Bundesjustizministerin fordert Aufklärung des britischen Abhörskandals

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat in zwei Brandbriefen an Mitglieder der britischen Regierung Informationen über das Ausmaß der mit dem Überwachungsprogramm Tempora gespeicherten Daten und mögliche Rechtsgrundlagen erbeten.

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Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat in zwei Brandbriefen an Mitglieder der britischen Regierung um Antworten auf offene Fragen rund um das Überwachungsprogramm Tempora gebeten. Laut den heise online vorliegenden Schreiben will die FDP-Politikerin von ihrem britischen Kollegen Christopher Grayling sowie von Innenministerin Theresa May etwa wissen, auf welcher Rechtsgrundlage die jüngst enthüllten Bespitzelungen des technischen Geheimdienstes Government Communications Headquarters (GCHQ) erfolgen.

Weiter fragt die Liberale, welche Daten gespeichert werden und ob konkrete Verdachtsmomente nötig sind, damit personenbezogene Informationen aufbewahrt werden können. Sie interessiert sich auch für eventuell erforderliche Richtergenehmigungen und für die praktische Funktionsweise von Tempora. Gleichzeitig verdeutlicht die Ministerin, dass der Abhörskandal im EU-Ministerrat angesprochen werden müsse, etwa beim nächsten Treffen der Justiz- und Innenressortchefs Mitte Juli. Die Angelegenheit sei zudem im Kontext der laufenden Debatte über die EU-Datenschutzreform auf den Tisch zu bringen.

"In der heutigen Welt bilden die neuen Medien den Grundpfeiler für einen freien Austausch von Meinungen und Informationen", schreibt Leutheusser-Schnarrenberger. Transparentes Regierungshandeln sei eine der wichtigsten Voraussetzungen, damit ein demokratischer Staat funktioniere, und bedinge die Rechtsstaatlichkeit. Eine parlamentarische und justizielle Kontrolle könne nicht funktionieren, wenn die Regierung im Geheimen handle.

Die Berichte über Tempora, wobei "riesige Mengen global ausgetauschter E-Mails, Facebook-Nachrichten, des Surfverhaltens und von Anrufen" abgegriffen und gesammelt wurden, haben der Ministerin zufolge "verständlicherweise große Besorgnis in Deutschland ausgelöst". Dazu komme, dass der GCHQ die Informationshalden offenbar auch mit seinem US-Gegenstück, der National Security Agency (NSA), austausche. Die NSA betreibt Berichten zufolge ein vergleichbares Überwachungsprojekt unter dem Titel PRISM.

Leutheusser-Schnarrenberger hatte Tempora am Wochenende bereits als "Alptraum à la Hollywood" kritisiert. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin monierte nun, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) das Thema nicht auf dem Gipfeltreffen des Europäischen Rats Ende der Woche ansprechen wolle. Die Bundesregierung müsse endlich Farbe bekennen und sich für die Kommunikationsfreiheit der Bürger einsetze, meinte der Oppositionspolitiker. Es müsse anhand formalisierter Verfahren geprüft werden, ob das Abschöpfen nahezu des gesamten Internetverkehrs der Bundesrepublik ausgerechnet von einem anderen EU-Mitgliedsstaat nicht geltende europäische Verträge verletze. (anw)