Bürgerrechtler und Verbraucherschützer fordern Netzneutralität ein

Mehr als 80 Bürgerrechts- und Verbraucherschutzorganisationen fordern von der EU, endlich das offene Internet abzusichern. Provider verletzten die Netzneutralität, um freien Internetzugang ihrer Kunden im eigenen kommerziellen Interesse zu beenden.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 15 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Über die Dachverbände European Digital Rights (EDRi) und BEUC haben mehr als 80 Bürgerrechts- und Verbraucherschutzorganisationen an die EU-Kommission appelliert, endlich das Prinzip des offenen Internets abzusichern. Dabei seien gegebenenfalls auch Gesetzesinitiativen in Betracht zu ziehen, heißt es in einem gemeinsamen offenen Brief an die EU-Kommission. Die Netzneutralität sei "die Grundlage für die Architektur und das Funktionieren des Internets", begründen die Vereinigungen ihren Vorstoß. Sie ermögliche es, mit dem Netz "gesellschaftliche Teilhabe, Vielfalt und Zugang zu Wissen auf noch nie dagewesene Weise zu verbessern".

Derzeit verletzten Provider die Netzneutralität "quer durch Europa" durch restriktive Geschäftspraktiken, schreiben die Verbände. Die gesamte Branche bewege sich in die falsche Richtung hin zu einer fragmentierten Online-Umgebung, in denen nicht mehr allen die gleichen Zugangsmöglichkeiten offen stünden und so Innovationen behindert würden. Insbesondere Mobilfunkanbieter nutzten immer ausgefeiltere Maßnahmen wie das gezielte Bevorzugen oder Drosseln einzelner Dienste oder die Kontrolle des gesamten Netzverkehrs, um den freien Internetzugang ihrer Kunden im eigenen kommerziellen Interesse zu verletzen.

Hierzulande hatte zuletzt die Deutsche Telekom mit ihrer Erwägung, Volumendrosselungen bei DSL einzuführen beziehungsweise schärfer durchzusetzen, für Unmut bei vielen Kunden gesorgt. Kritiker sehen aber besonders in Tarifoptionen wie dem Telekom-Angebot, Musikstreaming per Spotify nicht auf das monatlichen Datenvolumen im Mobilfunknetz anzurechnen, einen ersten Schritt. Am Ende stünde ein Internet, in dem die einzelnen Provider bestimmen, was der Kunde als Internet zu sehen bekommt, und in dem sie von den Diensteanbietern allein für das Weiterleiten bestimmten Daten-Traffics zusätzliche Gebühren erheben.

"Diese rücksichtslosen Experimente werden weitergehen, wenn die EU-Kommission ihnen nicht Einhalt gebietet", befürchtet EDRi-Geschäftsführer Joe McNamee. Es sei daher an der Zeit, den Beispielen aus den Niederlanden und Slowenien zu folgen und EU-weit einen rechtlichen Schutz gegen willkürliche Eingriffe in die Telekommunikation einzuführen.

Der für die Digitale Agenda zuständigen EU-Kommissarin Neelie Kroes werfen die Vereinigungen vor, immer nur gesetzgeberische Schritte anzukündigen, ohne den Worten Taten folgen zu lassen. Sie nutze ständig neue Konsultationen zu dem Thema, "um ihren Verpflichtungen auszuweichen". EDRi hat eine interaktive Zeitschiene erstellt, um die entsprechenden Manöver der Niederländerin deutlich zu machen. Die Bürgerrechtler warnen, dass Kroes weiter allein auf Transparenzregeln und den Markt setzen werde, was in wenigen Jahren zu einem "Internet-Oligopol" führen werde.

Der grüne EU-Abgeordnete Jan Philipp Albrecht drängte die Kommissarin ebenfalls, jetzt die mehrfach auch vom EU-Parlament geforderte gesetzliche Regelung der Netzneutralität vorzulegen. "Die Fakten liegen klar auf dem Tisch: Ohne Regulierung machen die Internetanbieter mit dem Datenverkehr ihrer Kunden immer mehr, was sie wollen", erklärte der Hamburger. Die Alternative zu einer EU-weiten Regelung wären nationale gesetzliche Initiativen, die aber dem Anspruch eines digitalen europäischen Binnenmarktes widersprächen. (jk)