Freifunk: Berlin erwägt "Plan B" für den Aufbau eines Gratis-WLAN

Der Senat will kommerziellen Providern noch bis November Zeit lassen, sich auf eine Kooperation beim geplanten offenen Wifi-Netzwerk festzulegen. Alternativ liebäugelt er mit einem Zusammengehen mit der Freifunk-Gemeinde.

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Der Berliner Senat will kommerziellen Providern noch bis November Zeit lassen, sich verbindlich auf eine Kooperation für das geplante kostenlose WLAN in der Hauptstadt festzulegen. Dies erklärte Senatskanzlei-Chef Björn Böhning (SPD) am Mittwoch zum Auftakt des International Summit for Community Wireless Networks (IS4CWN) in Berlin. Nach dem Mitte 2012 ergangenen Beteiligungsaufruf habe es mit verschiedenen Anbietern "konstruktive Diskussionen" gegeben. Wenn geklärt sei, welche Firmen an Bord seien, könne die Implementierungsphase für das Gratis-WLAN starten.

Auf Nachfrage von heise online zeigte sich Böhning über den Verlauf der Gespräche enttäuscht. Große, bereits im Stadtgebiet aktive Hotspot-Betreiber wie die Deutsche Telekom, Kabel Deutschland oder die Wall AG verhielten sich oft sehr egoistisch. So lasse sich nur schwer die offene Plattform aufbauen, die dem Senat vorschwebt. Eventuell sei es daher nötig, entweder in einer ganz normalen Ausschreibung nach einem Betreiber dafür zu suchen – oder "Plan B" zu folgen: Hier kann sich Böhning vorstellen, mit der Freifunk-Gemeinde zusammenzuarbeiten. Sie arbeitet seit zehn Jahren daran, ungenutzte private WLAN-Kapazitäten für Dritte bereitzustellen. Böhning versicherte, dass für eine solche Kooperation gegebenenfalls auch etwas Geld im Staatssäckel vorhanden sei.

Der Senat will für den Betrieb der Plattform eine öffentlich-private Partnerschaft eingehen. "Wir wollen es den Anbietern erleichtern, ihren Job zu machen", erläuterte Böhning. So könne die Stadt etwa Pfosten öffentlicher Laternen oder von Ampeln sowie Stellen landeseigener Immobilien kostenfrei oder vergünstigt als Hotspot-Standorte bereitstellen. Zudem legt die Verwaltung Böhning zufolge wert auf Roamingmöglichkeiten, um ein möglichst großes Gebiet abzudecken und zu vermeiden, dass sich der Nutzer beim mobilen Surfen neu einloggen muss. Die ersten 30 Minuten einer Sitzung pro Tag sollen kostenfrei sein.

Böhning sieht allerdings die sogenannte Störerhaftung für Anbieter offener Funknetze als rechtliches Hindernis. Der Bundesrat hatte voriges Jahr auf Betreiben Berlins und Hamburgs eine Entschließung verabschiedet, wonach die Bundesregierung die Rechtslage prüfen sollte. Die Bundesregierung hält eine gesetzliche Beschränkung des Risikos von Anbietern offener Funknetze aber "weder für geeignet noch für erforderlich". Sie will die Klärung möglicherweise offener Rechtsfragen den Gerichten überlassen.

Im Bundestag scheiterte ein ähnlicher Antrag wie aus dem Bundesrat zudem im Juni an der Mehrheit der damaligen schwarz-gelben Koalition. Böhning kündigte daher eine neue Initiative auf Länderebene an, der möglicherweise gleich mit einem konkreten Gesetzentwurf unterfüttert werden soll, um die Privilegien für Zugangsprovider aus dem Telemediengesetz auf WLAN-Betreiber auszudehnen.

Jürgen Neumann, einer der Pioniere der Berliner Freifunk-Szene, begrüßte gegenüber heise online die Ankündigungen Böhnings. Freifunk habe schon vor einigen Jahren dem Senat einen Vorschlag für ein offenes Funketz unterbreitet. Er sei aber bislang wenig beachtet worden. Allerdings lasse sich rein ehrenamtlich stadtweit wenig bewirken. Zudem reiben sich die Freifunker an der gegenwärtigen Empfehlung des Senats, Nutzer zu registrieren und damit Möglichkeiten zu schaffen, personenbezogene Daten zu sammeln. Auch das Gratis-Limit von 30 Minuten ist ihnen ein Dorn im Auge.

Sascha Meinrath, Direktor des IS4CWN und des Open Technology Institute, appellierte an die Freifunker-Gemeinde, sich nicht auf den zahlreichen Projekten weltweit oder darauf auszuruhen, dass sich die Frequenzpolitik etwa in der EU oder in den USA ändere. "Die Zukunft gehört nicht uns", erklärte er. Die Vorhut müsse sich in eine Grundströmung, eine Art virtuellen digitalen Tsunami verwandeln und ersetzt werden durch eine Generation "digitaler Macher". Künftig seien für offene Funknetze weniger technische Revolutionen oder politische Bestimmungen entscheidend, sondern verstärkte Kooperationen. (anw)