Bericht: US-Überwachungsgericht hat NSA-Befugnisse heimlich ausgeweitet

Der über das US-Spionageprogramm wachende Gerichtshof soll es der National Security Agency erlaubt haben, umfangreiche Datenmengen etwa auch im Kampf gegen Cyberangriffe oder die Verbreitung von Atomwaffen zu sammeln.

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Der über das US-Spionageprogramm PRISM wachende Gerichtshof soll es der National Security Agency (NSA) erlaubt haben, umfangreiche Datenmengen etwa auch im Kampf gegen Cyberangriffe oder die Verbreitung von Atomwaffen ohne gesonderte richterliche Genehmigungen zu sammeln und auszuwerten. In mehr als zehn geheimen, teils über 100 Seiten langen Urteilen seien die Kompetenzen des technischen US-Geheimdienstes dabei enorm über die Bekämpfung des Terrorismus ausgedehnt worden. Dies meldet die New York Times unter Berufung auf nicht näher genannte frühere und aktive Regierungsmitarbeiter.

Der Sitz des FISC in Washington D.C.

(Bild: Cliff, CC-BY-2.0 )

Die NSA zieht ihre Überwachungsbefugnisse im Kern aus dem Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA), dem US-Gesetz zum Abhören der internationalen Telekommunikation. Für die Auslegung und eigentlich auch die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen ist der im Geheimen agierende elfköpfige Foreign Intelligence Surveillance Court (FISC) zuständig, den die Zeitung aufgrund der Tragweite seiner Entscheidungen auch über Verfassungsfragen als "Parallele" zum Obersten US-Gerichtshof bezeichnet. Anders als der Supreme Court höre der FISC aber nur Meinungen von einer Seite, nämlich der US-Regierung.

Das spezielle Überwachungsgericht habe die Definition der "Auslandsaufklärung" in den vergangenen Jahren enorm ausgeweitet. Letztlich werde mittlerweile alles, was Bedenken hinsichtlich der inneren Sicherheit aufwerfe, darunter gefasst. Dies beziehe sich etwa auf Spionage ausländischer Mächte, Hackerattacken oder Massenvernichtungswaffen. Ohne weitere richterliche Kontrolle könnten so etwa innerhalb der USA versandte E-Mails abgefangen werden, bei denen Anhänge möglicherweise eine Verbindung zum iranischen Atomwaffenprogramm aufweisen. Die Beschlüsse des in Washington tagenden Gerichts gehen demnach über Einzelgenehmigungen deutlich hinaus. Sie bezögen sich auf allgemeine Überwachungsformen, nicht auf spezielle Zielpersonen. Dies deckt sich mit Erkenntnissen des Guardian über breite Verfügungen des FISC.

Laut der New York Times hat das Sondergericht eine Doktrin des Supreme Court, wonach Sicherheitsbehörden in die verfassungsrechtlich abgesicherte Privatsphäre auch von US-Bürgern zur Abwehr drohender Gefährdungen eingreifen dürfen, enorm erweitert. Habe das oberste US-Gericht dies nur für relativ enge Rechtsgebiete wie das Einrichten von Sicherheitsschleusen an Flughäfen zugelassen, beziehe der FISC die Regel für "besondere Bedürfnisse" der Polizei und von Geheimdiensten auf deutlich breitere Anwendungsbereiche und genehmige so die massenhafte Überwachung von Daten von Ausländern und US-Bürgern. (mho)