Adobes Abo in der "Creative Cloud": Funktionen und Bedingungen unter der Lupe

Das letzte große Update aller Grafik-, Publishing- und Video-Anwendungen soll Adobe-Kunden auf das neue Abo-Modell einschwören. Wer profitiert vom Update, was gibt es zu verlieren?

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Gerade mal ein Jahr nach ihrer Einführung ist die Creative Suite 6 schon fast wieder Geschichte: Auf seiner Hausmesse Adobe Max präsentiert der Hersteller den letzten großen Update-Rundumschlag, verpasst den neuen Tools das Label CC für Creative Cloud und verabschiedet sich vom klassischen Software-Verkauf: Die CC-Versionen von Photoshop, InDesign, Premiere Pro und Konsorten kann man künftig nur noch mieten, sie laufen Mitte Juni vom Stapel. Die Creative Suite 6 wird zwar weiterhin verkauft, erfährt aber nur noch Bugfixes. Vergünstigte Upgrades auf das CC-Modell gibt es nur während der Einführungsphase.

Als Zugpferd für die neue Linie geht Photoshop CC ins Rennen. Ein neuer Schärfen-Filter analysiert das Bild und soll vermeiden, dass auch das Rauschen verstärkt wird. Schärfere Vergrößerungen soll ein neues Interpolationsverfahren liefern. Eine im letzten Jahr vorgestellte Deconvolution-Technik aus den Adobe-Laboren hat es ebenfalls in die neue Version geschafft: Sie versucht, in verwackelten Aufnahmen die Richtung und Stärke der Unschärfe zu erkennen und mit Hilfe dieser Informationen das Originalbild zu berechnen.

Die Camera-Raw-Einstellungen lassen sich nun als Filter auf Ebenen und Smart Objects anwenden. Die Raw-Engine selbst bekommt eine Perspektivenkorrektur, die Bilder automatisch anhand markanter Linien etwa von Gebäudefassaden aufrichtet. Zum linearen Verlaufsfilter gesellt sich ein radialer. Camera Raw 8 soll übrigens auch mit Photoshop CS6 zusammenarbeiten. Künftig wird es nur noch eine Photoshop-Variante als Fortführung von Photoshop Extended geben.

Ein neuer Schärfen-Filter in Photoshop CC soll Kanten und Details betonen, ohne das Rauschen zu verstärken.

(Bild: Adobe)

Die Layouter lockt Adobe mit einem 64-Bit-InDesign in die CC-Welt. Verbesserungen verspricht die DTP-Software bei der Umwandlung von Objektstilen in PDF-, HTML- und ePub-Tags. Sowohl InDesign- als auch Illustrator-Einstellungen und -Ressourcen lassen sich via Cloud auf mehreren Rechnern synchron halten. Der Vektorzeichner bekommt ein neues Textwerkzeug, mit dem sich einzelne Zeichen in einem Schriftzug verändern lassen, wobei die Texteigenschaft erhalten bleibt.

InCopy wird Teil der Creative Cloud, das einst zusammen mit Macromedia übernommene Fireworks wird nicht weiterentwickelt. Während Creative-Suite-Käufer unter diversen Zusammenstellungen für Publishing, Web und Video auswählen konnten, gibt es für CC nur noch Komplett- und Einzelabos. Das Komplettpaket mit allen Haupt- und Hilfsprogrammen kostet im Monat 61,50 Euro, einzeln werden 24,60 Euro für jede der Hauptanwendungen fällig – sofern man gleich für ein Jahr abschließt. Ein Monatsabo gibt es nur für das Komplettpaket, es kostet knapp 92 Euro. CS3-Umsteiger bekommen das Komplettpaket ein Jahr lang für knapp 37 Euro, Besitzer der aktuellen CS6 zahlen 25 Euro monatlich, wenn sie bis zum 31. Juli aufs CC-Abo wechseln.

Ein kleines Rechenbeispiel zeigt, dass der Nutzen des Creative-Cloud-Abos stark davon abhängt, was der Anwender wirklich braucht und wie lange er einer Release treu bleiben kann: Das reguläre Komplettpaket, vergleichbar mit der Master Collection, kostet jährlich 738 Euro. Die CS6 Master Collection kostet 3568 Euro und rechnet sich somit erst, wenn man sie mindestens fünf Jahre lang nutzt. Photoshop alleine schlägt mit 295 Euro jährlich zu Buche, Photoshop CS6 bleibt für 950 Euro so lange im Einsatz, bis das System zum Umstieg zwingt. Mit zwei Einzel-Abos liegt man knapp unterhalb der Komplettpaket-Lizenz. Wer sich die aktuelle Design Standard kauft, zahlt um die 1600 Euro und bekommt dafür Photoshop, InDesign, Illustrator und Acrobat X. Bereits im dritten Jahr fährt man damit günstiger als mit dem Creative-Cloud-Abo. Zu den Abo-Gewinnern zählen also vor allem Anwender, die ihren Software-Bestand häufig aktualisieren und aus dem Vollen schöpfen möchten. Zu den Verlierern zählt die eher konservative Kundschaft, die mehr als zwei Adobe-Produkte einsetzt und mit mancher Version über Jahre hinweg zufrieden war.

Die Rechnung stimmt natürlich nur unter der Vorasussetzung, dass Adobe seine Preise stabil hält. Über kurz oder lang wird allerdings kein Adobe-Kunde am Abomodell vorbeikommen -- entziehen kann sich dem nur, wer für seinen Workflow Alternativen bei anderen Herstellern findet.

Sämtliche CC-Anwendungen werden übrigens lokal installiert, jede Lizenz kann wie bisher gleichzeitig auf zwei Rechnern aktiviert sein. Die Anmeldung erfolgt per Adobe-ID. Einmal pro Monat muss sich die Software mit ihrem Lizenzserver verbinden. Geschieht dies nicht, lässt sie sich 180 Tage lang offline betreiben. Lightroom und Acrobat gehören zwar zum Creative-Cloud-Funktionsumfang, werden aber weiterhin als Kaufversion angeboten. Weitere Fragen beantwortet Adobe in der Creative-Cloud-FAQ.

Auch wenn das Komplettangebot für bestimmte Kunden ein guter Deal sein dürfte -- ein großzügiges Geschenk ist es nicht. Denn Adobe entledigt sich auf einen Schlag einer ganzen Reihe von Problemen: Zunächst muss der Hersteller seine Kunden nicht alle zwei Jahre mit einem generalstabsmäßig durchgeplanten Creative-Suite-Update zum Kauf animieren. Die nunmehr regelmäßig stattfindenden kleineren Updates müssen lediglich gut genug sein, um niemanden zu vergraulen. Die Vielfalt der möglichen Creative-Suite-Kombinationen wurde drastisch reduziert, wodurch Adobe viel Geld sparen dürfte. Und obendrein muss sich der Hersteller nicht mehr mit dem Gebrauchtsoftwaremarkt und Lizenzübertragungen herumschlagen. (atr)