Kölner Demo gegen den Überwachungsstaat findet weitere Unterstützer

Auch der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung und der CCC rufen inzwischen mit zu der Protestkundgebung der Bürgerrechtsgruppe "Freiheit ist Sicherheit" auf, während die Große Koalition um ein Internet-Grundrecht für Informationsfreiheit ringt.

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Die geplante Demo gegen den Überwachungsstaat am kommenden Samstagmittag in Köln wird nun nach Angaben des Veranstalters auch vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung und dem Chaos Computer Club (CCC) unterstützt. Beide Organisationen rufen demnach gemeinsam mit der Bürgerrechtsvereinigung "Freiheit ist Sicherheit" und der Piratenpartei Köln zu der Kundgebung auf, die um 12.30 Uhr am Albertus-Magnus-Platz in Köln starten soll. Die Proteste sollen sich vor allem gegen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) richten, der immer wieder Vorschläge zur weiteren Einschränkung der Freiheitsrechte unterbreite.

Schäuble selbst verteidigte seine heftig umstrittenen Pläne für heimliche Online-Durchsuchungen am gestrigen Dienstag auf der Herbsttagung des Bundeskriminalamtes (BKA) als "Ultima Ratio der Terrorismusabwehr", die hohen rechtstaatlichen Hürden unterliege. Dass der konkrete Gesetzesentwurf aus dem Haus des Christdemokraten teils die Auflagen nicht so eng nimmt, steht auf einem anderen Blatt. Für den innenpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, geht die Debatte um die Terrorgefahr hierzulande jedenfalls inzwischen "an der politischen Wirklichkeit vorbei". In einigen Teilen Deutschlands sei die Gefahr, Opfer rechtsextremer Gewalt zu werden, tausendmal größer als die Wahrscheinlichkeit eines Terroranschlags, sagte der Online-Durchsuchungen prinzipiell offen gegenüberstehende Sozialdemokrat nach einer Tagung von SPD-Innenpolitikern in Schwerin.

Auf der Konferenz haben die beteiligten Genossen sich darauf verständigt, dass unmittelbar nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Online-Razzien in Nordrhein-Westfalen eine Positionierung der Sozialdemokraten erfolgen soll. Mit der Entscheidung in Karlsruhe wird nicht vor Anfang nächsten Jahres gerechnet. Wiefelspütz stellte zugleich klar: "Wenn der Bundesinnenminister zu 90 Prozent nur noch über Terrorismus redet, verkennt er die deutsche Kriminalitätswirklichkeit."

Die Union steht derweil dem Vorstoß von Wiefelspütz und anderen SPD-Politikern skeptisch gegenüber, ein neues Grundrecht auf Informationsfreiheit im Internet zu schaffen. Zwar sei man grundsätzlich gesprächsbereit, sagte der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Jürgen Gehb (CDU), der Tageszeitung Die Welt. Sollte das neue Grundrecht aber lediglich eine "Lex Online-Durchsuchung" zur Blockade der geplanten Ermittlungsmethode für das Bundeskriminalamt darstellen, werde die Union nicht mitmachen. Den Sicherheitsbehörden dürfe der Einsatz technischer Innovationen zur Verbrechensbekämpfung nicht verwehrt werden. Weit auseinander scheint die Koalition damit aber nicht zu liegen: Auch Wiefelspütz erläuterte inzwischen, es müsse Schranken und Gesetzesvorbehalte für die Erweiterung der Grundrechte geben. Zu diesen könne unter bestimmten Voraussetzungen auch die umkämpfte Online-Durchsuchung zählen.

Nach Ansicht der früheren Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ist es grundsätzlich richtig, die Stellung der Bürger im Umgang mit dem Internet zu stärken. Wichtig sei aber, "dass dabei ein Mehr an Freiheit entsteht und keine weiteren Beschränkungen wie zuletzt bei einigen Gesetzesprojekten der Bundesregierung." Deshalb hänge viel von der konkreten Formulierung des neuen Grundrechts ab. Die innenpolitische Sprecherin der Liberalen im Bundestag, Gisela Piltz, hält die Entdeckung der Bürgerrechte durch die SPD für "wenig glaubwürdig". Regierungsvertreter hätten bereits klar gemacht, dass dem geplanten neuen Freiheitsrecht klare Schranken gesetzt werden müssten. Gemäß dem Rechtsexperten der Grünen, Jerzy Montag, fordert seine Partei schon seit langem, ein umfassendes Kommunikationsgrundrecht in die Verfassung aufzunehmen. Diese müsse das bislang nur vom Bundesverfassungsgericht formulierte Recht auf informationelle Selbstbestimmung und auch den Datenschutz beinhalten.

Zum aktuellen Stand und der Entwicklung der Debatte um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe:

(Stefan Krempl) / (jk)