Wenn der Nachbar die Ware entgegennimmt

Die Widerrufsfrist beginnt mit der Übergabe der Ware zu laufen. Allerdings ist nicht die Übergabe durch den Postboten entscheidend, sondern der tatsächliche Empfang beim Käufer.

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Von
  • Marzena Sicking

Die Widerrufsfrist nach dem Fernabsatzgesetz beginnt nicht zwangsläufig schon zu laufen, wenn der Postbote das Paket übergeben hat. Entscheidend ist die Frage, wann es beim tatsächlichen Empfänger ankommt. Ist dieser nicht Zuhause und ein Nachbar nimmt die Ware entgegegen, darf das noch nicht als tatsächlicher Eingang gewertet werden. Das hat das Amtsgericht Winsen in einem jetzt bekannt gewordenen Urteil entschieden (vom 28.6.2012, Az: 22 C 1812/11).

Geklagt hatte ein Kunde, der bei einem Händler Waren im Wert von knapp 400 Euro bestellt hatte. Den Kauf widerrief er, allerdings zu spät, wie der Anbieter meinte. Denn die Widerrufsfrist von 2 Wochen war seiner Ansicht nach abgelaufen: Der Postbote hatte die Ware am 4.8.2011 übergeben. Allerdings nicht an den Käufer selbst, sondern wegen dessen Abwesenheit an einen Nachbarn. Der Käufer war aber davon ausgegangen, dass die Widerrufsfrist erst in dem Moment zu laufen begann, als er selbst die Ware in Händen hielt.

Das sahen die Richter auch so. Nach Palandt § 312d Rz 4 in Verbindung mit Rz 15 bei § 438 BGB bedeute der "Eingang beim Empfänger", dass die Sache beim Empfänger abgeliefert worden sein muss. Davon sei auch auszugehen, wenn die Ware nicht bei der Person selbst, aber in ihrem Haushalt abgeliefert wurde. Bei einer Abgabe in der Nachbarschaft treffe die Vermutung hingegen nicht zu. Eine Übergabe der Sache an einen Nachbar gelte juristisch nicht als Zustellung beim Empfänger, stellten die Richter klar.

Ausnahmen gibt es allerdings: Wenn der Käufer einen bestimmten Nachbarn ausdrücklich bevollmächtigt hat, für ihn Sendungen entgegenzunehmen, dürfen diese in solchen Fällen auch als beim Empfänger zustellt gelten. Allerdings reicht es nicht aus, dass der Nachbar eine entsprechende Aussage trifft: er muss eine schriftliche Vollmacht des eigentlichen Empfängers vorlegen.

Ein Sonderfall kann auch der Urlaub sein: kann der Empfänger seine Post nicht entgegennehmen, weil er verreist ist, beginnen die Fristen normaleise nicht zu laufen bzw. er kann bei einer solchen schuldlosen Überschreitung um eine neue Frist bitten. Das gilt allerdings nicht, wenn er mit der Sendung hätte rechnen müssen. Wer Waren bestellt und dann in Urlaub fährt, wird bei seiner Rückkehr also im Zweifelsfall mit einer abgelaufenen Widerrufsfrist leben müssen.

Entscheidend ist grundsätzlich aber immer der Zeitpunkt, zu dem der Empfänger in die Lage versetzt wird, die Ware zu sichten und zu prüfen. Davon ist bei der Abgabe beim freundlichen Nachbarn nicht auszugehen: Dieser wird das Paket üblicherweise nicht in Vertretung des Empfängers öffnen. Der Nachbar entlaste vor allem das Lieferunternehmen, da es diesem eine erneute Fahrt zum Empfänger erspart. (gs)
(masi)