Computex

Angetestet: Drei Tage mit dem Acer Iconia W3

Uns stand das Acer Iconia W3, das erste Windows-8-Tablet mit 8-Zoll-Display, für einen Vorabtest zur Verfügung. Zur Laufzeit und Ergonomie lässt sich schon was sagen.

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Inhaltsverzeichnis

Glücklicherweise wurde uns nur wenige Tage nach dem Launch des Acer Iconia W3 ein Exemplar zur Verfügung gestellt. So konnten wir schon während der Computex Eindrücke des ersten Windows-Tablets kleiner als 10 Zoll sammeln.

Acer nutzt nicht etwa einen strom- und gewichtssparenden ARM-Prozessor, sondern Intels Atom-Prozessor – das W3 ist also ein x86-Tablet mit Windows 8, das auch klassische Windows-Anwendungen ausführt. Die Hardware treibt das Gewicht auf 540 Gramm, womit der 8-Zöller sogar schwerer ist als das bislang leichteste Windows-Tablet, nämlich das 525 Gramm wiegende Asus Vivo Tab RT (10-Zoll-Display, ARM-Prozessor, Windows RT).

Erster Test: Acer Iconia W3 (12 Bilder)

Das Acer Iconia W3 lässt sich quer in die Tastatur einsetzen. Dann liegen Strom, beide Lautsprecher und Audioanschluss rechts, Einschalter, MicroUSB, MicroHDMI und Einschalter links. Oben findet man den MicroSD-Slot und die Lautstärketasten. Anschlag und Tastengröße gehen in Ordnung, aber die Tastatur unseres Testexemplars und auch die auf dem Acer-Stand ausgestellten klapperten stark.

Der Atom Z2760 bietet trotz zwei Kernen mit 1,8 GHz nur Netbook-Geschwindigkeit, und auch die 2 GByte Hauptspeicher und der nur etwa 45 MByte/s schneller Flash-Speicher machen das W3 zu einem gemächlichen bis zähen Arbeitshelfer. Bei Speichermangel beendet Windows 8 im Hintergrund wartende Kachelanwendungen automatisch, was oft passierte, vor allem wenn auch Desktop-Anwendungen laufen. Die Kontakte-App stürtzte vereinzelt ab, die Mail-App sogar regelmäßig, sobald ich das (zugegeben recht fette) berufliche IMAP-Konto einrichtete. Ob das allerdings am Ressourcenhunger der Apps liegt oder an der lahmen Internetverbindung im Hotel, konnte ich nicht feststellen. In seltenen Fällen brach die WLAN-Verbindung im Hotelzimmer zusammen, obwohl die anderen Geräte (Smartphone, Notebook) durchgehend Empfang hatten und mehr Empfangsbalken anzeigten.

Der USB-Anschluss ist ein normaler Host-Port, der Festplatten, Mäuse, Drucker, Kameras, Sticks und alle anderen Geräte ohne Einschränkung ansteuert. Er spricht USB 2.0 und erreichte (gemessen mit einer USB-3.0-Festplatte) rund 25 MByte/s. Man benötigt allerdings einen Adapter, weil am Gehäuse nur Platz für eine MicroUSB-Buchse ist. Es funktionieren diese Adapter, mit denen auch einige Smartphones USB-Host-fähig sind und die man unter dem Stichwort "OTG" für wenige Euro findet.

MicroHDMI und MicroUSB benötigen Adapter.

Der MicroHDMI-Port steuert Monitore bis 1920 ×1080 Punke an und unterstützt die von Windows bekannten Modi, und zwar auch den bei Netbooks mi Atom aufgrund eine Einschränkungen von Windows Starter nicht vorhandenen erweiterten Desktop. Leider fehlt den installierten Treibern die Fähigkeit, einen Over- oder Underscan des Monitors zu kompensieren, sodass das Hotel-TV die äußeren rund 30 Pixel nicht anzeigte – für Filme oder Fotos egal, für einen zum Arbeiten genutzten Windows-Desktop fatal. (Ein Notebook mit Intels Chipsatzgrafik HD 3000 steuerte denselben Fernseher übrigens ohne das Problem an.)

