Raffiniertes Recycling: Batterie-Elektroden aus Reishülsen

Die Reste der Reis-Ernte enthalten unerwartet hochwertige Substanzen: Die natürliche Nanostruktur der Siliziumanteile in den Getreidespelzen macht das Material ideal für Lithium-Ionen-Batterien.

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Von
  • Dörte Saße

Nicht nur im Elektronikschrott finden sich wertvolle Rohstoffe – auch die Reste der Reis-Ernte enthalten unerwartet hochwertige Substanzen. Für simples Recycling als Düngezusatz, Isoliermaterial oder auch Treibstoff sind Reisspelzen deshalb eigentlich zu schade, berichten jetzt koreanische Materialforscher: Die harten Hüllschichten rund um das Reiskorn sind vielmehr erstklassiges Rohmaterial für moderne Hochleistungsakkus.

Eingelagertes Siliziumdioxid schützt das wachsende Korn als atmungsaktive „Hartschale“ vor schädlichen Einflüssen. Aufbereitet jedoch eignet es sich auch als Anode in Lithium-Ionen-Akkus, besonders, weil es von Natur aus in einer sehr feinporigen Struktur vorliegt und die Ladeleistung von Batterien steigern hilft, berichten die Forscher in den "Proceedings of the National Academy of Sciences". Ein Mangel an dem Rohmaterial ist nicht zu befürchten, da Reis weltweit in enormen Mengen angebaut und verzehrt wird.

Der Werdegang: An der Reispflanze hängen die Körner, deren Spelzen Silizium enthalten. Unterm Mikroskop zeigt sich die Struktur des Materials, das in Lithium-Ionen-Batterie von Autos zum Einsatz kommen kann.

(Bild: Jang Wook Choi et al.)

"Unsere Studie zeigt, dass Reisspelzen – ein wesentliches Nebenprodukt der Reisernte – zur Produktion von Silizium dienen können", schreibt das Team um Dae Soo Jung und Jang Wook Choi. Die poröse Nanostruktur dieser Siliziumform sei ideal geeignet für die Anoden von Lithium-Ionen-Akkus mit hoher Kapazität. Die Material- und Nanoforscher vom Korea Advanced Institute of Science and Technology und der Chungnam National University hatten das vermeintliche Abfallprodukt genauer unter die Lupe genommen, frisch geerntet von Feldern aus der Umgebung.

Der Feinaufbau des "Reis-Siliziums": links im Überblick, rechts ist zu erkennen, dass die Siliziumwände zwischen den Poren 10 bis 50 Nanometer dick sind.

(Bild: Jang Wook Choi et al.)

Unter dem Mikroskop fand sich das Siliziumdioxid vor allem an der Außenseite der Spelzen. Höher aufgelöste Bilder zeigten eine knubbelige Anhäufung aneinandergelagerter Partikel. Unter dem Rastertransmissionselektronenmikroskop enthüllten diese schließlich einen schwammähnlichen Aufbau, berichten die Wissenschaftler: "Diese vernetzte, nanoporöse Struktur, im Laufe der natürlichen Evolution entstanden, kann wichtige Probleme in der Funktion von Silizium-Anoden lösen."

Als Elektrodenmaterial für Lithium-Ionen-Akkus ist Silizium ins Rampenlicht gerückt, weil es im Vergleich zu herkömmlichen Graphit-Anoden eine zehnmal höhere Kapazität möglich macht. Allerdings sorgten Silizium-Anoden bislang nach einigen Ladezyklen für einen erheblichen Kapazitätsverlust – vermutlich, weil sich das Material beim Laden und Entladen stark dehnt und schrumpft und dabei Risse und andere Schäden erleidet. Hier kommt die Feinstruktur des Reishülsen-Materials zum Tragen: Sie bleibt, auch wenn das Siliziumdioxid chemisch aufbereitet und zu reinem Silizium gewandelt wird. Dank der vielen Zwischenräume verträgt diese Variante das Dehnen und Schrumpfen offenbar unbeschadet, wie das koreanische Team berichtet.

In der Natur gelangt das Siliziumdioxid als Monokieselsäure über die Wurzeln in die Pflanze und wandert in die äußeren Zellschichten, wo es als harte Schutzschicht eingelagert wird. So sorgt es in den Hüllspelzen für Stabilität gegen Fressattacken von Insekten und hält Erreger fern. Dank seines porösen Aufbaus sorgt es zugleich für Luftaustausch zwischen inneren und äußeren Hüllspelzen, während Feuchtigkeit und Nährstoffe im Korn bleiben. In den Spelzen macht das Siliziumdioxid einen relativ hohen Gewichtsanteil von bis zu 20 Prozent aus, neben anderen Substanzen wie Zellulose und Lignin.

Reis ist für mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung ist Hauptnahrungsmittel, die weltweite Jahresproduktion erreicht derzeit rund 422 Millionen Tonnen, so die Forscher. Diese Menge könne helfen, den immer weiter steigenden Bedarf für Silizium in modernen Batterien zu decken, etwa auch für Energiespeicher und Elektrofahrzeuge: "Die leicht verfügbare Menge, rund zehn Millionen Tonnen Silizium aus den Reisspelzen des weltweiten Anbaus, liegt mehrere Größenordnungen höher als die derzeitige Nachfrage für das Rohmaterial von Lithium-Ionen-Batterien." (axk)