Verhinderte Angst vor Spionage eine Nortel-Rettung?

Im September hatte der chinesische Anbieter Huawei 400 Millionen Dollar für die Metro Ethernet Sparte von Nortel geboten. Doch der Verkauf kam nicht zustande. Jetzt musste der kanadische Netzwerk-Ausrüster Gläubigerschutz beantragen.

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Die Angst vor chinesischer Spionage könnte eine Rettung des kanadischen Netzwerk-Ausrüsters Nortel verhindert haben. Nortel hat am heutigen Mittwoch Gläubigerschutz beantragt. Vergangenen September hatte der chinesische Anbieter Huawei 400 Millionen Dollar für die Metro Ethernet Sparte von Nortel geboten. Doch der Verkauf kam nicht zustande. Das Magazin Forbes führt dies darauf zurück, dass wichtige US-Kunden im Fall einer chinesischen Übernahme wohl den Anbieter gewechselt hätten. Zu groß sei die Befürchtung, dass das chinesische Regime Hintertüren und anderen unfreundlichem Code in die Geräte einschleuse.

Zum Schlusskurs von Dienstag hatte die gesamte Nortel-Gruppe nur noch einen Börsenwert von rund 141 Millionen Dollar. Die 400 Millionen hätte Nortel also gut brauchen können, nicht nur um jetzt fällige 107 Millionen Dollar (umgerechnet 80,6 Millionen Euro) bezahlen zu können. Auch der Aktienkurs hätte wohl eine Steigerung erfahren. Aufgrund der geringen Notierung droht Nortel das Delisting an der New York Stock Exchange.

Zu den Kunden der Ethernet-Abteilung von Nortel zählen unter anderem die US-Netzbetreiber AT&T, Qwest, Sprint und Verizon. Diese betreuen wiederum zahlreiche US-Einrichtungen inklusive National Security Agency (NSA) und Verteidigungsministerium. Diese Einrichtungen sind naturgemäß besonders sensibel, wenn es um den Schutz übertragener Daten geht. So hatten US-Behörden im Februar 2008 aus Gründen der nationalen Sicherheit Bedenken gegen eine Minderheitsbeteiligung von Huawei am Netzwerkausrüster 3Com geäußert; daraufhin scheiterte das Vorhaben. 3Com zählt zu den Lieferanten der öffentlichen Hand in den USA. So kauft etwa das US-Militär Software bei der 3Com-Abteilung Tipping Point, die für Online-Sicherheit zuständig ist.

Bereits im Januar 2007 hatte die RAND-Gruppe in einem Bericht für die US-Luftwaffe darauf hingewiesen, dass Huawei-Gründer und -Chef Ren Zhengfei früher eine hohe Position in der Telekommunikations-Entwicklungsabteilung des chinesischen Militärs bekleidete. Heute spiele das chinesische Militär eine vielfältige Rolle bei Huawei – als wichtiger Kunde, als politischer Patron und als Forschungs- und Entwicklungspartner. Wenig später bezeichnete die konservative Heritage Foundation Huawei als Sicherheitsbedrohung. Sollte ein Protegé der Volksbefreiungsarmee eine amerikanische Firma übernehmen, die der US-Regierung Netzwerkausrüstung, Software und Dienstleistungen liefert, seien die Möglichkeiten für Cyber-Spionage "praktisch grenzenlos".

Huawei dürfte an der Nortel-Sparte nicht nur der Anteil am Markt für Glasfaser-Ausrüstung interessiert haben – Nortel liegt dabei hinter Alcatel-Lucent und Huawei auf Platz 3. Denn auch technologisch hat Nortel einiges zu bieten. Der schnellste Glasfaser-Switch von Huawei schafft 40 Gigabit pro Sekunde, ein Nortel-Modell hingegen 100 Gigabit. Außerdem haben die beiden Firmen schon eine gemeinsame Vergangenheit. Ein 2005 gegründetes Joint Venture wurde aber 2006 wieder beendet. "Der (aktuelle) Deal ergab zunächst viel Sinn, da Huawei die Technologie gefiel", zitiert Forbes einen IDC-Analysten. "Aber was bringt es, wenn Verizon und AT&T das Equipment nicht nehmen?"

Nicht überall teilt man die Spionage-Befürchtungen. Marcus Ranum, Sicherheitschef bei Tenable Network Security, erläuterte gegenüber Forbes, dass es schwierig sei, nicht entdeckbare Sicherheitslücken zu schaffen oder Code einzuschleusen, der Daten kopiert und weiterleitet: "Es ist albern, sich Sorgen darüber zu machen, dass eine chinesische Firma womöglich Hintertüren in unsere Infrastruktur einbaut, wenn die Regierung bereits jetzt große Teile ihres Betriebes auslagert." In den Augen von Regierungsvertretern "mit mehr Einbildung als technischem Wissen", würde der Verkauf allerdings verdächtig erscheinen.

Interesse an der Nortel-Abteilung wurden neben Huawei noch Cisco, Ericsson, Nokia Siemens Networks und der israelischen Radware nachgesagt – Letztere hat aber gerade einmal 30 bis 50 Millionen Dollar geboten. Von den anderen Interessen sind keine konkreten Gebote bekannt – vielleicht haben sie einfach auf die Nortel-Pleite gewartet, um Filetstücke des Unternehmens billiger zu bekommen oder verunsicherte Kunden leichter abwerben zu können. ( Daniel AJ Sokolov ) / (pmz)