Windows samt installierter Anwendungen belegte über 20 GByte, sodass von den 32 GByte keine 10 frei waren; bei der 64-GByte-Version des Tablets dürften also etwas mehr als 40 GByte frei sein. Zum Glück ist ein Speicherkartenadapter für MicroSD-Karten eingebaut: Karten werden wie unter Windows üblich als separates Laufwerk angesprochen, sodass man dort (Desktop-)Anwendungen installieren und Daten speichern kann. Im Testgerät steckte eine mit lahmen 17 MByte/s, zum Lieferumfang gehört sie natürlich nicht.

Zumindest die Tastatur unseres Testgeräts machte keinen so guten Eindruck, sie war arg klapprig. Hub, Anschlag und die Größe der Tasten gehen in Ordnung, auch an die kleinen Pfeiltasten gewöhnt man sich, doch einem angenehmen Schreibgefühl stellen sich das Klappern und Durchbiegen entgegen. Unpraktisch: Separate Home- und End-Tasten fehlen, sie sind nur zweihändig per Fn-Kombination zu erreichen.

Viele Desktop-Anwendungen lassen sich bei 188 dpi trotz Windows-Vergrößerung nicht gut per Finger bedienen.

Quer steht das Tablet sicher in der Tastatur. Sie hat hinten zwei ausfahrbare Füße, die mehr Standsicherheit geben sollen, was auf geraden Tischen nicht nötig ist, sondern eher auf schrägen Oberflächen, beispielsweise auf dem Schoß. Hochkant bewährt sich die Konstruktion nicht so gut, weil die Gummihalterung des Tablets zu kurz ist. So kippt das Tablet sofort ein paar Grad nach hinten und fällt bei leichtesten Vibrationen um. Ein Ausweg kann sein, das Tablet an anderen Gegenständen anzulehnen, aber unpraktisch ist sowieso, dass an beiden kurzen Seiten Schnittstellen liegen. Da die Tastatur per Bluetooth angebunden ist, funktioniert sie auch ohne eingesetztes Tablet; praktisch beispielsweise, um das Tablet per HDMI an einen Fernseher anzuschließen und mit Tastatur (und zusätzlicher Bluetooth-Maus) abseits davon zu bedienen.

Das Display erreicht keine überwältigende, aber eine praxistaugliche Helligkeit abseits prallen Sonnenlichts. Der Blickwinkel beim schrägen Blick von den langen Seiten geht halbwegs in Ordnung, da verlieren die Farben nur an Helligkeit. Schaut man schräg von den kurzen Seiten, invertieren die Farben allerdings schnell, was beim Arbeiten an der Tastatur schon stören kann; vor allem Fotos mit dunklen Farben sehen bei Sicht von leicht links schon seltsam aus. Wie bei Touch-Displays üblich spiegelt es.

Die Kachel-Anwendungen lassen sich auf dem 8-Zoll-Display mit kleinen Einschränkungen gut bedienen: Die oft zu findenen Menüs und runden Schaltflächen muss man sehr genau treffen (siehe Bilderstrecke). Sieht die App keine direkte Reaktion vor, kann das schonmal zu Missverständnissen führen oder dazu, dass man den Knopf mehrmals drückt. Die Bildschirmtastatur hat ausreichend große Tasten und erfordert sogar kleinere Fingerwege als auf 10 Zoll. Die Desktop-Anwendungen machen hingegen nicht so viel Spaß. Acer liefert Windows auf 125 Prozent voreingestellt aus, was Elemente wie den Schließen-Knopf genügend vergrößert. Doch Menüs und vor allem die Toolbars fast aller Anwendungen sind so klein, dass man sie leicht verfehlt – eine Maus gehört zum sinnvollen Arbeiten mit Desktop-Anwendungen also ins Gepäck.

Ohne die Displayhelligkeit zu messen, konnte ich im Hotel nur zwei Laufzeiten grob ermitteln: Bei voller Helligkeit und ohne Prozessorlast im Flugmodus erreichte das W3 beachtliche 10 Stunden Laufzeit. Beim Arbeiten mit aktivem WLAN und Bluetooth gingen nach etwas über sieben Stunden die Lichter aus. Der Akku brauchte beim Arbeiten über sechs Stunden zum Aufladen.

