Telecom-Paket der EU-Kommission sieht umfangreiche Änderungen in der Regulierung vor

Heute stellt Viviane Reding ein Maßnahmenpaket vor, mit dem unter anderem Divergenzen zwischen nationalen Regulierungen bereinigt werden sollen.

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Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti

Die EU-Kommission hat wie angekündigt umfangreiche neue Vorgaben für den Telekommunikationssektor erarbeitet. Mit dem Maßnahmenpaket, das die für Informationsgesellschaft und Medien zuständige Kommissarin Viviane Reding heute der Öffentlichkeit vorstellen will, sollen Divergenzen zwischen den nationalen Regulierungsansätzen bereinigt, der Weg zu einem einheitlichen europäischen Markt geebnet und der Wettbewerb gestärkt werden. Das Europäische Parlament wird sich in den nächsten Wochen und Monaten vor allem im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie ausgiebig mit den Kommissionsvorschlägen beschäftigen.

Das Telecom-Paket, das heise online vorliegt, enthält unter anderem Vorschläge für zwei neue Richtlinien. Die "Bessere Regulierung"-Richtlinie ergänzt die bisherigen Richtlinien zur Regulierung des Telecom-Markts, die "Bürgerrechts-Richtlinie" erweitert die bestehenden Richtlinien zum Universaldienst, zu den Nutzerrechten, der Datenverarbeitung und zum Datenschutz. Weiter enthält es eine Kommissionsempfehlung zu wichtigen Märkten, einen Bericht zur Überprüfung der EU-Regulierung, eine Zusammenfassung der 2007 erarbeiteten Reformvorschläge sowie eine Mitteilung darüber, wie die Früchte der digitalen Dividende geerntet werden können. Damit sind die durch den Umstieg von analog auf digital frei werdenden Frequenzen gemeint.

Bislang wurde die Diskussion über das Telecom-Paket vor allem von dem Vorschlag dominiert, eine neue europäische Regulierungsbehörde namens European Electronic Communications Market Authority (EECMA) zu gründen. Ihre Aufgabe soll darin bestehen, die Telekommunikationsnetze und -dienste voneinander zu trennen. Dieser Plan der Kommission ist umstritten, weil die nationalen Regulierer befürchten, entmachtet zu werden. In einem Brief an Reding sprechen sie sich zwar für eine engere Zusammenarbeit mit der Kommission aus. Wie Matthias Kurth, Präsident der Bundesnetzagentur gestern erklärte, sehen die nationalen Regulierer allerdings "weder die Notwendigkeit für eine neue Behörde noch für ein Vetorecht der Kommission bei Regulierungsverfügungen". Die einzelnen Telekommunikationsmärkte seien zu unterschiedlich für eine einheitliche europäische Regulierung.

Die Richtlinie "Bessere Regulierung" sieht vor, die Vorabregulierung (ex ante) dort zurückzufahren, wo es die Marktentwicklung ermöglicht. So sollen nicht mehr wie bisher 18 Märkte, sondern nur noch sieben Märkte unter die Ex-Ante-Regulierung fallen. Die nationalen Regulierer sollen die Kommission nicht mehr über die Ergebnisse der einzelnen Marktanalysen unterrichten. Künftig soll das Verfahren zur Marktüberprüfung mit "on demand"-Benachrichtigungen für definierte Schlüsselmärkte vereinfacht werden. Um Wettbewerbsprobleme zu lösen, dürfen nationale Regulierer die Trennung von Aktivitäten verlangen, ohne dass Unternehmen dafür Anlagevermögen entflechten müssen. Zudem sollen innerhalb der EU Regeln konsistenter umgesetzt werden, um einen Binnenmarkt für elektronische Kommunikation zu ermöglichen.

Die Richtlinie sieht außerdem eine Stärkung der Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden vor. So sollen Standards für die Entlassung des Behördenleiters eingeführt werden, um den Einfluss öffentlicher Einrichtungen in einigen Mitgliedsstaaten auf die Politik der Regulierungsbehörden zu begrenzen. Außerdem sollen die Behörden über unabhängige Haushalte verfügen können. Im Gegenzug verlangt die Kommission für sich stärkere Kontrollbefugnisse, die über die europäische Regulierungsbehörde EECMA ausgeübt werden sollen.

Die Kommission beschäftigt sich in einer Evaluierung auch mit der künftigen Rolle der europäischen Sicherheitsagentur ENISA. Sie verfügt über einen Haushalt von 8 Millionen Euro und 50 Mitarbeiter. Die derzeitige ENISA-Regulierung führe dazu, dass die Agentur nur unzureichend ausgestattet sei und den künftigen Herausforderungen nicht angemessen begegnen könne. Die Kommission schlägt daher vor, die ENISA künftig unter dem Dach der EECMA anzusiedeln.

Die EECMA soll dem europäischen Parlament rechenschaftspflichtig sein. Sie soll über 134 ständige Mitarbeiter sowie einen jährlichen Haushalt von 20 Millionen Euro im ersten Jahr und über 27 Millionen Euro ab dem dritten Jahr verfügen. Deutschland, die Niederlande, Ungarn und Polen sollen bereits Interesse signalisiert haben, die neue Europäische Regulierungsbehörde bei sich anzusiedeln.

Brisant sind auch die geplanten Regeln für das Frequenzspektrum-Management. So soll der Zugang für Betreiber erleichtert und die Frequenzbänder marktorientierter belegt werden. Künftig soll es keine Rolle spielen, welche Technik für eine bestimmte Bandbreite benutzt wird – umgekehrt soll jeder elektronische Kommunikationsdienst jede Frequenz nutzen dürfen. Außerdem soll mehr als bisher der unlizenzierte Gebrauch von Frequenzen möglich sein. Exklusive Nutzungsrechte sollen in vereinbarte Frequenzbereiche transferiert werden. Für Unternehmen, die ihre Dienste europaweit anbieten wollen, sollen die Vergaberegeln effizienter gestaltet werden. Bislang müssen diese sich nämlich jeweils mit den nationalen Regulierungsbehörden und Vergaberegeln auseinander setzen. Vor allem für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die bislang von den für sie reservierten Frequenzen profitieren, dürfte dieser Vorschlag problematisch werden – entsprechende Sorgen wurden bereits von der deutschen Politik adressiert.

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(Christiane Schulzki-Haddouti) / (anw)