Chrome: Google lässt seinen Webbrowser von der (Beta-) Leine

Google drückt auf die Tube: Man habe die selbst gesetzten Ziele in punkto Performance und Stabilität erreicht, und könne jetzt das Beta-Label vom hauseigenen Webbrowser Chrome entfernen.

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Nur gut drei Monate nach der Veröffentlichung der ersten Beta-Version von Chrome macht Google ernst und gibt jetzt seinen Webbrowser für den Produktiveinsatz frei. Man habe, so Google, die selbst gesetzten Ziele in puncto Performance und Stabilität erreicht, und könne jetzt das Beta-Label entfernen. Auf der Homepage steht der Browser für Windows Vista und XP zum Download bereit.

Google hat mit Chrome eine Reihe von interessanten Konzepten eingeführt, die ihn von anderen Browsern unterscheidet, etwa eine saubere Speicherverwaltung oder eine Sandbox für JavaScript-Anwendungen. Während Google für das HTML-Rendering auf die auch im Safari bewährte WebKit-Engine zurückgriff, entwickelte man die JavaScript-Engine namens V8 von Grund auf neu. Deren Performance ist auch einer der Gründe, warum Chrome in vielen Geschwindigkeitstests die Konkurrenz hinter sich ließ. Die heute veröffentliche Version von V8 soll laut Google noch einmal um 50 Prozent schneller sein als die in der Beta-Version von Chrome.

Die Chrome-Entwickler gaben schon im Comic, das den Start der Beta begleitete, zu, dass der Browser noch Probleme mit Plug-ins habe. Tatsächlich beobachteten viele Benutzer zum Beispiel Probleme mit Videos auf Google eigener Plattform YouTube.

Obwohl Google nach eigenen Angaben sehr viel Arbeit in die Sicherheit von Chrome investiert hatte, tauchten schon einen Tag nach der Veröffentlichung die ersten Sicherheitslücken auf. Im Laufe der folgenden Wochen kamen sogar noch gravierendere Probleme zum Vorschein, darunter auch ein schwerwiegendes, das sich ausnutzen ließ, um beliebigen Code auf dem angegriffenen PC zur Ausführung zu bringen. Google hat aber die Sicherheitslücken recht schnell behoben. Chrome-Installationen, bei denen der Benutzer den Auto-Update-Mechanismus des Browsers nicht deaktiviert hat, werden regelmäßig mit neuen Versionen versehen.

Neben Fehler-Patches halten sich die Neuerungen des finalen Chrome in Grenzen. So hat man dem Browser auf vielfachen Wunsch eine Bookmarkverwaltung verpasst. Google sagt auch selbst, es sei weit entfernt davon, mit dem Browser fertig zu sein. Man plane weitere Funktionen sowie den Support für Linux und Mac OS X. Bisher läuft der Browser auf diesen Plattformen nur in einem Emulator.

Google will möglichst viele Programmierer bei der Entwicklung von Chromium mit ins Boot holen – der Open-Source-Basis von Chrome. So hat das Unternehmen eine Community-Website und einen eigenen Channel für Entwickler eingerichtet, der diese immer mit den neuesten Versionen des Browsers versorgt. Google plant außerdem eine Programmierschnittstelle für Erweiterungen, wie sie etwa Firefox besitzt.

Die Beta von Chrome ist schnell ins Visier von Datenschützern geraten, weil der Browser sehr viele Daten zum Hersteller überträgt. Auch eine wachsweiche Datenschutzerklärung trug viel zu den Bedenken bei. Google hat die betreffenden Funktionen auch in der finalen Chrome-Version nicht ausgebaut, aber die Datenschutzerklärung präzisiert und sehr detailliert erklärt, wofür der Browser welche Daten versendet und was Google mit den übermittelten Informationen anstellt.

In den Programmoptionen der finalen Chrome-Version hat Google die für den Datenschutz relevanten Einstellungen zusammengefasst. Der Benutzer hat sie so besser im Blick und kann sie auf Wunsch deaktivieren – bis auf die ID. Chrome erzeugt bei jeder Installation eine eindeutige ID-Nummer. Der Browser überträgt sie mit weiteren Informationen über die Systemumgebung, etwa die Sprache und die Versionsnummer, an Google, wenn er nach Updates sucht (hat der Benutzer die Option "Nutzungsstatistiken und Ausfallberichte" aktiviert, sendet Chrome die ID auch bei der Übermittlung dieser Daten).

Auf ihre Privatsphäre bedachte Anwender, die den neuen Browser nutzen möchten, ohne dass dieser über die ID eindeutig identifizierbar ist, stehen dazu mittlerweile eine ganze Reihe von Möglichkeiten offen. So gibt es Helferlein, die die ID löschen, etwa Kill-ID für Chrome. Alternativ kann man auch gleich eine Drittanbieterversion auf Basis von Chromium nutzen, die keine eindeutige ID erzeugt, etwa Portable Chrome oder Iron. In Kürze dürften von diesen Programmen Versionen bereitstehen, die auf der finalen Chrome-Version basieren.

Was aber nun hat Google eigentlich von einem eigenen Browser? Dazu hat sich der CEO Eric Schmidt in einem Interview ausführlich geäußert. Er gab zu, es lange als nicht notwendig angesehen zu haben, einen eigenen Webbrowser zu entwickeln. In den vergangenen Jahren habe sich das Internet jedoch verändert, es gebe nun diverse Web-basierte Anwendungen, aber einige Browser, insbesondere der Internet Explorer, würden den dafür zugrunde liegenden Anforderungen nicht genügen. Chrome sei eine bessere Plattform für leistungsstarke Anwendungen.

Der Browser als Betriebssystem für Online-Anwendungen: In dieselbe Richtung wie mit Chrome geht Google auch mit einem anderen in dieser Woche vorgestellten Projekt, dem Native Client. Dabei soll der Browser Zugriff auf die volle Leistungsfähigkeit des Prozessors erhalten – statt nur auf eine vergleichsweise langsame Laufzeitumgebung wie die JavaScript-Engine.

Eine ernsthafte Konkurrenz für Internet Explorer, Firefox und Co. wird Chrome zunächst aber wohl kaum darstellen. Dazu bringt der Browser zu wenige neue Features mit, die Anwender den Umstieg attraktiv erscheinen lassen. So ist das Interesse an der Beta-Version von Chrome nach einem kurzen Hype schnell wieder abgeflacht. Während etwa kurz nach der Veröffentlichung der Chrome-Beta fast 6 Prozent aller Zugriffe auf heise online von Chrome stammten, ist der Anteil auf 0,6 Prozent im Dezember abgefallen. Laut webhits liegt der über viele Websites gemittelte Marktanteil sogar nur bei 0,2 Prozent.

Aber Google drückt auf die Tube. Einer der Gründe für die rasche Veröffentlichung der finalen Version dürfte das Interesse von Distributionspartnern sein. Es gebe eine Reihe von interessierten Kunden, darunter OEMs, die den Browser aber nicht vertreiben könnten, solange er nicht in einer finalen Version vorliege. Das sagte die Google-Pressechefin Marissa Mayer am gestrigen Mittwoch in einem Interview auf der Konferenz Le Web (hier zitiert bei Techcrunch).

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(jo)