Viel Unterstützung für Bundestagsinitiative gegen Softwarepatente

Die große Mehrheit der geladenen Experten hat in einer Anhörung das Vorhaben begrüßt, den gewerblichen Rechtsschutz für Computerprogramme "effektiv zu begrenzen". Siemens ist dagegen.

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Die große Mehrheit der geladenen Experten hat in einer Anhörung im Bundestag das Vorhaben begrüßt, Patente auf Computerprogramme "effektiv zu begrenzen". Der seit Langem umstrittene gewerbliche Rechtsschutz für Software sei nicht nur unnötig, sondern schade auch der mittelständischen IT-Wirtschaft, erklärte Oliver Grün, Präsident des Bundesverbandes IT-Mittelstand, am Montag. Der unmittelbar und ohne zusätzliche Kosten gegebene Urheberrechtsschutz sei dagegen für die hierzulande zu über 65 Prozent mittelständisch ausgerichtete IT-Wirtschaft "absolut leistungsgerecht und wirksam".

Das Europäische Patentamt habe in seiner weiten Auslegung des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) bereits mehrere zehntausend Schutzrechte auf Computerprogramme erteilt, monierte Grün. Dadurch würden viele Verfahren geschützt, die breite Wirkungen hätten sowie sehr abstrakt und teils trivial seien. Betroffen seien etwa Kreditkartenzahlungen oder Frage-Antwort-Listen im Web. Auch derartige "schwache" Patente stellten eine scharfe Waffe dar: Wer wegen ihnen verklagt werde, müsse ein getrenntes Nichtigkeitsverfahren führen, während der Verletzungsprozess weiterlaufe.

Einen solchen Fall konnte Stefan Richter von des Hamburger Softwarehauses freiheit.com schildern. Einer seiner Kunden sei 2007 wegen der Verletzung eines deutschen Patents von Siemens zu Lizenzzahlungen aufgefordert worden, in dem es um den Schutz der gängigen Funktion in einem Webshop zur Anzeige der zuletzt angesehenen Produkte gegangen sei. Die Münchner hätten wegen der "trivialen Funktionalität" die "halbe E-Commerce-Industrie" angeschrieben und seien kaum auf Widerstand gestoßen. Nur der Kunde des Softwarehauses habe den Schutzanspruch "nach Jahren" kostspielig niedergerungen.

Angesichts des vor allem in den USA zunehmenden Problems der "Patent-Trolle" rechnet Richter damit, dass es auch hierzulande vergleichbare Wellen geben werde, Tantiemen anzumahnen. Die Politik müsse daher auch dafür sorgen, dass bereits bestehende Patente nicht länger wirksam sein könnten. Prinzipiell sei es einfach, eine Idee zu entwerfen und diese mit rechtlicher Hilfe in eine Patentschrift zu kleiden. Schwierig sei es dagegen, ein Konzept in Quellcode umzusetzen. Da in Patentanmeldungen auch nur grob stehe, wie ein Verfahren funktionieren solle, stelle dessen Veröffentlichung keinen Erkenntnisgewinn für Entwickler dar. Das mit dem Monopolschutz verknüpfte Prinzip, Wissen offenzulegen, werde so ad absurdum geführt.

"Es geht in der IT-Wirtschaft darum, neue Lösungen schnell auf den Markt zu bringen", ergänzte Till Jaeger vom Institut für Rechtsfragen der Freien und Open Source Software (ifrOSS). Jahrelang dauernde Patentanmeldungen seien da ein "Zerstörungselement". Dazu kämen nicht nur die kostspieligen großen Verletzungsverfahren, wie sie etwa die Mobilfunkbranche führe und in ihre Produkte einberechne, sondern auch "kleine hässliche Erpressungen" mit Lizenzforderungen. Der im Patentwesen eigentlich verankerte Gedanke, Innovationen zu fördern, habe sich im Softwarewesen längst ins Gegenteil verkehrt, meinte der Rechtsanwalt. Die "schiere Masse und Art" der Schutzrechte mache es schwierig, den Stand der Technik zu ermitteln. Die Angst vor entgegenstehenden Patenten Dritter hemme Entwicklungen.

Dazu komme, führte Jaeger aus, dass die Rechtsprechung hierzulande Patente zulasse, die auf Basis des Wortlauts und des Zwecks nicht aufrechterhalten werden müssten. Laut dem Bundesgerichtshof (BGH) sei schon eine "systemnahe Software" schützenswert, die schneller arbeite, obwohl dies der Gedanke jedes Programms sei. Der Gesetzgeber dürfe an diesem Punkt keine Lücke lassen.

