KI-Forscher: Autonomes Fahren ja, Robo-Kicker nein

Ein Fußballteam wie der FC Bayern München wird in den nächsten 50 Jahren nicht von Robotern geschlagen, meint Informatikprofessor Raúl Rojas. Autonomes Fahren werde aber bis 2020 zumindest auf Autobahnen serienreif.

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Raúl Rojas, Professor für Informatik und Künstliche Intelligenz, erwartet Flatrates für öffentliche Verkehrsmittel einschließlicher autonomer Autos im Carsharing.

(Bild: Stefan Krempl / heise online)

Ein Fußballteam wie der FC Bayern München wird in den nächsten 50 Jahren nicht von Robotern geschlagen, meint Raúl Rojas, Professor für Informatik und Künstliche Intelligenz an der FU Berlin. Beim Schach könne ein Computer deutlich einfacher den Menschen überflügeln als beim Profi-Kicken, führte der Forscher auf dem Tech Open Air in Berlin aus: "Dafür muss man nur die Regeln schreiben." Der Rest sei "Brut Force", also das Durchprobieren aller Lösungsmethoden mit roher Rechnergewalt. Dieser Ansatz helfe beim Fußball aber wenig. Um dort erfolgreich zu sein, "gehört ein bisschen Schlauheit dazu".

Rojas und sein Team haben selbst mit kickenden Robotern angefangen, waren 2004 und 2005 bei RoboCups ganz vorn dabei. Um überhaupt in dieser Disziplin erfolgreich zu sein, seien Elemente wie das Sehen mithilfe von Kameras, Kommunikation, Kollaboration und Interaktion nötig, befand der Entwickler. Hier sinnvolle maschinelle Verknüpfungen herzustellen, sei "nicht so einfach".

In einem anderen Teilbereich der Roboterforschung sieht der Wissenschaftler seine Zunft rascher am Ziel. Autonomes Fahren mit Autopiloten werde zumindest im vergleichsweise übersichtlichen Verkehr auf Autobahnen bis 2020 serienreif, versicherte Rojas. Auf Straßen in Städten werde diese Art der Fortbewegung dagegen erst in 30 bis 40 Jahren üblich, was vor allem an noch nötigen Änderungen rechtlicher Regelungen läge. So müsse etwa erst geklärt werden, wer für einen Unfall mit Beteiligung eines autonomen Autos zahle.

Die großen Automobilhersteller werkeln nach Ansicht des Forschers alle hinter verschlossenen Türen an einschlägigen Konzepten. Das spüre er allein daran, dass sie "uns die Studenten aus den Händen reißen". Rojas sieht die urbane Entwicklung dahin gehen, dass ihr Bewohner eine Flatrate für alle öffentlichen Verkehrsmittel einschließlich autonomer Autos zahlen. Letztere ermöglichten ein echtes Carsharing, kämen immer passend dorthin, wo sie gebraucht würden. Insgesamt lasse sich so der Anteil von Besitzern eigener Kraftfahrzeuge in Städten um rund ein Drittel verringern. Gleichzeitig würden aber zigtausende neue Arbeitsplätze für die Wartung der Robocars geschaffen. Beim autonomen Verkehr handle es sich so um eines der wenigen Gebiete, in denen Maschinen nicht nur klassische Jobs ersetzten.

Als das größte Problem in diesem Bereich beschreibt Rojas das Erkennen menschlicher Absichten. "Menschen sind sehr kreativ, sie folgen den Verkehrsregeln nicht immer", erläuterte er. Was jemand in den nächsten zehn Sekunden mache, könne man so nur schwer Computern beibringen. Da helfe auch der Stand der Technik mit Laser-Scannern und Radar, Videokameras an allen Scheiben mit Gesichts- und Körpererkennung oder einer drahtlosen Vernetzung mit anderen Fahrzeugen oder Ampeln wenig.

Wenig hält der KI-Experte vom japanischen Ansatz, auf humanoide Roboter zu setzen und diese etwa auch zur Versorgung von Senioren oder Kranken einzusetzen: "Menschen müssen sich um Menschen kümmern." Er persönlich wolle etwa in der Klinik nicht von einer Maschine begrüßt werden.

Noch keinen Durchbruch kann Rojas beim "Internet der Dinge" erkennen. Mit seinen Studenten habe er bereits ein "Smart Home" entwickelt und dabei alle erdenklichen elektrischen Funktionen automatisiert: "Man kann aus der Ferne die Fenster schließen, die Heizung an- und ausstellen, das Gebäude mit Videokameras kontrollieren sowie Roboter zum Reinigen und Rasenmähen einsetzen." Letztlich habe sich aber herausgestellt, dass es für das anvisierte Zusammenspiel all dieser Komponenten nach wie vor keinen echten interoperablen Standard gebe.

Der versammelten Startup-Gemeinde machte er Mut, indem er die Metropole als erste echte postindustrielle Stadt bezeichnete. Da dort kaum noch etwas im großen Stil am Fließband oder in Manufakturarbeit gefertigt werde, sei Berlin nicht nur ein guter Ort für Partys und Community, sondern es erfinde sich zwangsweise neu in Dienstleistungen und profitiere dabei von innovativen Internet-Startups. Auch wenn es bei diesen oft nicht um bahnbrechende technologische Neuerungen gehe, könnten sie doch etwa Technologien wie das IBM-Superhirn Watson fürs Web nutzbar machen und so bislang kaum vorstellbare Lösungen entwickeln. Google habe schließlich auch als universitäres Datenbankprojekt angefangen.

Benjamin Metz, einer der Gründer der Entertainment-Empfehlungsmaschine Foundd, warnte parallel vor einem übertriebenen Technologie-Optimismus, wonach Roboter Menschen ersetzten oder das Humane mit dem Maschinellen verschmelze. Die Welt sei kein Labor, in dem Interaktionen vergleichsweise einfach nachgebildet werden könnten, begründete er seinen Ansatz. Anhänger des Transhumanismus oder der Singularitätsbewegung befänden sich so in einem Graubereich zwischen Wissenschaft und Fiktion, unterschätzten Komplexität und überschätzten ihr Wissen. Sozial- und viele Naturwissenschaften sagten den Menschen, dass sie begrenzte Möglichkeiten hätten. Wer diese übersteigen wolle, hänge einer mit religiösen Ideen vergleichbaren Heilslehre an.

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(jk)