Bundestag verabschiedet Gesetz für Web-Sperren

Das Parlament hat mit den Stimmen der großen Koalition unter Protesten der Opposition den monatelang umkämpften Gesetzentwurf für Web-Blockaden gegen Kinderpornographie abgesegnet.

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Der Bundestag hat am heutigen Donnerstag mit den Stimmen der großen Koalition den Gesetzentwurf zu Web-Sperren im Kampf gegen die Verbreitung von Kinderpornographie über das Internet abgesegnet (389 Ja-, 128 Nein-Stimmen, 18 Enthaltungen). Die Opposition votierte geschlossen gegen das Vorhaben. "Wir haben die Pflicht, alle rechtsstaatlichen Mittel zur Bekämpfung von Kinderpornographie einzusetzen", begründete Martina Krogmann, parlamentarische Geschäftsführerin der CDU/CSU-Fraktion die Initiative. Es könne sich hier niemand auf die Informationsfreiheit berufen.

Krogmann sagte, mit dem Gesetz solle der Zugang zu Kinderpornos vor allem für Zufallsnutzer erschwert werden. Sie räumte ein, dass erstmals eine Sperrinfrastruktur fürs Internet errichtet werde und darum ein "Kulturkampf" um die Freiheit im Netz ausgebrochen sei. Der "Damm" für die Blockade weiterer unliebsamer Inhalte sei aber dank des Spezialgesetzes nicht gebrochen. Es sei zudem wichtig, ein Kontrollgremium beim Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit einzurichten. Dies sei die richtige Stelle für die Prüfung der Schwarzen Liste. Die Ablehnung des Datenschutzbeauftragten Peter Schaar sei "abenteuerlich".

Martin Dörmann von der SPD-Fraktion betonte, dass gegen eine Ausdehnung der Sperren mehrere Hürden aufgebaut worden seien. Freiheitsrechte würden verteidigt, nicht gebrochen. Zudem würden bereits auf vertraglicher Basis Sperrstrukturen aufgebaut. Sein Parteikollege Jörg Tauss sprach in einer Kurzintervention davon, dass die Vereinbarungen mit fünf großen Providern durch Nötigung zustande gekommen sei. Es sei rechtsstaatlich unmöglich, diese nachträglich zu legalisieren.

Max Stadler von der FDP erklärte, dass die Kinderpornographie mit dem Gesetz "um kein Jota zurückgedrängt wird". Die Form der Verabschiedung sei ferner nicht gegen Zweifel erhaben. Die Beratung erfolge über ein gänzlich anderes Gesetz als ursprünglich vorgesehen. Dass hier Verfassungsbeschwerden eingereicht würden, liege auf der Hand. Die Diskussion um die Ausweitung der Blockaden sei absehbar "wie das Amen in der Kirche".

Der "Placebo"-Entwurf sei nicht verhältnismäßig und öffne das Tor zur Internetzensur, monierte Jörn Wunderlich von den Linken. Eine rechtsstaatliche Kontrolle der Sperrlisten finde nicht statt. Polizeibehörden dürften nicht darüber entscheiden, was publiziert werden dürfe. Wolfgang Wieland beklagte für die Grünen, dass "im Schweinsgalopp" allein ein "Vorhang für Verbrechen" aufgezogen werde. Es sei "schierer Missbrauch", das Vorhaben unter der Flagge des Wirtschaftsrechts durchzusetzen. Prinzipiell müsste zumindest ein verwaltungsrechtliches Widerrufsverfahren gegen die Aufnahme auf die Schwarze Liste eingeführt werden. Ein Richter habe die Anordnung zu genehmigen, kein Kontrollgremium beim Bundesbeauftragten für Informationsfreiheit.

Das Gesetz, das nach umfangreichen Änderungen den Titel "Gesetz zur Erschwerung des Zugangs zu kinderpornographischen Inhalten in Kommunikationsnetzen" trägt, soll auf drei Jahre befristetet werden. Das Bundeskriminalamt (BKA) soll täglich eine Sperrliste erstellen. Alle Zugangsanbieter mit mindestens 10.000 Teilnehmern müssen sie "unverzüglich" und zumindest auf Ebene des Domain Name Systems (DNS) implementieren. Ausgenommen sind Provider, die keine öffentlichen Internetzugänge vermitteln und selbst "vergleichbar wirksame Sperrmaßnahmen" einsetzen.

Das BKA darf außereuropäische Kinderporno-Angebote "sofort" in das Filterverzeichnis aufnehmen, wenn ihm eine Löschbarkeit der Serverinhalte in "angemessener Zeit" nicht plausibel erscheint. Informationen an die betroffenen Host-Provider über die inkriminierten Inhalte muss die Polizeibehörde nicht verschicken.

Die Warnung vor einem "Gesichtsverlust", die 13 Bundestagskandidaten der SPD in einem offenen Brief heute noch aussprachen, stieß bei den Abgeordneten der eigenen Partei auf taube Ohren. In dem Appell heißt es, dass die SPD bei einer Zustimmung zu diesem Gesetz besonders junge Menschen nachhaltig verprelle. Das Eintreten für ein "wirkungsloses" Vorhaben schüre Zensurängste und vergrätze selbst "unsere treusten Fürsprecher in der digitalen Welt" aus dem "Online-Beirat" der SPD. Die Stimmen von über 130.000 Unterzeichnern der Rekord-Petition gegen das Gesetz dürften nicht ignoriert werden.

Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) war bei den abschließenden Lesungen nicht anwesend. Zuvor hatte sie gesagt, es sei "zynisch, im Zusammenhang mit Kinderpornografie von Zensur zu sprechen". Als nächstes muss sich der Bundesrat mit dem Vorhaben befassen. Da es sich nicht um ein zustimmungspflichtiges Gesetz handelt, könnten die Länder höchstens Einspruch erheben und das Inkrafttreten am Tag nach der Verkündigung im Bundesgesetzblatt verhindern. Damit ist aber nicht zu rechnen, da die Koalition vielen Forderungen des Bundesrates Rechnung getragen hat. Das Gesetz könnte so im Sommer oder Herbst bereits Gültigkeit erlangen.

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(Stefan Krempl) / (anw)