Wirtschaft fordert "Null Toleranz" gegenüber Produktpiraterie

Unternehmer haben bei der Feier des zehnjährigen Bestehens des Aktionskreises Deutsche Wirtschaft gegen Fälschungen auf ein schärferes staatliches Vorgehen gegen Schnäppchenjäger etwa mit Bußgeldern gepocht.

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Unternehmer haben sich bei der Feier des zehnjährigen Bestehens des Aktionskreises Deutsche Wirtschaft gegen Produkt- und Markenpiraterie (APM) für ein schärferes staatliches Vorgehen auch gegen die Käufer gefälschter Artikel stark gemacht. "Es muss klar sein, dass Schnäppchenjäger zumindest ein Bußgeld an der Grenze zu erwarten haben", forderte Rüdiger Stihl, Beiratsmitglied der Stihl Holding. Der vorsätzliche Kauf von Fälschungen müsse zumindest als Ordnungswidrigkeit behandelt werden. Zugleich verwies Stiehl darauf, dass es in Frankreich und Italien sogar Strafvorschriften gegen derlei Tätigkeiten gebe, und vergleichbare Regelungen auch hierzulande erwogen werden sollten.

Nach Meinung von Stihl müssten insbesondere die Käufer stärker belangt werden. Wer bei einer Louis-Vuitton-Tasche für ein paar Euro zugreife, könne nicht als "ahnungsloses Opfer" bezeichnet werden. Generell müssten entsprechende Aktivitäten "eindeutig gesellschaftlich geächtet" werden. Verbraucher, die gerne Schnäppchenkäufe machen, leisten laut dem Unternehmer "unbewusst Handlangerdienste für kriminellen Netzwerke", die weltweit unterwegs sind und "heimtückisch" etwa gefälschte Medikamente vertreiben. "Die Fälschungstechniken werden immer perfekter", räumte Stihl allerdings auch ein. Schon vor 25 Jahren seien erste Nachahmungen von Ersatzteilen bemerkt worden, vor zehn Jahren komplett gefälschte Motorsägen aus seinem Haus. Herkunftsländer seien ursprünglich Taiwan und Italien gewesen, inzwischen habe sich das Schwergewicht nach China verlagert.

Sony-Manager Roger Vercammen monierte ebenfalls die zunehmende Fälschung kompletter Produkte wie zum Beispiel Digitalkameras. Seien anfangs Bestandteile wie Speicherkarten nachgeahmt worden, werde inzwischen durchschnittlich ein großer Fälschungsfall von Artikeln des Elektronikherstellers pro Tag entdeckt. Dies reiche von veränderten Motoren für MP3-Player bis zu gefälschten, ab und an auch explodierenden Akkus. Als Gegenmittel setze Sony vor allem auf die Information der regulären Händler sowie der Zollbehörden über Nachbauten. Der Aufklärung verpflichtet sieht Doris Möller vom APM auch die zeitgleich eröffnete und bis 12. Oktober laufende Ausstellung "Schöner Schein – dunkler Schatten" im Foyer des Hauses der deutschen Wirtschaft in Berlin, in der Imitate und Originale etwa von Turnschuhen, Luxusartikeln oder Papiertaschentüchern zu bewundern sind.

Geht es nach Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hat die Politik prinzipiell bereits "probate Mittel" gegen die Produktpiraterie entwickelt. Auch international mangele es nicht an Normen, "sondern an der Durchsetzung". Die SPD-Politikerin verwies auf Probleme mit "Märkten an den tschechischen und polnischen Grenzen". In chinesischen Metropolen in Schanghai gebe es dagegen das "offene Angebot von Uhren oder Füllern" nicht mehr, die Regierung mache hier offensichtlich inzwischen "andere Kontrollen". Hierzulande habe der Zoll in 2006 in über 9000 Fällen gefälschte Waren im Wert von etwa 1,2 Milliarden Euro beschlagnahmt.

Zypries erinnerte an umfangreiche Kooperationen mit der Wirtschaft. Sie hat erst vor zwei Wochen gemeinsam mit der Wirtschaft das Info-Portal "Original ist genial" gestartet. Gegenüber Forderungen nach weiteren Gesetzen jenseits des umstrittenen Entwurfs zur einfacheren zivilrechtlichen Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte zeigte sich Zypries skeptisch. "Die Nachweisbarkeit wird unglaublich schwierig", wenn allen, die mit gefälschten Waren über die Straße laufen, ein Bußgeld oder gar eine schwerere Strafe aufzubrummen sei.

Als "größtes Verbrechen am öffentlichen Gesundheitswesen im 21. Jahrhundert" stempelte Merck-Manager Brian Healy Nachahmungen im Pharmasektor ab. Angefangen habe alles damit, dass sich Kunden bei Lifestyle-Drogen und -Medikamenten im Internet bedienten und so eine Verschreibungspflicht umgingen. Inzwischen seien ganze Lieferketten unterwandert, allein in Europa habe es dieses Jahr fünf große Rückrufe von Medikamenten gegeben. In Entwicklungsländern seien teilweise ein Viertel der Arzneimittel gegen Malaria oder Aids gefälscht. Viele organisierte Kriminelle hätten gemerkt, dass die Margen in diesem Feld besser und die Strafverfolgungsbemühungen niedriger seien als beim Handel mit Heroin oder Kokain. Die Parole müsse daher lauten: "Null Toleranz" gegenüber Produktpiraten, da diese sonst ganze Geschäftszweige unter ihre Kontrolle brächten. (Stefan Krempl) / (anw)