Gamescom: Erste Eindrücke von der Xbox One

Microsofts Konsole kann ebenfalls grafisch ihre Muskeln spielen lassen. Auf der Gamescom erläuterten die Redmonder weitere Details zur Hardware und zum Bedienkonzept.

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Weder vom PR-Desaster bei der ersten Vorstellung noch von der theoretisch geringeren Rechenleistung gegenüber der Playstation 4 ließ sich Microsoft beeindrucken und demonstrierte auf der Gamescom in Köln die wichtigsten der 20 Launch-Titel der Xbox One. Neue Details wurden auch zum Bedienkonzept, der Video-Funktion und dem Kopierschutz bekannt. Hier unsere ersten Eindrücke:

Auf der rechten Oberseite befinden sich die Lüftungsschlitze der Xbox One, die unbedingt frei bleiben sollten.

Die Konsole: Schlicht, schwarz und groß erinnert ihr Äußeres an alte Settop-Boxen oder VHS-Rekorder – Retro-Schick ist ja gerade in.
Die Konsole soll leisere Lüftungsgeräusche produzieren als die neuesten Xbox-360-Modelle. Im allgemeinen Messetrubel war bei ruhendem Hauptmenü tatsächlich kein Lüftchen zu hören – das wird man aber genauer nachmessen müssen. Das Netzteil ist noch immer extern. Da auf der Oberseite der Xbox One Lüftungsschlitze angebracht sind, sollte man dort keine weiteren Geräte platzieren und sie auch nicht in zu enge Regale quetschen, sonst würgt man die Luftzirkulation ab.

Ohne wirds kompliziert: Die Kinect-Kamera ist integraler Bestandteil der Xbox One. Infrarotlämpchen senden Signale zur TV-Steuerung.

Die Kinect-Kamera: Ist auch ein ziemlicher Klotz.
Sie registriert bis zu sechs Personen und nimmt Sprachbefehle entgegen. In der Demonstration mussten Microsoft-Mitarbeiter ihre Befehle jedoch bis zu viermal wiederholen, bevor die Xbox sie richtig verstand. "Das liegt an den Umgebungsgeräuschen", erklärte der Mitarbeiter. Allerdings waren die nicht übermäßig laut und sollten zudem eigentlich von dem Mikrofon-Array komplett ausgefiltert werden. Hier hat Microsoft also noch zu tun.

Generell soll die Xbox One auch ohne Kamera funktionieren. Allerdings kann die Bedienung dann umständlich werden. Das Bedienkonzept ist auf Sprachbefehle ausgelegt. Fehlen diese, muss man in den Menüs ziemlich viele Knöpfchen drücken, um beispielsweise eine Videoaufzeichnung der Spielszene anzustoßen. Zudem dient die Kinect als Infrarot-Sender zur Steuerung der übrigen Fernseh- und AV-Anlage. Die für die Tiefenerkennung nötige Infrarot-Lampe sendet die Fernbedienungs-Impulse hell genug aus, dass die von Wänden reflektierten Kommandos über Bande an den Fernseher gelangen.

Keine Radikalkur wie bei der PS4, aber sinnvolle Detailverbesserungen zeichnen den neuen Xbox-Controller aus.

Der Controller: Wurde nicht so stark verändert wie etwa das Gamepad der PS4.
Doch die Details stimmen: Er liegt besser in der Hand und alle Sticks, Hebel und Knöpfe wirken präziser als noch beim Xbox-360-Controller.

Die Datensicherheit: Sollen die Nutzer laut Microsoft kontrollieren.
Sie können einzelne Funktionen der Kinect oder die gesamte Kamera abschalten. Biometrische Daten würden nur lokal auf der Xbox One gespeichert, vor jeder Übertragung persönlicher Daten frage die Konsole den Nutzer um Erlaubnis.

Das soziale Netzwerk: Wurde wesentlich aufgebohrt.
Jedem Spieler billigt die Konsole nun bis zu 1000 Freunde zu. Ganz nach Facebook-Art kann man anderen Spielern folgen und von ihnen verfolgt werden. Automatisch schneidet die Konsole laufende Spielszenen mit und puffert immer die letzten 30 Sekunden. Diese kurzen Clips (oder auf Wunsch auch längere) kann man mit anderen teilen. Allerdings lassen sie sich nicht als Let's Plays auf Youtube oder andere Internet-Portale hochladen, sondern nur innerhalb des Xbox-Live-Netzwerkes, wo sie von anderen Xbox-Spielern gesehen werden. Man kann die Szenen auch nicht auf andere Speicher oder Rechner kopieren (externe Festplatten sollen zudem erst später von der Xbox One zur Auslagerung von Spieldaten unterstützt werden). Wer Let's Plays produzieren will, muss weiterhin den Bildschirm abfilmen oder das Videosignal abgreifen.

