EU-Kommission überprüft geplante Strafvorschriften gegen Urheberrechtsverletzer

Erst auf Druck des EU-Rates hat die Brüsseler Behörde nachträglich eine Studie über die Notwendigkeit der umkämpften Richtlinie über strafrechtliche Maßnahmen zur Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte in Auftrag gegeben.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 60 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Das Gesetzgebungsverfahren zu der geplanten EU-Richtlinie über strafrechtliche Maßnahmen zur Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte (IPRED2) wird immer vertrackter. So hat die federführende EU-Kommission nun bekannt gegeben, dass sie erst auf Druck des EU-Rates nachträglich eine Studie über die Notwendigkeit der heftig umkämpften Strafvorschriften durchführe. Ein entsprechender Fragenkatalog sei Ende September 2007 an die Mitgliedsstaaten versandt worden, um den Stand der Gesetzeslage auszukundschaften, heißt es in einer jetzt veröffentlichten Antwort der Brüsseler Behörde auf eine Frage von Nicolas Zingaretti, dem im EU-Parlament für die Direktive zuständigen Berichterstatter. Wann Ergebnisse vorliegen, kann die Kommission noch nicht sagen.

Das Vorgehen ist ungewöhnlich, da die Kommission die bereits vorhandene Gesetzgebung eigentlich vor einem Richtlinienvorschlag prüfen müsste. Eine Gemeinschaftsinitiative hat dem Subsidiaritätsprinzip zu folgen, darf also nur im Binnenmarkt vorhandene Lücken schließen. Zudem muss sie angemessen und verhältnismäßig sein. Im EU-weiten Strafrecht ist zudem die herausragende Bedeutung entsprechender Maßnahmen gesondert zu belegen. Mit dem Hinweis, erst im fortgeschrittenen Stadium des Verfahrens eine entsprechende Untersuchung durchzuführen, räumt die Kommission somit ein, ihre Hausaufgaben nicht gemacht zu haben. Allgemein verzögert sich das Verfahren so wieder weiter auf unbestimmte Zeit.

Das EU-Parlament hat sich vor einem Jahr bereits in 1. Lesung mit dem Vorschlag der Kommission auseinandergesetzt. Dabei haben die Abgeordneten die von der Brüsseler Behörde in den Raum gestellten Strafvorschriften etwas eingeschränkt. Experten im EU-Rat äußerten wenige Monate später trotzdem noch gravierende Vorbehalte gegen die Rechtsgrundlage, das Ausmaß und zahlreiche Einzelbestimmungen des Vorhabens. Zweifelhaft schienen ihnen etwa die geplanten Tatbestände Beihilfe und Anstiftung, die ausgeweiteten Beschlagnahmerechte sowie die gemeinsamen Ermittlungsteams von Strafverfolgern mit Vertretern der Rechteinhaber.

Der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) fordert angesichts der Nachlässigkeit der Kommission, den aktuellen Entwurf komplett zurückzuziehen und das Verfahren zu stoppen.

Der Text der 1. Lesung des Richtlinienentwurfs aus dem Parlament ist mittlerweile im Amtsblatt der EU veröffentlicht (PDF-Datei). Eine Vorabversion war unter heftigen Beschuss der grünen Abgeordneten Eva Lichtenberger geraten. Die Österreicherin bemängelt gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Organisationen vor allem, dass die "offizielle Version" einen Änderungsantrag des Parlaments zu Parallelimporten von Originalgütern nicht richtig wiedergibt. Die Abgeordneten hatten dafür gestimmt, dass diese nicht von der Richtlinie erfasst werden. Nach der "bereinigten" Fassung sollen "nicht vom Rechteinhaber genehmigte" Parallelimporte nun aber doch strafrechtlich geahndet werden.

Die Verwaltung des Parlaments behandelt die heikle Angelegenheit derzeit als Verschlusssache. So beantwortete der Generalsekretär der Volksvertretung, Harald Rømer, ein Begehr nach Akteneinsicht vor Kurzem in einem Schreiben (PDF-Datei) abschlägig. Die verlangten Unterlagen enthalten ihm zufolge eine "noch nicht abgeschlossene Angelegenheit". Es gebe kein übergeordnetes öffentliche Interesse an einer Herausgabe des Papiers. Laut FFII sind inzwischen auch die entsprechenden Korrekturanträge der Abgeordneten von der Webseite des Parlaments entfernt worden. (Stefan Krempl) / (jk)