CCC warnt vor Risiken und Nebenwirkungen des neuen Reisepasses

Der Chaos Computer Club hat auf die nur noch wenige Tage bestehende Möglichkeit zur Beantragung von ePässen ohne Fingerabdruckerfassung sowie auf wahrscheinliche Probleme bei der Abnahme der Körpermerkmale verwiesen.

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Der Chaos Computer Club (CCC) hat auf die nur noch wenige Tage bestehende Möglichkeit zur Beantragung biometrischer Reisepässe ohne Fingerabdruckerfassung verwiesen. Vom 1. November an starte ein "Risikoexperiment an der Bevölkerung", in dessen Rahmen allen reisewilligen Bürgern zwei Fingerabdrücke auf den Meldeämtern abgenommen würden. "Nach Beginn der Speicherung des digitalen Gesichtsbildes auf einem Funkchip vor zwei Jahren wird damit das Projekt biometrische Vollerfassung der Gesamtbevölkerung fortgesetzt", heißt es bei der Hackervereinigung. Sie geht davon aus, dass die neuen Regelungen für den ePass einer verfassungsrechtlichen Prüfung in Karlsruhe unterzogen werden. Auch Besitzer eines noch gültigen Passes könnten die Zeit bis dahin überbrücken und noch rasch ein Reisedokument ohne "erkennungsdienstliche Behandlung" verlangen. So könne man sich vorerst noch der "biometrischen Datensammelwut der deutschen Behörden entziehen".

Der CCC hatte bereits im Juni zu einem Boykott der Abgabe von Fingerabdrücken aufgerufen und vor einer drohenden "permanenten Alltagsüberwachung" gewarnt. Konkret sehen die Hacker nun vor allem Senioren von den "Nebenwirkungen" der zweiten ePass-Generation betroffen. Erfahrungen sowie internationale und deutsche Studien würden zeigen, dass weit über zehn Prozent der Senioren damit rechnen müssten, keine erfassbaren Fingerabdrücke zu haben. Daher erwarte sie unweigerlich eine "Diskriminierung durch verschärfte Kontrollen und lange Wartezeiten". Daneben dürften auch intensiv mit den Händen arbeitende Menschen mit derartigen Benachteiligungen zu kämpfen haben.

Zugleich erhebt der Club erneut grundsätzliche Zweifel an dem IT-Großprojekt: "Der Sicherheitsgewinn durch die biometrischen Ausweisdokumente ist selbst nach Aussage der Bundesregierung nicht messbar." Die Einführung der "Risikotechnologie" sei offenbar vorwiegend durch die privatwirtschaftlichen Interessen nicht nur ehemaliger Regierungsmitglieder motiviert, verweist der neue CCC-Sprecher Dirk Engling etwa auf die Aktivitäten von Ex-Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) bei Biometriefirmen. Dies sei eigentlich ein Fall für die Korruptionsliste von Transparency International.

Das Ausmaß der Gefahren für die Betroffenen durch biometrische Funkchips in Ausweisdokumenten hat für die Hacker der Präsident des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, illustriert. Trotz aller Beteuerungen seiner "Experten", dass die biometrischen Daten "sicher" auf dem RFID-Tag seien, trage der Ermittlerchef seinen eigenen Reisepass in einer Abschirmhülle. Auch das Auswärtige Amt traue den Sicherheitsversprechungen des Bundesinnenministeriums nicht. Diplomatenpässe würden "wegen der besonderen Gefährdungslage" keine Funkchips enthalten.

Das eigentliche Ziel der "Sicherheitshysteriker" offenbart für den CCC die von der SPD bislang abgeschmetterte Forderung der Union nach Speicherung der sensiblen biometrischen Daten bei den ausgebenden Behörden. "Die Beteuerungen deutscher Politiker, die Fingerabdrücke würden nicht zentral gespeichert, haben angesichts der maßlosen Datengier des Staates nicht mal mehr Unterhaltungswert", fürchtet Engling. "Jetzt zu behaupten, dass es keine zentrale Biometriedatei geben werde, ist eine vorsätzliche Täuschung des Bürgers." Mit der unlängst in Eckpunkten beschlossenen Einführung der biometrischen Personalausweise werde der Kurs trotz der bekannten Sicherheitslücken fortgesetzt. Eine bisher nur Verbrechern vorbehaltene Maßnahme treffe dann die gesamte Bevölkerung. Offen seien weiter die tatsächlichen finanziellen Belastungen der Allgemeinheit durch die biometrische Vollerfassung. Trotz der inzwischen nahezu abgeschlossenen Beschaffung der erforderlichen Scan-Geräte gebe es immer noch keine Aufstellung der entstehenden Gesamtkosten. (Stefan Krempl) / (pmz)