Der Kopierschutz: Funktioniert mit Discs wie man es gewohnt ist.
Zwar müssen die Disc-Spiele komplett auf die Festplatte kopiert werden, zur Kopierschutzabfrage muss die Disc jedoch bei jedem Start im Laufwerk stecken. Bei Spielen, die als Download auf der 500-GByte-Festplatte installiert werden, ist Microsoft freizügiger: Diese darf man auch bei Freunden starten, wenn man sich bei ihnen mit seinem Konto anmeldet, gleichzeitig darf der Rest der Familie zuhause auf der heimischen Xbox One an dem gleichen Spiel weiterspielen.

Ryse zeigt, was die Xbox One grafisch auf dem Kasten hat. Im Multiplayermodus gehts in die Gladiatoren-Arena.

(Bild: Crytek)

Den System-Seller konnten wir aus dem Launch-Lineup von 20 Spielen noch nicht eindeutig ausmachen.
Es gibt aber drei mögliche Kandidaten: Ryse – Son of Rome ist sicherlich der hübscheste Launch-Titel, da lässt sich Crytek nicht lumpen. Schließlich hat das deutsche Studio einen Ruf zu verlieren. Die Römerschlachten setzt Crytek mit detailreichen Kriegern, wippenden Grashalmen und hübschen Licht- und Shader-Effekten in Szene. Da wird bei Xbox-One-Spielern kein Neid gegenüber der PS4 aufkommen, obwohl letztere auf dem Papier schneller sein soll. Die Grafik kann mit der wesentlich kostspieligerer PCs mithalten. Crytek rendert das Spiel in Full HD, peilt im Unterschied zu Guerillas "Killzone: Shadow Fall" jedoch eine Framerate von nur 30 fps an, um genügend Zeit zum Berechnen der hübschen Effekte zu haben.

Von seiner Spielanlage ist Ryse ein linear verlaufendes Action-Adventure mit vielen Schwertkampfszenen. Crytek verlässt hier sein vertrautes Shooter-Genre und begibt sich auf ein Terrain, das bisher von Serien wie "Devil May Cry", "God of War" oder "Ninja Gaiden" beherrscht wurde. An Monstern statt werden in Ryse antike Römer abgeschlachtet. Wie gut das gelingt, lässt sich anhand der kurzen Demos schwer abschätzen. Da muss man auf erste Tests des fertigen Spiels warten. Crytek will den Launch-Titel Ryse laut seiner Broschüre im November veröffentlichen, was einen dezenten Hinweis auf den geplanten Start-Termin der Xbox One gibt.

Zombies gehen immer: Dead Rising 3 lässt gleich hunderte gleichzeitig auf den Spieler los.

(Bild: Capcom)

Ein ähnliches Genre für eine ähnliche Zielgruppe deckt der zweite Exklusivtitel "Dead Rising 3" ab. Statt Römern werden hier allerdings Zombies auseinandergenommen .Das Spiel setzt zudem auch nicht auf einen linearen Verlauf mit cinematischen Sequenzen, sondern auf ein riesiges Areal, in dem sich der Spieler frei bewegen und Missionen ohne permanenten Zeitdruck erledigen kann. Den derben schwarzen Humor hat Capcom gegenüber den Vorgängern zurückgeschraubt, zugunsten eines düsteren, ernsthafteren Horror-Szenarios.

Forza 5 setzt auf akribisch simulierte Fahrzeug-Modelle und verbesserte KI. Ob die Detailverliebtheit auch den Spielspaß fördert, werden erste Tests zeigen.

Dritter im Bunde ist schließlich "Forza Motorsport 5", das die Tradition der simulationslastigen Rennserie fortsetzt. Die Entwickler von Turn 10 haben einen ähnlichen Fetisch für schnelle Autos wie Gran-Turismo-Papst Kazunori Yamauchi. Jedes Detail der edlen Karossen wurde akribisch nachgebaut. Das ging bis zur Simulation der Radaufhängung und dem Abrieb-Verhalten verschiedener Autoreifen. Während der Fahrt verschmutzen die Karossen nun leicht und nehmen Tröpfen und Dreckspritzer auf. Sonst herrscht immer Sonnenschein, Regen-, Schnee- oder Nachtfahrten sind nicht möglich. Grafisch sieht Forza 5 besser aus als seine Vorgänger, bricht aber Abseits der Autodetails auch keine Grafikrekorde. Immerhin soll es bei einer Full-HD-Auflösung mit 60 fps überaus flüssig laufen.

