Juristen im Dickicht der Anti-Terror-Gesetze

Die Experten der Regierungskommission zur Sicherheitsarchitektur versuchen in ihrem Prüfbericht mehr oder weniger erfolgreich, der Struktur präventivpolizeilicher, strafrechtlicher und geheimdienstlicher Terrorismusbekämpfung auf die Spur zu kommen.

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Die Experten der Regierungskommission zur Sicherheitsarchitektur in Deutschland versuchen in ihrem am Mittwoch veröffentlichten Prüfbericht mehr oder weniger erfolgreich, der Struktur präventivpolizeilicher, strafrechtlicher und geheimdienstlicher Terrorismusbekämpfung auf die Spur zu kommen. Auch auf 300 Seiten können sie ihr Arbeitsfeld aber nur umreißen, gemeinsame Empfehlungen haben Seltenheitswert. Einig sind sich die sechs Juristen letztlich fast nur, dass die Anti-Terror-Gesetze in der kommenden Legislaturperiode unverzüglich umfangreich evaluiert werden sollten.

v.l.n.r.: Kaller, Wolff, Harms, Friedrich, Leutheusser-Schnarrenberger, Giesler, Bäcker, Hirsch

(Bild: BMI )

Die Unentschlossenheit am Ende ist der Anlage der Kommission geschuldet, es handelt sich um einen bewusst in Kauf genommenen "Geburtsfehler". Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und seine Kollegin im Justizressort, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), hatten beide je drei Fachleute ins Rennen geschickt. Entlang dieser Linie verläuft meist auch die Front im Fazit der Kommission, das beiden Regierungsmitgliedern wiederum Raum für unterschiedliche eigene Schlussfolgerungen gibt.

Vor allem die Ansichten und Forderungen des früheren Bundestagsvizepräsidenten Burkhard Hirsch und des ebenfalls von der Justizministerin ernannten Staatsrechtlers Matthias Bäcker stehen immer wieder denen von Ex-Generalbundesanwältin Monika Harms und Ministerialdirektor Stefan Kaller entgegen, die Friedrich eingebracht brachte. Der ebenfalls vom Innenminister ernannte Rechtsprofessor Heinrich Amadeus Wolff schlägt sich dagegen öfters ins "gegnerische" Lager, während sich Leutheusser-Schnarrenbergers Ministerialdirektor Volkmar Giesler teils enthält.

Charakteristisch für das Ringen im Spannungsfeld von Freiheit und Sicherheit ist die Einschätzung der 2008 geschaffenen "präventivpolizeilichen Aufgaben" des Bundeskriminalamts (BKA), mit denen eine Vielzahl verdeckter Ermittlungsmethoden wie heimlicher Online-Durchsuchungen, das Abhören der Telekommunikation oder der große Lauschangriff zur Wohnraumüberwachung einhergeht. Bäcker, Hirsch und Wolff monieren hier, dass das BKA die meisten dieser Instrumente bereits "im Vorfeld der hergebrachten polizeirechtlichen Eingriffsschwelle einer konkreten Gefahr einsetzen" dürfe. Dabei sei es fraglich, ob die "teils missverständlich formulierten" Tatbestände derlei Bespitzelungstätigkeiten "tatsächlich wirksame Grenzen setzen". Wegen dieser Unklarheiten seien die Kompetenzen verfassungsrechtlich problematisch und müssten dringend überprüft werden.

Nach Auffassung von Harms und Kaller greift diese Schilderung dagegen zu kurz. Typische "Vorfeldbefugnisse" wie zur Videoüberwachung öffentlicher Plätze enthalte das geänderte BKA-Gesetz gerade nicht; die Tatbestände blieben trotz der "vorverlegten Eingriffsschwelle" in der "Systematik des Gefahrenabwehrrechts". Auch die Ansicht, dass durch "die flächendeckende Vorfeldkriminalisierung im Terrorismusstrafrecht" eine gefährliche Gemengelage etwa zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft entstehe, mögen die beiden Sachverständigen des Innenministers nicht teilen.

Die Meinungsverschiedenheiten ziehen sich fort über den Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung über die Beurteilung der Reformbedürftigkeit und Rechtmäßigkeit von Anti-Terror-Zentren bis hin zu gemeinsamen Datenbanken und "Projektdateien". Bei letzteren drängt die Kommission zumindest unisono darauf, den Bundestag über die Anzahl von Sammlungen personenbezogener Informationen zu unterrichten und eine Kontrolle des Bundesdatenschutzbeauftragten zu ermöglichen.

Hirsch resümiert in einer persönlichen Abschlusserklärung, dass das Gremium angesichts des knappen vorgegebenen Zeitrahmens von wenigen Monaten sein Pensum "nur zum Teil bewältigen konnte". Es habe die Lage nicht im Hinblick auf belastbare Tatsachen über die Auswirkungen des PRISM-Skandals einschätzen und auch die frühere Entwicklung der "sogenannten Sicherheitsarchitektur" etwa seit RAF-Zeiten nicht erörtern können. Insgesamt sei die Vielzahl der Gesetze von Bund und Ländern kaum zu überblicken. Für den Altliberalen sind etwa mit der wachsenden Überschneidung von Befugnissen bei Polizei und Nachrichtendiensten "Grenzen erreicht". Es bleibe eine ständige Aufgabe, sich über den Unterschied zwischen dem Schutz der Freiheit und der Überwachung der Bürger zu verständigen. (anw)