Thüringer Polizei erhält Lizenz zum Staatstrojaner-Einsatz

Mit der Mehrheit der großen Koalition hat der Landtag in Erfurt ein neues Polizeigesetz mit Befugnissen etwa zur Quellen-Telekommunikationsüberwachung und zur Bestandsdatenauskunft verabschiedet.

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Der thüringische Landtag hat Ende vergangener Woche mit den Stimmen der großen Koalition ein neues Polizeigesetz verabschiedet. Es erlaubt erstmals "Eingriffe in informationstechnische Systeme" mithilfe von Staatstrojanern zur umstrittenen Quellen-Telekommunikationsüberwachung. Damit soll es Ermittlern möglich werden, Internet-Telefonate vor einer Ver- beziehungsweise nach einer Entschlüsselung direkt auf einem Rechner abzuhören. Ebenso wie weitere Kompetenzen etwa zur "Datenerhebung mit besonderen Mitteln", zum großen Lauschangriff oder zur Rasterfahndung darf der Staatstrojaner nur zur Abwehr konkreter Gefahren für "herausragende Rechtsgüter" wie die Sicherheit des Staates oder für Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person eingesetzt werden.

Die Initiative (PDF-Datei) erlaubt es der Polizei auch, zur Strafverfolgung oder zur Gefahrenabwehr in bestimmten Fällen unter anderem Nutzerinformationen hinter IP-Adressen oder Passwörter abzufragen. Eine Richtergenehmigung müssen die Ermittler für eine solche Bestandsdatenauskunft nicht einholen. Das Instrument regelt allgemein, unter welchen Bedingungen Strafverfolger personenbezogene Daten über Anschlussinhaber wie Name oder Anschrift manuell bei Telekommunikationsanbietern einholen dürfen. Der Bund und andere Länder haben im Lauf des Jahres bereits vergleichbare, häufig aber mit höherem Rechtsschutz versehene Neuregelungen erlassen.

Die Thüringer Ordnungshüter dürfen zudem künftig mit IMSI-Catchern Standorte von Mobiltelefonen ermitteln und Funkverbindungen unter bestimmten Umständen unterbrechen. Erforderlich gemacht hat die Reform des "Polizeiaufgabengesetzes" ein Urteil (PDF-Datei) des Thüringer Verfassungsgerichtshofs vom November, das die bisherigen Bestimmungen teils für verfassungswidrig erklärt hat. Dabei ging es vor allem um den Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung von Vertrauensverhältnissen sogenannter Berufsgeheimnisträger wie Ärzten, Abgeordneter, Priester oder Strafverteidiger.

Nach Ansicht des thüringischen Innenministers Jörg Geibert (CDU) werden die entsprechenden Vorkehrungen mit der Novelle "wesentlich präziser gefasst und ausgeweitet". Bereits die Anordnung einer Überwachung muss unterbleiben, wenn absehbar ist, dass der Kernbereich betroffen wird. Maßnahmen gegen Berufsgeheimnisträger sind nur dann zulässig, wenn diese selbst für die Gefahr verantwortlich sind. Der SPD-Abgeordnete Heiko Gentzel begrüßte vor allem, dass die neuen Regeln "in einem überschaubaren Zeitraum auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden".

Innenexperten der Opposition, die gegen das Vorhaben gestimmt hat, halten die Korrekturen aber für unzureichend und in Teilen erneut für verfassungswidrig. Der Gesetzentwurf sei "handwerklich schlecht" gemacht, moniert die Linksfraktion. Generell werde der Polizei ein ganzer Kompetenzkatalog übertragen, der weder notwendig noch begründet sei. Es könne ohne vorliegenden Straftatsverdacht in Grundrechte eingegriffen werden. Die Fraktion der Grünen warnte vor einer Vermischung der Befugnisse von Polizei und Geheimdiensten. Der Schutz von Berufsgeheimnissen könne gleich mehrfach gebrochen werden. (axk)