re:publica: "Wir müssen den Kampf um die Netzneutralität führen"

Die Internetkonferenz hat mit einem dringlichen Appell an die Politik begonnen, das Prinzip des offenen Internets zu bewahren und ein Netz zweiter Klasse zu verhindern. Blogs und Startups seien vom Drosseln als erste betroffen.

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Das WLAN ist bereit, der Live-Stream läuft und die erste kamerabewaffnete Drohne schwebt über dem Gelände: Während vor dem früheren Dresdner Packbahnhof die Schlangen der Besucherwilligen noch rund 100 Meter bis auf die Straße reichen, hat unter Sphärenmusik mit etwas Verspätung offiziell die re:publica 13 im großen Saal in der "Station-Berlin" begonnen. Netzpolitik-Blogger Markus Beckedahl vom Organisationsteam eröffnete die Internetkonferenz mit einem dringenden Appell an die Bundesregierung und die EU-Kommission, endlich das Prinzip des offenen Netzes gesetzlich festzuschreiben: Die Politik müsse ihre Versprechen wahrmachen und "verhindern, dass ein Internet zweiter Klasse eingeführt wird".

Besucher in der Warteschlange.

(Bild: Stefan Krempl)

Schon 2010 habe es auf der re:publica eine Subkonferenz zum neuen Aufregerthema Netzneutralität gegeben, führte Beckedahl aus. Damals habe diese bloß "noch kaum einen interessiert". Jetzt habe die Deutsche Telekom die Maske fallen lassen und mit ihren Vertragsänderungen deutlich gemacht, dass sie das "Kernprinzip eines offenen und freien Internets über den Haufen werfen will". Vorwärts in die Vergangenheit, zurück zum Fernsehen, lasse sich das Ziel des Rosa Riesen beschreiben. "Wir sind als erstes betroffen, unsere Blogs, unsere Startups", hielt der Netzaktivist dem entgegen. "Wir müssen diese Kämpfe jetzt hier führen." Am Dienstag steht die Netzneutralität im Zentrum einer gesonderten Diskussionsrunde auf der re:publica.

Deutschland liege auf Platz 19 der Länder mit dem schnellsten Internet, ergänzte Co-Organisatorin Tanja Häusler. Wenn die auf der re:publica beheimatete Netzgemeinde jetzt keine Protestwelle auslöse, müsse sie sich eingestehen, dass die digitale Gesellschaft zwar ständig wachse, ihre Fähigkeit, die öffentliche Meinung zu beeinflussen, aber nicht. "Wir müssen dem Internet den Schutz zukommen lassen, der ihm als Lebens- und Kulturraum gebührt", betonte Häusler. Das diesjährige Motto In / Side / Out verweise darauf, dass die Veranstaltung "aus dem Zentrum der Community" komme: "Wir haben nur die Wände außen rum gebaut."

Johnny & Tanja Häusler, Markus Beckedahl und Andreas Gebhard (v.l.)

(Bild: Stefan Krempl)

Häuslers Mann Johnny, der Gründer des Blogs Spreeblick, hob hervor, dass die Besucherschar, die teils noch in der Warteschlange die Drosselung lebt, dieses Jahr "sehr viel jünger" sei und andere Prioritäten setze. "Während wir Alten uns noch über den Sinn von Social Media streiten, ist junge Generation längst an uns vorbeigezogen und verdient nebenbei noch den ein oder anderen Euro."

Der Webjournalmacher kündigte an, dass das Team dieses Jahr das "schnellste E-Book der Welt" publizieren werde. Es fasse die Vorträge eines ganzen Konferenztages zusammen und solle bis zum Mittag des nächsten Tags als kostenloser Download zur Verfügung stehen. Einen Schatten auf die Konferenz hat Häusler zufolge die Tatsache geworfen, dass ein Sprecher aus Madagaskar in Frankreich festgehalten werde, obwohl er offiziell eingeladen und der Papierkram erledigt sei. Der Referent sei derzeit der "Willkür der Behörden ausgesetzt", sitze in Abschiebehaft. Die Organisatoren täten alles, um ihn doch noch nach Berlin zu bekommen.

Helfen kann vielleicht der erstmals gemeinsam mit dem Medienboard Berlin-Brandenburg für Dienstag geplante Empfang von 25 Botschaftern auf der re:publica. Ob auch französische Diplomaten dabei sind, ist aber noch unklar. Der Geschäftsführer der re:publica GmbH, Andreas Gebhard, erwähnte aus dem Zusatzteil des Kongresses zudem eine von der Bundeszentrale für politische Bildung geförderte Subkonferenz zu "ambivalenten Technologien", die sich etwa für zivile und militärische Zwecke einsetzen lassen, oder die "re:campaign", auf der die besten zivilgesellschaftlichen Kampagnen gekürt werden sollen. Insgesamt rechnen die Organisatoren mit rund 5000 Teilnehmern aus 50 Ländern.

Eine kurzfristige Absage fingen sich die Macher von dem zunächst groß angekündigten Politik- und Medienwissenschaftler Evgeny Morozov ein. Der erklärte Feind jeglicher Technik-Gläubigkeit sollte auf der re:publica seinen berühmt-berüchtigen skeptischen Blick auf "Big Data" und die Befreiungspotenziale sozialer Netzwerke richten. Er habe aber kurzfristig festgestellt, dass er parallel an seiner Forschungsstätte noch wichtige Dinge zu erledigen habe, begründete Beckedahl gegenüber heise online, warum der Redner fehlt. Vor drei Jahren hatte es Morozov, der den Verfall der sowjetischen Hegemonie in Weißrussland als Aktivist miterlebte, noch zu dem damals vergleichsweise überschaubaren Bloggertreffen geschafft. (anw)