Urhebervertretungen gegen Filesharing-Kulturflatrate

Große deutsche Verwertungsgesellschaften sahen bei einer Debatte über ihre künftige Ausrichtung die vielfach geforderte Schaffung einer Pauschalvergütung für Privatkopien aus Tauschbörsen als "Kapitulation" vor dem Internet an.

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Große deutsche Verwertungsgesellschaften stemmen sich gegen die vielfach geforderte Schaffung einer so genannten Kulturflatrate für die pauschale Vergütung von Privatkopien aus Tauschbörsen. "Das wäre eine Kapitulation vor den Herausforderungen des Internet und der weit verbreiteten Piraterie", erklärte Peter Zombik, Geschäftsführer der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL) am heutigen Dienstag in Berlin. Auch der Gesetzgeber würde sich damit gleichsam von Urheberrechtsverletzern in Peer-to-Peer-Netzen (P2P) geschlagen geben. Zuvor hatte der weitere Geschäftsführer der im Musiksektor aktiven GVL, Tilo Gerlach, dem Ansatz zur vollen Legalisierung von Filesharing zumindest einen gewissen "Charme" nicht absprechen wollen. Käme es damit doch zumindest dazu, dass durch den "Hilfeschrei angesichts der intensiven Nutzungen" geschützter Werke im Netz "überhaupt etwas gezahlt wird".

Bei dem Pressegespräch, zu dem der Deutsche Kulturrat für die Vorstellung eines 32-seitigen Dossiers (PDF-Datei) seiner Zeitung "Politik und Kultur" (puk) über die Zukunft der Verwertungsgesellschaften in die Akademie der Künste geladen hatte, stieß die Kulturflatrate insgesamt auf wenig Gegenliebe. Man müsse umgekehrt darauf hinweisen, "dass die IT-Technik uns in die Lage setzt, in die individuelle Registrierung der einzelnen Werke überzugehen", konstatierte Ferdinand Melichar, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der VG Wort. Man werde zwar auch künftig nicht registrieren können, wer was wie oft privat kopiert habe. Trends zur Nutzung einzelner Werke könnten im digitalen Bereich aber genauer festgestellt werden.

Für Harald Heker, den Vorstandsvorsitzenden der Musikverwertungsgesellschaft GEMA, würde mit einer Content-Flatrate gar "der Anreiz für künstlerisches Schaffen auf den Nullpunkt gebracht". Auf dem Urheberrechtsgipfel der weltweiten Dachgesellschaft von Verwertungsgesellschaften, der CISAC, hatte es im Frühjahr dagegen viel Zustimmung für eine P2P-Generallizenz gegeben.

Auch ohne eine Kulturflatrate sehen die wichtigsten deutschen Urheberrechtsvertretungen ihre Zukunft trotz einfacherer Möglichkeiten von Künstlern zur Eigenvermarktung über digitale Plattformen rosig. "Gerade im Zeitalter des Internet spielen wir eine unverzichtbare Rolle", betonte Heker. Als Grund führte er an, dass die Nutzungsformen "vielfältig und kleinteilig" geworden seien. Beispiel sei die in der vergangenen Woche erfolgte Einigung auf eine Lizenz für YouTube zum Start des deutschen Portals der Videocommunity-Plattform. Dabei habe man sich zwar auch um eine Pauschalsumme und gegen eine sekundengenaue Abrechnung verständigt. Die GEMA sei aber trotzdem in der Lage, die Lizenzeinnahme wie üblich "ziemlich genau auf die Künstler individuell zu verteilen".

Generell versuchen die Verwertungsgesellschaften den Ansatz einer Solidargemeinschaft mit der Verpflichtung zur Förderung der sozialen und kulturellen Vielfalt mit einer möglichst genauen Umverteilung der Einnahmen in Einklang zu bringen. "Solidarität heißt natürlich nicht, dass mit der großen Gießkanne an alle ausgeschüttet wird", erläuterte Gerhard Pfennig, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der VG Bild-Kunst. Man sei bemüht, die Anteilsauszahlungen differenziert nach Leistungsrechten vorzunehmen.

Neue Ansätze zur Eigenvermarktung mithilfe der umstrittenen Systeme zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) oder über "Creative Commons"-Lizenzen, bei denen der Kreative seine Urheberrechte im Interesse einer möglichst breiten Nutzung seiner Werke freiwillig einschränkt, beäugte Pfennig dagegen skeptisch. Das "Phänomen Creative Commons" klinge auf dem Papier zwar nutzerfreundlich, aber die entsprechenden Lizenzen und noch vorbehaltenen Rechte seien damit gerade international kaum mehr durchsetzbar. Der Rechteinhaber könne weder wirklich kontrollieren, was mit seinen Werken passiere, noch einen erkannten Missbrauch ernsthaft verfolgen. Verwertungsgesellschaften könnten dagegen notfalls leichter Prozesse führen und Vergütungszahlungen etwa auch in "Japan oder den USA" durchsetzen.

Nicht mehr als Schreckgespenst taugt für die Urhebervertretungen zudem die gut zwei Jahre alte Empfehlung der EU-Kommission zur Vergabe von Rechten für den Online-Musikmarkt. Die Brüsseler Behörde wollte damit territoriale Beschränkungen und den Kundenkreis eingrenzende Bestimmungen in bestehenden Lizenzverträgen mit Verwertungsgesellschaften aufheben und den Wettbewerb ankurbeln. Eine Konkurrenz der Urhebervertretungen untereinander finde in Europa "faktisch nicht statt", sagte Pfennig. Jeder potenzielle Lizenznehmer könne zwar gemäß dem Wunsch der Kommission inzwischen theoretisch bei jeder europäischen Verwertungsgesellschaft Rechte zum fast gleichen Preis erwerben. "Das ist den Leuten aber schon aus Sprachgründen zu umständlich." Zudem seien die Verwaltungskosten der deutschen Gesellschaften "am niedrigsten in Europa", sodass wenig Anreiz zum Abwandern bestehe.

"Wir wollen nicht, dass Urheberrechte billiger abgegeben werden", ergänzte Heker. Deswegen würden sich alle Verwertungsgesellschaften gegen eine solche Preisspirale nach unten aussprechen: "Das wäre das Ende einer effektiven Wahrnehmung von Urheberrechten." Im Prinzip würden letztlich auch die nationalen Schwestergesellschaften vor Ort bei einer paneuropäischen Lizenz, wie sie das Label EMI der GEMA gemeinsam mit der englischen Gesellschaft MCPS-PRS für den Online-Bereich anvertraut habe, weiter mit einbezogen. Diese würden dann zwar nicht mehr direkt als Rechtegeber fungieren, Abwicklungs- und Verwaltungsaufgaben aber trotzdem weiter erfüllen. "Wir stehen im Wettbewerb, aber nicht um die Lizenzhöhe, sondern um eine Dienstleistung, etwa beim Webcasting", merkte Zombik für die GVL an. Die Nutzer könnten sich dort europaweit für die günstigste Lizenz entscheiden; die einzelnen Gesellschaften würden hier ihre Kosten transparent machen. Die meisten deutschen Webcaster würden sich aber weiter schlicht an eine deutsche Urhebervertretung wenden. (Stefan Krempl) / (jk)