NSA-Überwachung: Bundeswehr soll PRISM gekannt haben

Seit Wochen stehen die Vorwürfe im Raum, dass der US-Geheimdienst Kommunikation in Deutschland überwacht. Nun kam Verdacht hinzu: Wusste die Bundeswehr von dem Spähprogramm? Die Bundesregierung wiegelt ab und spricht zwei Programmen namens PRISM.

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Neue Fragen in der US-Geheimdienstaffäre: Die Bundeswehr kennt das US-Spähprogramm PRISM angeblich seit Jahren. Die "Bild" berichtet, PRISM sei auch im Kommandobereich der Bundeswehr in Afghanistan zur Überwachung von Terrorverdächtigen eingesetzt worden. Die Abgeordneten im Innenausschuss des Bundestages forderten am Mittwoch Aufklärung. In einer Sondersitzung des Gremiums in Berlin berichtete Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) über die neuen Erkenntnisse in dem Fall.

Der US-Geheimdienst NSA überwacht angeblich im großen Stil die Kommunikation von Bürgern und Politikern in Deutschland – unter anderem durch das Programm PRISM. Auch Wochen nach den ersten Enthüllungen darüber sind Einzelheiten und Umfang der Ausspähung noch immer offen. Regierung und Nachrichtendienste in Deutschland haben mehrfach versichert, nichts von den Aktivitäten der Amerikaner gewusst zu haben.

"Bild" hatte bereits vor mehreren Tagen berichtet, der BND habe seit Jahren von der nahezu kompletten Datenerfassung durch die Amerikaner gewusst und in Gefahrenlagen aktiv darauf zugegriffen – etwa bei der Entführung von Deutschen im Ausland. Nach Recherchen des ARD-Magazins "Fakt" kennt der BND die Technik, auf der PRISM beruht, seit Jahren und ist in ihrem Besitz.

"Bild" legte nun nach und berichtete – online hinter einer Bezahlschranke – über die angeblichen Verbindungen zur Bundeswehr: Ein geheimes Nato-Dokument deute darauf hin, dass das Kommando der Bundeswehr in Afghanistan im September 2011 über die Existenz von PRISM informiert worden sei. Aus dem Papier gehe auch hervor, dass es sich eindeutig um ein Programm zur Erfassung und Überwachung von Daten handele.

Oppositionspolitiker äußerten sich beunruhigt. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Michael Hartmann, beklagte, es gebe "neue Wolken" und neuen Nachfragebedarf in der Spähaffäre. Die Grünen forderten von Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) Auskunft, ob die Bundeswehr aus dem Spähprogramm Nutzen zog. "Wenn auch die Bundeswehr Bescheid wusste, schlägt das dem Fass den Boden aus", sagte der Grünen-Verteidigungsexperte Omid Nouripour. "De Maizière muss dringend erklären, was er gewusst hat und was er mit den Erkenntnissen getan hat."

Im Innenausschuss wollte Friedrich über den aktuellen Stand der Aufklärung informieren. Der Ressortchef Friedrich war Ende vergangener Woche zu einem Kurzbesuch in die USA gereist, um dort mit Regierungsvertretern über die Spähvorwürfe gegen den US-Geheimdienst NSA zu sprechen.

Oppositionspolitiker halten die Aufklärungsbemühungen aber für unzureichend. Hartmann beklagte, die Regierung gehe "zu nonchalant" mit den gravierenden Vorwürfen um. Der Grünen-Innenpolitiker Wolfgang Wieland kritisierte, die Regierung laviere und habe offenbar weder den Willen noch die Kraft, um für Aufklärung zu sorgen.

[UPDATE: 17.07.2013, 16:45]:

Neben dem umstrittenen Spähprogramm PRISM des US-Geheimdienstes ist eine zweite Datenbank mit exakt dem gleichen Namen aufgetaucht. Diese soll im Kommandobereich der Bundeswehr in Afghanistan zur Überwachung von Terrorverdächtigen eingesetzt worden sein. Regierungssprecher Steffen Seibert verwies auf BND-Erkenntnisse, wonach es sich um unterschiedliche, "nicht identische" Programme handele. Das in Afghanistan verwendete System werde nicht von den USA, sondern von der Nato-Truppe Isaf betrieben. Der BND bestätigte dies und betonte, das Isaf-Programm sei auch nicht geheim eingestuft.

Der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Wolfgang Bosbach (CDU), sagte, es gehe bei diesem zweiten PRISM-Programm offenbar um Radaraufklärung und Luftüberwachung. Der Sprecher des Verteidigungsressorts, Stefan Paris, sagte, sein Ministerium habe von dem PRISM-Programm für Afghanistan nichts gewusst. Die Nato-Information sei innerhalb des Einsatzraums Afghanistan geblieben. Das sei völlig normal, weil ein solcher Befehl nicht gleich an die Heimatnation gemeldet werden müsse.

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Michael Hartmann, verlangte detaillierte Aufklärung vom Verteidigungsministerium. Es mache stutzig, dass beide Programme zufällig den gleichen Namen hätten. Der Grünen-Politiker Omid Nouripour forderte von Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) persönlich Auskunft. "De Maizière muss dringend erklären, was er gewusst hat und was er mit den Erkenntnissen getan hat", sagte er. "Man kann ja nicht ausschließen, dass Prism I mit Prism II etwas zu hat, wenn man gar nicht weiß, was Prism I ist."

(anw)