Der Düsseldorfer Rechtsanwalt Rasmus Keller befand, dass eine Problemlösung in Software auch durch deren "arkanes Wesen" geschützt sei. So würden Computerprogramme zunächst im Quelltext geschrieben und später transformiert in Maschinencode. Dieses binäre Endprodukt sei dann nicht mehr rückübersetzbar in den ursprünglichen Text. Dem BGH warf er vor, sich in "formalen Begriffen verheddert", den grundlegenden der Technik aber bis heute nicht definiert zu haben.

Eine Problemlösung, die nur durch ein Programm verwirklicht werden könne, dürfe nie dem Patentschutz zugängig sein, forderte Keller. Dies sei in der Regel schon der Fall, wenn Software Berechnungen durchführen müsse. Er unterstützte aber den "Äquivalenzansatz" des interfraktionellen Antrags, wonach Erfindungen im Softwarebereich patentierbar sein sollen, wenn sie eine mechanische oder elektromechanische Komponente ersetzen. Damit nähme der Gesetzgeber letztlich Rücksicht darauf, dass früher mechanische Komponenten einer Maschine heute in Software nachgebildet werden könnten.

Der Berliner Rechtsanwalt Till Kreutzer empfahl den Abgeordneten ebenfalls, klare Schranken zu setzen: Patentierbar sein dürften nur Programme, die Maschinen steuern oder ersetzen. Johannes Sommer vom Bundesverband Informations- und Kommunikationstechnologie (BIKT) sah darüber hinausgehende Softwarepatente "weder aus innovationspolitischer noch rechtlicher Sicht gerechtfertigt". Für die Free Software Foundation Europe (FSFE) verwies Matthias Kirschner darauf, dass Schutzrechte auch oft angeblich offene Standards beträfen, deren Lizenzierungsbedingungen freie Software ausschlössen.

Siemens-Patentanwalt Uwe Schriek hielt dagegen, dass Konzepte etwa für eine Waschmaschine, die Verschmutzungsgrade und die Beschaffenheit von Kleidung erkenne, sehr komplex geworden seien und "Millionen" in ihre Entwicklung flößen. Die Industrie sei auf deren Patentschutz angewiesen, um Vorarbeiten stemmen zu können unter der Wahrung der Exklusivität für bestimmte Funktionen. Einen technischen Aspekt stelle dabei auch eine Lösung dar, die die Qualität eines Produkts oder einer Anlage messbar verbessere. Geschützt würden nur "technische Voraussetzungen und Rahmenbedingungen", nicht eine Funktion selbst. Auch kleine Firmen profitierten von Patenten, da ihnen diese hälfen, Kapital zu bekommen und im Wettbewerb mit den Großen zu bestehen.

Eine Zwischenposition nahm der Berliner Wirtschafts- und Technikrechtler Jürgen Ensthaler ein. Seiner Ansicht nach ist ein Patentschutz auf Software prinzipiell zu ermöglichen, da sich das Urheberrecht nicht auf "Inhalte" wie einen "einigermaßen wertvollen Algorithmus" erstrecke. Auch der Universalrechner sei eine Maschine, dessen Komponenten "unterschiedlich angesprochen werden" könnten. Der BGH habe hier genau auseinandergeklügelt, dass dafür das die Fähigkeiten eines Computers technisch durchdrungen werden müssten.

Die Schwierigkeiten beginnen für Ensthaler mit den jüngsten Entscheidungen aus Karlsruhe, wonach etwa schon Verfahren schutzwürdig sind, die bessere Möglichkeiten aus einem Rechner herausholen. Dabei handle es sich um abstrakte mathematische Konzepte. Trotzdem zeigte er sich zuversichtlich, dass die Rechtsprechung dieses Problem in den Griff bekomme. Der Gesetzgeber könne diesen Weg prinzipiell unterstützen, dürfe aber "die Entwicklung nicht bremsen" und "alles zurückführen auf die Regel-, Mess- und Steuertechnik". Dies wäre weder in Europa, wo mit dem Einheitspatent und der damit verknüpften Gerichtsbarkeit neue Fakten geschaffen würden, noch in Drittstaaten durchsetzbar. (anw)