Die Solokampagne soll Spieler weniger gängeln als bisher. Statt sich die ersten Sporen in einem VW Polo zu verdienen, kann man nun gleich in richtige Renner einsteigen und 42 Karriere-Wettbewerbe auf einer noch unbekannten Anzahl von Strecken absolvieren. Die KI soll vom Fahrverhalten anderer Online-Spieler lernen, deren Fahrdaten Microsoft in seinen Cloud-Servern auswertet. Schneiden Spieler bestimmte Kurven oder täuschen Überholmanöver an, so soll auch die KI diese Techniken anwenden. Fans werden diese Details und Verbesserungen erfreuen, grundsätzlich behält die Rennserie ihren Charakter aber bei.

Auch an die Kleinen wird gedacht: Der Zoo Tycoon lädt im Elefantengehege zur Fütterung ein.

(Bild: Microsoft)

Die größte Überraschung: Im Spiele-Aufgebot ist sicherlich die Wiederbelebung der Aufbau-Simulation "Zoo Tycoon"
Sie richtet sich – ähnlich wie Knack auf der PS4 – an "den Rest der Familie". Sie soll allerdings nicht nur für die Xbox One, sondern auch für den Vorgänger Xbox 360 erscheinen. Grafisch hat sich Microsoft hier richtig ins Zeug gelegt. Der Spieler muss einen Zoo verwalten und Gehege für rund hundert Tierarten aufbauen. Will er die putzigen Elefanten-Babys oder Giraffen füttern, kann er von der Draufsicht in eine Ego-Perspektive zoomen und ihnen Äpfel reichen. Die Tiere sind ähnlich niedlich wie in Kinectimals und dürften daher vor allem die ganz jungen Xbox-Spieler ansprechen.

Die Qual der Wahl: Zwischen der Xbox One und der PS4 sollte man nicht von theoretischen Unterschieden in der grafischen Leitungsfähigkeit abhängig machen.
Sie spielen in der Praxis schlichtweg keine Rolle. Viel entscheidender ist die Frage, ob man mit seinem Fernseher sprechen und ihm zuwinken möchte oder nicht. Theoretisch lässt sich die Xbox One auch ohne Kinect betreiben, aber Microsoft geht selbst davon aus, das Nutzern allein die Möglichkeit genügt, die Kamera abschalten zu können, sie aber in der Praxis keinen Gebrauch davon machen werden. Dazu ist das gesamte Bedienkonzept zu stark auf Kinect abgestimmt.

Den Ausschlag für das eine oder andere System geben neben dem Preis (Microsoft verlangt 500 Euro für die Xbox One, Sony für die PS4 hingegen 400 Euro) letztlich die Spiele. Genauer: Die Eigenproduktionen der Konsolen-Hersteller, denn die übrigen Publisher werden mit ihren Titeln beide Geräte gleichermaßen bedienen. Sony hat zu Weihnachten mit Killzone einen tollen Ego-Shooter, ein Jump&Run und ein Arcade-Rennspiel im Programm. Microsoft liefert die ersten Xboxen mit "Fifa 14" zum Download aus, setzt auf Zombie-Horror und Schwertkämpfe, virtuellen Streichelzoo sowie gediegenen Rennsport.

Vielleicht lacht am Ende aber auch ein Dritter, der eine ganz andere Linie fährt: Nintendo. Auf der Gamescom zeigten die Japaner endlich genügend Spiele, mit der sie die Wii U aus ihrer Starre aufwecken können. Mario, Zelda und Donkey Kong sollen das Weihnachtsgeschäft beleben. Diese Ikonen haben noch immer zurecht ihre Fans und sahen in der neuen HD-Grafik bestechend gut aus, ebenso wie Mario Kart 8 und Bayonetta 2, die aber erst 2014 kommen. Letztlich können Spieler also ganz nach ihrem Geschmack wählen. Und diese erweiterte Auswahl an Spielen, die noch dazu um viele neue Indie-Titeln bereichert wird, ist wohl die größte Verbesserung der kommenden Konsolengeneration. (hag)