskreis. Es sei absehbar, dass diese Zensur-Infrastruktur "für beliebige Inhalte" genutzt werden könne. So habe die CDU/CSU-Fraktion in einer aktuellen Mitteilung Urheberrechtsverletzungen "weitere unerwünschte Inhalte" bereits auf die Agenda gesetzt.

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(Stefan Krempl) / (hob)