"Sitzen in der Technikfalle" - Hamburgs Datenschützer zieht Bilanz

Wenn Hamburgs oberster Datenschützer Hartmut Lubomierski zum Jahresende in den Ruhestand geht, blickt er auf eine bewegte Amtszeit zurück. "Dem Einzelnen ist die Beherrschbarkeit seiner persönlichen Daten verloren gegangen", sagt der gelernte Jurist.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Traut er sich überhaupt noch, im Internet zu surfen? Hartmut Lubomierski lächelt. "Ich gebe zu, dass ich das Netz benutze", sagt Hamburgs scheidender Datenschutzbeauftragte. Auch er habe dort schon mal Urlaubsreisen oder Flüge gebucht. Aber natürlich müsse man höllisch aufpassen, ergänzt der hochgewachsene 64-Jährige. "Man sollte schon gucken, wem man etwas anvertraut." Sicher sei man nur bei namhaften Anbietern.

Vier Jahre lang hat Lubomierski sich tagtäglich mit den dubiosen Geschäftspraktiken windiger Adressenhändler befasst, die technische Entwicklung im Kommunikationssektor kritisch begleitet und Stellung gegen die zunehmend hemmungslosere Erfassung sensibler Daten durch Wirtschaft und Staat bezogen. Wenn Hamburgs oberster Datenschützer seinen Posten zum Jahresende niederlegt und in den Ruhestand geht, blickt er auf eine ebenso bewegte wie arbeitsreiche Amtszeit zurück.

Illegaler Datenhandel in Callcentern, Datenlecks bei der Telekom oder die Diskussion um das Ausspähen von Computern durch die Polizei haben mittlerweile vielen die Gefahren einer zunehmenden Vernetzung und einer technisch immer einfacheren Datenspeicherung in digitaler Form verdeutlicht. "Vor allem mit dem Internet sitzen wir in einer Technikfalle", betont Lubomierski beim Gespräch in seinem Büro im fünften Stock des Bezirksamts Mitte und zieht bei einem Blick über die Stadt eine ernüchternde Bilanz. "In der Summe muss man sagen: Dem Einzelnen ist die Beherrschbarkeit seiner persönlichen Daten verloren gegangen. Auch ich kann das Rad nicht mehr zurückdrehen."

Lubomierski hat sich den Schutz der Privatsphäre der Bürger zur Aufgabe gemacht, das merkt man. Eigentlich habe er mit Datenschutz nie viel zu tun gehabt, erzählt der gelernte Jurist und frühere Spitzenbeamte der Senatskanzlei. Aber nachdem er 2004 die Leitung der Datenschutzbehörde der Hansestadt mit ihren rund 20 Mitarbeitern und einem Jahresbudget von 1,3 Millionen Euro übernahm, habe ihn das Thema "angetörnt", erzählt er.

Dass seine Experten im vergangenen Jahr große, zuvor unbekannte Sicherheitslücken im behördeninternen Computernetz der Hansestadt entdeckten, sei einer der größten konkreten Erfolge seiner Amtszeit gewesen, erläutert Lubomierski. Auch dass Verwaltung und Unternehmen allmählich begriffen, dass ein funktionierender Datenschutz für sie ein strategischer Image- und Wettbewerbsvorteil sei, rechne er sich und der Arbeit seiner Mitarbeiter an. "Da haben wir viel bewegt."

Auf der anderen Seite müsse er feststellen, dass die Politik die Bedeutung einer stärkeren Kontrolle datenverarbeitender Unternehmen trotz der Skandale der vergangenen Monate noch nicht erkannt habe. So verfügten die Landesdatenschutzbeauftragten längst nicht über genug Personal und Kompetenzen, um Firmen gut genug zu überprüfen. In einer Wirtschaftsmetropole wie Hamburg seien nur drei Mitarbeiter für diese Aufgabe vorgesehen. Diese könnten lediglich die jährlich rund 700 Hinweise von Bürgern abarbeiten, sagt Lubomierski. Aktiv verdachtsunabhängig kontrollieren könnten sie kaum. "Ich bin froh wenn ich das schaffe, worauf die Bürger uns aufmerksam machen."

Dabei wäre eine bessere staatliche Kontrolle der Wirtschaft nach Auffassung des scheidenden Datenschutzexperten der wohl einzige Weg aus dem Dilemma einer zunehmend raffinierteren, schnelleren und vom Einzelnen nicht mehr zu durchschauenden Auswertung von Nutzerspuren. Zwar verhielten sich viele Menschen angesichts der Gefahr digitaler Datenerfassung viel zu sorglos. Aber selbst ein Bewusstseinswandel könne die weitere Verbreitung hochsensibler Informationen nicht mehr stoppen, warnt Lubomierski. Zu viele persönliche Daten kursierten bereits im Netz – oder seien digital gespeichert und könnten daher beliebig kopiert werden. "Sie haben als Normalbürger nicht mehr die Kraft, das zu beherrschen. Nein, diese Kontrolle haben sie verloren." (Sebastian Bronst, dpa) / (pmz)