Bundestag beschließt Ausbau der Stromnetze

Um die mit Windenergie im Norden erzeugte Energie zu den Verbrauchsschwerpunkten im Süden und Westen der Republik zu bringen, sollen 36 Höchstspannungsleitungen beschleunigt errichtet werden.

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Stromnetz: 380kV-Leitungen im Transportnetz von EnBW

(Bild: EnBW / Bernd Franck, Düsseldorf)

Der Bundestag hat am Donnerstag den umstrittenen Gesetzentwurf der Bundesregierung zum beschleunigten Ausbau der Stromnetze mit ein paar Änderungen verabschiedet. Danach sollen 36 Höchstspannungsleitungen (über 300kV, bislang meist 380kV, bei Höchstspannungs-Gleichstrom-Übertragung über 400kV, mittlerweile oft 800kV) errichtet werden, um die mit Windenergie und neuen konventionellen Kraftwerken im Norden erzeugte Energie zu den Verbrauchsschwerpunkten im Süden und Westen der Republik zu bringen. Ganz vorn genannt ist die Strecke von Emden zum Meerbuscher Stadtteil Osterath, wo der geplante Bau eines Konverters zur Anbindung der neuen Stromautobahn ans bestehende Versorgungsnetz bereits zu heftigen Bürgerprotesten führte.

Mit der Initiative wird für die Projekte ein "vordringlicher Bedarf" festgestellt. Um die Planungsverfahren zu beschleunigen, soll der Rechtsweg verkürzt werden: Künftig gibt es mit dem Bundesverwaltungsgericht nur noch eine Instanz für Rechtsstreitigkeiten, die sich auf Vorhaben aus dem Bundesbedarfsplan der Netzagentur beziehen. Für 15 länderübergreifende Strecken wird die Planungshoheit an die Bundesnetzagentur übergeben. Die Kosten für die Realisierung der aufgeführten Projekte schätzt die Regierung auf rund zehn Milliarden Euro. Die Mittel für Erdkabel seien dabei noch nicht berücksichtigt.

Durch Pilotvorhaben mit Höchstspannungsgleichstrom und Hochtemperaturleiterseilen sowie zwei Erdverkabelungen können nach Regierungsangaben "bei isolierter Betrachtung" im Vergleich zur Ausführung als Freileitung mit herkömmlicher Drehstromtechnik zwar zunächst zusätzliche Kosten veranschlagt werden. Es handele sich dabei jedoch nur um eine begrenzte Anzahl von Teststrecken, sodass eventuelle Mehrausgaben gering blieben und gegebenenfalls sogar durch leistungsfähigere Transporttechnik kompensiert würden.

Einen parallelen Gesetzentwurf des Bundesrats, der stärker auf eine Erdverkabelung aus ist, lehnte das Parlament ab. Die Länder hatten vorgebracht, dass der Bau von Freileitungen auf immer weniger Akzeptanz bei den Betroffenen stoße und es so zu Verzögerungen bei den Bauvorhaben komme. Die Opposition hatte zudem mehrere Änderungsanträge eingebracht, die Schwarz-Gelb ebenfalls abschmetterte. Die Grünen etwa wollten den Ausbau der Übertragungsnetze durch eine eigene Netzgesellschaft und finanzielle Bürgerbeteiligung voranbringen. Die SPD drängte darauf, einschlägige Vorhaben bürgerfreundlicher und zukunftssicher zu gestalten.

Die geplante Infrastruktur umfasse über 2800 Kilometer an neuen Trassen, erläuterte Thomas Bareiß von der CDU/CSU-Fraktion. Allein im Norden entstünden in den nächsten Jahre über 27 Gigawatt an neuen Erzeugerkapazitäten, sodass der Ausbau eine extrem wichtige Rolle spiele. Nötig sei es auch, Akzeptanz für die Leitungen zu schaffen, räumte der Christdemokrat ein. Die Koalition habe daher bestehende Ängste und Sorgen aufgenommen und eine flexible Anlage von Netzverknüpfungspunkten ermöglicht. Insgesamt mache das Gesetz die Energiewende zu einem Gewinnerprojekt.

"Wir kommen ein gutes Stück voran beim Netzausbau", ergänzte Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler. Den Grünen warf der FDP-Politiker vor, zwar den Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen zu haben, nun bei den Konsequenzen aber zu kneifen.

Der SPD-Abgeordnete Rolf Hempelmann sprach von einem wichtigen Schritt, bei dem aber noch vieles fehle. So müssten auch die Verteilnetze nachgebessert werden, gerade bei Smart Grids gebe es großen Nachholbedarf. Zudem habe Schwarz-Gelb die Flexibilisierung der Anfangs- und Endpunkte nur in die Begründung, nicht aber ins Gesetz geschrieben. Auch die Speicherforschung werde nicht gefördert. Die Sozialdemokraten stimmten trotzdem zu, um dem Sektor Planungssicherheit zu geben.

Vertreter der Linken und Grünen warnten, dass der Entwurf die Energiewende untergrabe. "Großkonzerne erwarten fette Profite", Verbraucher müssten mit steigenden Preisen rechnen, prophezeite der Linke Ralph Lenkert. Umweltfreundliche Gaskraftwerke im Süden würden benachteiligt, Kasse machten bei dem überzogenen Netzausbau allein Finanzinvestoren, Baufirmen, Kohlekraftwerke und die Übertragungsnetzbetreiber, die an den Netzkosten nicht beteiligt seien.

Der Grüne Oliver Krischer warf Schwarz-Gelb eine "katastrophale Bilanz beim Netzausbau" vor. Eine Netzoptimierung auf allen Spannungsebenen sei zwar nötig. Dazu hätten die Grünen aber schon 2009 einen Antrag eingebracht, mit dem sich die Koalition zwei Jahre lang nicht beschäftigt habe. Aus dem Planungsdesaster Osterath habe die Regierung nichts gelernt, der Klageweg werde nur "scheinverkürzt", der Bürger nicht ernst genommen. Die Oppositionsfraktion enthielt sich letztlich, die Linke stimmte gegen den Entwurf. (jk)