Zypries hält EU-Klage gegen die Vorratsdatenspeicherung geheim

Das Bundesjustizministerium hat einen Antrag auf Einsicht in die Klageschrift gegen die EU-Richtlinie zur Protokollierung der elektronischen Nutzerspuren auf Basis des Informationsfreiheitsgesetzes zurückgewiesen.

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Das Bundesjustizministerium hat einen Antrag auf Einsicht in die Klageschrift gegen die EU-Richtlinie zur Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten zurückgewiesen. Die Herausgabe der Akte hatte der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung auf Basis des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) des Bundes verlangt. Der Zusammenschluss von Bürgerrechtlern, Datenschützern und Surfern erhofft sich von dem Dokument eine Untermauerung der Einschätzung vieler Beobachter, dass die Brüsseler Vorgaben zur sechs bis zwölfmonatigen verdachtslosen Protokollierung der elektronischen Nutzerspuren nichtig ist und deswegen in Deutschland nicht umgesetzt werden darf. Das Justizministerium hat den Antrag nun aber mit der Begründung (PDF-Datei) abgelehnt, eine Offenlegung könne dem laufenden Gerichtsverfahren schaden und die "Integrität" des Verfahrens gefährden.

Der Arbeitskreis wertet die Geheimniskrämerei als "Ausdruck einer zunehmenden Nervosität der Bundesregierung und der zuständigen Ministerin Brigitte Zypries in Bezug auf eine laufende Nichtigkeitsklage gegen die Richtlinie". Irland hatte sich im Juni 2006 in der Sache an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gewandt. Dieser hatte zuvor die damals geltende Rechtsbasis für die umstrittene Übermittlung von Flugpassagierdaten (Passenger Name Records) an die USA für unzulässig erklärt. Die Richter hielten dafür einen einvernehmlichen Rahmenbeschluss des EU-Rates für erforderlich, nicht ein von der EU-Kommission angetriebenes Verfahren. Auch bei der Vorratsdatenspeicherung kam es zuletzt zu einer Initiative der eigentlich für den Binnenmarkt und nicht für die innere Sicherheit zuständigen Kommission und einer daraus resultierenden Richtlinie, nachdem sich die Mitgliedsstaaten im Rat nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen konnten. Die Entscheidung des EuGH über die Eingabe Irlands wird im kommenden Jahr erwartet.

Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und zur Vorratsdatenspeicherung gehört zu den am meisten umstrittenen Vorhaben der großen Koalition in diesem Herbst. Bei einer parlamentarischen Anhörung Ende September äußerten sich viele Sachverständige dazu skeptisch, während in Berlin rund 15.000 Menschen gegen den ausgemachten "Paradigmenwechsel" beim Datenschutz und den weiteren Umbau der Sicherheitsarchitektur auf die Straße gingen.

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung war zuvor mit seinem Begehr auf Akteneinsicht auch bei der EU-Kommission gescheitert. Die Brüsseler Behörde hatte eine Anfrage zum Aktenzugang mit dem Hinweis zurückgewiesen, dass die Veröffentlichung von Schriftsätzen in dieser Phase des laufenden Verfahrens "die Verteidigungsrechte der Parteien unterminieren" könnte. Das hiesige Informationsfreiheitsgesetz hat sich derweil bereits häufiger als vergleichsweise zahnlos erwiesen. So hat gerade etwa auch das Bundesinnenministerium einen Antrag der Grünen auf Einsicht in den Vertrag mit der Deutschen Bahn zur Videoüberwachung von Bahnhöfen negativ beschieden.

Zum aktuellen Stand und der Entwicklung der Debatte um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe:

(Stefan Krempl) / (anw)