Brüssel legitimiert Vorratsdatenspeicherung mit starker Nachfrage

Die EU-Kommission hat ein Papier zum "Nachweis der Erforderlichkeit der Vorratsdatenspeicherung" veröffentlicht, wonach die von Providern aufbewahrten Daten bei Ermittlern sehr begehrt sind.

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Die EU-Kommission hat ein Papier (PDF-Datei) zum "Nachweis der Erforderlichkeit der Vorratsdatenspeicherung" vorgelegt, demzufolge Ermittler in der EU jährlich über zwei Millionen Mal auf die von Providern gespeicherten Daten zugreifen. Damit kämen durchschnittlich zwei Anforderungen auf jeden Polizeibeamten in der Gemeinschaft oder elf Abfragen auf je hundert verzeichnete Straftaten.

Die Nutzungsfrequenz variiert laut dem aus dem März stammenden, aber erst jüngst veröffentlichten Bericht sehr stark zwischen einzelnen Mitgliedsstaaten. Unter anderem Frankreich, Polen und Großbritannien behaupteten, dass die Informationen für Ermittlungen fast aller krimineller Delikte benötigt würden. Generell würden zu 75 Prozent Standortdaten aus dem Mobilfunk erfragt. Rund 67 Prozent der Informationen würden binnen drei, 89 Prozent binnen sechs Monaten erhoben. Elf Prozent der Ersuche richteten sich aber auf bis zu ein Jahr alte Daten.

Je länger Nutzerspuren gespeichert blieben, desto weniger oft gerieten Strafverfolger in die Bredouille, von Anfang an "ausufernde Mengen ungezielter Informationen frühzeitig in einer Untersuchung" einzusammeln, schreibt die Kommission in ihrer Rechtfertigung der Richtlinie von 2006. Diese steht derzeit auf dem Prüfstand des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Dabei geht es vor allem um die Frage, ob die Vorgaben mit den Grundrechten der EU-Bürger vereinbar sind.

Wie vor zwei Jahren im Bericht zur Evaluierung der Richtlinie kann Brüssel nach wie vor auf Basis der Eingaben aus 23 EU-Ländern keine belastbaren Zahlen präsentieren, inwieweit die Vorratsdatenspeicherung beim Aufklären von Straftaten hilft. "Wenige Jahre" nach Inkrafttreten der Bestimmungen sei noch nicht mit stichhaltigen statistischen Trends zu rechnen. Aufklärungsraten hingen zudem von "mehreren soziökonomischen Faktoren" ab und könnten nicht einer spezifischen Sicherheitsmaßnahme zugeschrieben werden.

Die Kommission kritisiert "gewisse zivilgesellschaftliche Organisationen", die anhand ausgewählter Verbrechensstatistiken "negative Schlussfolgerungen zum Wert der Vorratsdatenspeicherung" gezogen hätten. Sie stellt diesen verschiedene Einzelfälle entgegen, in denen die Nutzerspuren bei allen erdenklichen Kriminalitätsformen von Terrorismus über Kinderpornographie bis hin zu weniger schweren Delikten Ermittlern bei der Aufklärung geholfen hätten.

Andererseits unterstreicht Brüssel, dass in Mitgliedsstaaten ohne Vorratsdatenspeicherung wie in Deutschland Strafverfolger häufig in Ermittlungen nicht weiterkämen. Sie zitiert dabei Hinweise des Bundeskriminalamts und von Landeskriminalämtern, wonach dies in 44,5 Prozent der Fälle, in denen Nutzerspuren abgefragt worden seien, vorgekommen sei. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung hätte die Fahndung in 30 Prozent aller Kriminalfälle eingestellt werden müssen. (vbr)