Der Akku fasst 25,1 Wh, Acer hat die Stromaufnahme des Grundsystems im CPU-Standby also auf rund 2,5 Watt gedrückt, unter Arbeitslast auf etwa 3,5 Watt – bei voller Displayhelligkeit. Laut Akku-Tools sinkt die Leistungsaufnahme bei geringster Helligkeit um etwa 1,3 Watt, sodass rechnerisch beim Arbeiten 10 und beim Nichtstun fast 20 Stunden drin wären, wobei diese Helligkeit schon zum Lesen im Dunkeln arg niedrig ist.

Achja, die Lautstärkemessung kann ich auch schon ohne unser spezielles c't-Equipment durchführen: Das W3 hat keinen Lüfter und arbeitet daher auch unter hoher Last völlig geräuschlos.

Iconia W3: klein, leicht, langlaufend, aber klapprige Tastatur und nur Netbook-Performance

Lange Laufzeit, gute Verarbeitung, Zehnfinger-geeignete Tasten ganz ordentliches Display – das Iconia W3 machte mir durchaus Spaß in den paar Tagen der Computex. Dass kaum eine Desktop-Anwendung sich auf 8 Zoll per Finger gut bedienen lässt, ist wahrlich nicht Acer anzukreiden, und zur Kacheloberfläche sagt Microsoft selbst, dass die eigentlich erst mit Windows 8.1 an Displays kleiner als 10 Zoll angepasst werden soll.

Acer stößt an viele Grenzen des derzeit Machbaren: Die schlechte Performane ist der Intel-Hardware geschuldet. Schneller ging es mit einem Core i, der sich nicht in so kleine Gehäuse einbauen lässt und einen Lüfter braucht, oder einem Atom der nächsten Generation Bay Trail, die erst ab Herbst fertig ist. Mehr und schnellerer Flash-Speicher sowie ein Display mit breiterem Blickwinkel stünden dem W3 gut, doch das würde den Preis hochtreiben, und schon jetzt sind die 330 Euro im Vergleich zu iPad Mini oder Nexus 7 kein Schnäppchen. Immerhin hat Acer sich beim Akku nicht lumpen lassen, das W3 läuft etwa doppelt so lang wie beispielsweise das Microsoft Surface Pro (das kleinste Core-i-Tablet). USB und HDMI in normaler Größe wären praktischer, hätten das Gehäuse aber einige Millimeter dicker gemacht – die paar Kubikmillimeterchen für einen SD-Slot hätten aber ruhig drin sein können.

Ein nicht konzeptbedingter Kritikpunkt ist die Tastatur: Für 70 Euro darf man eine weniger klapprige erwarten. Wir hoffen, dass die auf der Computex gezeigten Exemplare aus der Vorserie stammen. Wer auf den Einsteckmechanismus verzichtet und sich mit Aufstellhüllen selbst was bastelt, kann aber auch beliebige andere Bluetooth-Tastaturen verwenden.

Bleibt die Frage nach der Zielgruppe: Wer nicht auf x86-Software angewiesen ist, findet attraktivere Geräte – auch weil das Angebot an Tablet-Software für Windows 8 noch immer hinter dem für Android und vor allem iOS zurück bleibt. Wer x86-Software einsetzen will, kann das beim W3 nur unter großen Geschwindigkeitseinschränkungen. Im Vergleich zu den anderen (genauso lahmen) Atom-Tablets spart man beim W3 Platz, Geld und ein wenig Gewicht. Eng wird es allerdings für Windows RT: Durch Tablets wie das W3 gibt es immer weniger Gründe für diese eingeschränkte ARM-Version von Windows.

Update 14.6.: Acer hat uns bestätigt, dass es sich um ein Vorseriengerät handelt. Laufzeit, Flash-Geschwindigkeit sowie Qualität von Display und Tastatur können sich also bis zur Serie noch ändern. Die konzeptionellen Entscheidungen wie die der Atom-Plattform geschuldeten Performance und die Windows-Schwierigkeiten mit der hohen Pixeldichte dürften aber weitgehend unverändert bleiben. Ein Update auf Windows 8.1 bekommt das W3 übrigens, wie auch alle anderen Geräte mit Windows 8. (jow)